Lieber mal langsam!
Die Herbstferien eignen sich besonders gut, um der Natur dabei zuzusehen wie sie sich in ein neues Farbenkleid wirft. Slow Travel heißt jene Reiseform, die es möglich machen soll, solche Erlebnisse wieder bewusst wahrzunehmen.
Vom kurzfristigen Hype konnte sich die Slow-Food-Bewegung zu einem anhaltenden Ernährungstrend entwickeln. Slow Food ist sozusagen in aller Munde. Auch wenn sich der schnelle, meist ungesunde Snack für zwischendurch dann doch hin und wieder durchsetzt. Es dauerte deshalb auch nicht lange, bis die Ideen der Slow-Food-Bewegung auch auf das Reisen überschwappten und sich eine Community rund um eine neue, bewusstere Form des Reisens formierte.
Einen Gang zurückschalten
Obwohl Slow Travel punkto Bekanntheit noch etwas hinter Slow Food hinterherhinkt, hat sich mittlerweile auch in Österreich viel getan. Wie Eckart Mandler, Geschäftsführer des Tourismusvereins Wanderhotels in Europa, erklärt, geht es bei Slow Travel vor allem um eine bewusstere Art, Urlaub zu machen, die auch sehr viel damit zu tun hat, eine bestimmte Region in ihrer Ursprünglichkeit zu entdecken. „Das Wandern ist natürlich ein wichtiger Teil davon. Ich merke, dass vor allem junge Leute immer stärker daran interessiert sind, ihre Beine zu verwenden, um im Urlaub voranzukommen. Ich sehe darin vor allem eine Gegenentwicklung zu den hektischen Tagesabläufen vieler junger Leute.“
Dass der Tourismusexperte mit dieser Einschätzung richtig liegt, bestätigen auch zahlreiche Blogs, die sich schwerpunktmäßig dem Thema des bewussten Reisens widmen. Der Blog „Reisezeilen“ ist einer davon. In Worten und vielen schönen Bildern teilt Inhaberin Beatrice Anton hier ihre Reiseerlebnisse mit ihren Leserinnen und Lesern. Dass sich ihre eigenen Vorstellungen von der perfekten Reise immer stärker in diese Richtung neigen würden, war der Reisebloggerin schon sehr früh klar: „Ich habe schon immer die Natur und Tiere geliebt und war auf Reisen gerne aktiv unterwegs. Und was man mag, muss man auch schützen und erhalten. Vor dem Hintergrund habe ich mich oft mit Themen wie Umweltschutz, Tierschutz, Klimaschutz oder Menschenrechte beschäftigt. Da war es für mich auch eine ganz logische Weiterentwicklung, bei meinen Reisen zunehmend darauf zu achten, möglichst achtsam unterwegs zu sein und meine Augen nicht vor Problemen zu verschließen.“ Slow Travel bedeutet für sie vor allem, sich ganz bewusst Zeit für ihre Reisen zu nehmen. „Dabei schaue ich, welche Erfahrungen und Eindrücke mir persönlich tatsächlich wichtig sind, statt einfach nur die Standard-Sehenswürdigkeiten abzugrasen. Im Zweifelsfall ist weniger eindeutig mehr.“
Ausgeplant
Urlaube im Slow-Travel-Modus bieten auch eine gute Möglichkeit, sich eine wohlverdiente Pause von der ständigen Planung und Optimierung des Alltags zu nehmen. Das andauernde Abarbeiten von Listen hat sich schließlich längst auch schon im Privatleben etabliert. Dieser Meinung ist auch Beatrice Anton: „Ich glaube, dass auch die Freizeit bei vielen Menschen immer stärker verplant ist. Man will in wenig Zeit möglichst viel erleben und sich damit rühmen können, die bekannten touristischen Hot Spots gesehen zu haben. Stattdessen sollte man sich eher fragen, was einen eigentlich wirklich interessiert, oder vielleicht auch einfach mal das süße Nichtstun genießen.“
Das süße Nichtstun gelingt alleine zwar oft ganz gut, kann mit kleineren Kindern allerdings etwas schwierig werden. Das bedeutet aber nicht, dass Slow-Travel-Urlaube mit Kindern nicht möglich sind. „Bei vielen Familien überwiegt meistens der Wunsch, gemeinsam Abenteuer zu erleben. Im besten Fall draußen. Dadurch können die Kinder auch in die Natur und weg von ihren digitalen Geräten gelockt werden“, erklärt Mandler. Hier bieten sich vor allem Klettergärten und Klettersteige an, die dazu einladen, mit Händen und Füßen aktiv zu sein, ohne dass es langweilig wird. „Auch wenn man gemeinsam mit Kindern unterwegs ist, geht es darum, die Natur zu entdecken. Allerdings sind diese Ausflüge und Reisen dann meistens deutlich erlebnisreicher organisiert“, fügt der Tourismusexperte noch hinzu.
Ganz gleich, wie viel Abenteuer man letztendlich in den Slow-Travel-Urlaub einfließen lässt, die Erfahrung wird auf jeden Fall eine völlig andere sein als im Pauschalurlaub. „Wenn sich die Eltern dazu entschließen, bewusster unterwegs zu sein, dann tun sie der ganzen Familie einen großen Gefallen. Sich intensiv auf ein Land einzulassen, bietet so viele spannende Erfahrungen, von denen Kinder tausendmal mehr profitieren als von Betreuung im All-inclusive-Urlaub“, bringt es Beatrice Anton auf den Punkt. Slow Travel lässt sich sowohl in der Nähe als auch in der Ferne realisieren und kann deshalb auch direkt vor der Haustüre beginnen. Weil es dabei nicht darum geht, am laufenden Band Eindrücke zu sammeln oder To-Dos abzuarbeiten, ist es nicht unbedingt notwendig, eine weite Anreise auf sich zu nehmen. Häufig bieten sich auch auf gewohntem Terrain zahlreiche Möglichkeiten, bewusst nach neuen Facetten des Alltags zu suchen. Oder eben nach reifen Kastanien, die sich unter einer dicken Schicht bunter Blätter verstecken, während sich die Natur schon langsam auf den Winter vorbereitet.
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