CORONA-SCHUTZIMPFUNG: Wie ein Sicherheitsgurt
Die einen können es nicht erwarten, sich gegen Corona impfen zu lassen. Andere sind skeptisch und sorgen sich um eventuelle Nebenwirkungen der Impfung. Für den Rektor der medizinischen Universität in Wien ist klar: Die Impfung ist etwas Grundvernünftiges.
Die Impfung. Endlich ist sie da. Im coronamüden Österreich müsste eigentlich ein kollektives Aufatmen zu hören sein. Und es gibt sie auch, die Begeisterten, die lieber heute als morgen ihren Pieks bekommen würden. Weil sie die Oma wieder ohne Abstand besuchen und die beste Freundin zur Begrüßung umarmen wollen. Umfragen zeigen: Rund die Hälfte aller Österreicher möchte sich impfen lassen, sobald dies möglich ist. Genauso viele sind aber zurückhaltend bis ablehnend.
„Warum sollte ich mich impfen lassen, da ich ohnehin keiner Risikogruppe angehöre?“ fragen sie. Oder: „Wer weiß, welche Nebenwirkungen oder Folgeschäden die Impfung hat. Sie wurde ja im Eilverfahren entwickelt, da kann man schon etwas übersehen“, „Was, wenn die Impfung wirklich die DNA verändert?“
Zu den Bedenken kommen Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Impfstoffes, die für Frustration sorgen. Prof. Markus Müller, Rektor der medizinischen Universität Wien, kennt die vielen Fragen, die rund um die Corona-Schutzimpfung auftauchen. Sein Anliegen: Fakten auf den Tisch legen und Unsicherheiten ausräumen. „Viele Menschen bekommen im Internet Falschinformationen und dadurch falsche Vorstellungen. Wichtig ist es, seriös und faktenbasiert zu informieren und jedem dann die Entscheidung zu überlassen.“
Impfung regt Immunsystem an
Einen der größten kursierenden Irrtümer sieht Müller in der Annahme, dass der mRNA-Impfstoff wie ihn das Pharmaunternehmen Biontech Pfizer anbietet, in die menschliche Genetik eingreife. „Es wird immer wieder kolportiert, dass da etwas in die Zellen eingebaut wird und es zu einer genetischen Veränderung der Zellen kommt. Das ist falsch. RNA und DNA sind zwei unterschiedliche Dinge.“ Was bei einer mRNA-Impfung tatsächlich passiert: Dem Körper wird der Bauplan für Virusproteine zur Verfügung gestellt. Die menschlichen Zellen beginnen, die Erreger selbst zu produzieren, und in Folge wird das Immunsystem angeregt, Antikörper zu bilden. Es passiert also das, was bei jeder anderen Impfung auch geschieht. Die sogenannten Vektorimpfstoffe wie der des Pharmaunternehmens AstraZeneca funktionieren nach einem anderen Prinzip. Ein harmloses Virus wird so umgebaut, dass es zwar harmlos bleibt, für den Körper aber so aussieht, als wäre es das SARS-CoV-2-Virus. Auch hier reagiert das menschliche Immunsystem auf das Vektorvirus mit Antikörpern.
Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der medizinischen Universität Wien
Keine Abstriche bei der Sicherheit
Die unterschiedlichen Impfstoffe gegen Corona wurden im Rekordtempo entwickelt und zugelassen. Prozesse, die normalerweise mehrere Jahre dauern, wurden extrem beschleunigt, um die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen. Führte die gebotene Eile zu Abstrichen bei der Sicherheit? „Nein“, versichern Experten wie auch der Mediziner Markus Müller. Die Impfstoffe wurden sorgfältig geprüft und an mehreren zehntausenden Probanden getestet. Mittlerweile (Stand Anfang Februar 2021) wurden über 70 Millionen Menschen geimpft. Nebenwirkungen wie Schwellungen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder Kopfschmerzen kommen vor – was nicht anders zu erwarten ist. „Der große Teil der Impfreaktionen tritt unmittelbar nach der Impfung auf, aber nicht Monate oder Jahre später. Diesen Zeitraum können wir bereits überblicken“, sagt Müller. Das, was in den Studien nicht geprüft werden kann, sind die sehr seltenen und die langfristigen Nebenwirkungen der Impfung. „In extrem seltenen Fällen kann es zu einer Impfkomplikation kommen, zu einem sogenannten ‚Impfschaden‘.“ Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Komplikation sei aber so klein, dass die Vorteile der Impfung bei Weitem überwiegen würden. „Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Corona-Verlaufs liegt, je nach Alter, bei einem bis zehn Prozent.“ Und sei damit ungleich höher als jene einer Komplikation im Zuge der Corona-Schutzimpfung. Macht man also eine nüchterne Risiko-Abwägung, steht für Müller außer Frage: „Die Impfung ist etwas Grundvernünftiges.“
Selbstschutz und Fremdschutz
Bleibt die Frage, warum man sich impfen lassen sollte, wenn man keiner Risikogruppe angehört. Zuerst einmal um sich selbst zu schützen, sagt Markus Müller. Denn: „In seltenen Fällen gibt es auch jüngere Menschen, die schwer erkranken. Mit der Impfung kann man dieses Risiko massiv reduzieren“, erklärt der Mediziner. Bei Geimpften nimmt das Virus – sollte man erkranken – einen viel leichteren Verlauf. Ob man durch die Impfung auch „steril“ ist, also gar nicht erkranken kann, sei noch eine offene Frage. „Erste Daten deuten darauf hin“, sagt Müller. „Jedenfalls kann man das Virus viel weniger wahrscheinlich übertragen, weil die Viruslast nicht so hoch ist.“ Die Corona-Schutzimpfung diene also sowohl dem Selbst- als auch dem Fremdschutz. Müller vergleicht sie mit dem Sicherheitsgurt im Auto: „Das Risiko, dass ich den brauche, ist gering. Wenn aber etwas passiert, bin ich froh, dass ich ihn habe.“
Wichtiges auf einen Blick
Die Corona-Schutzimpfung wird für einen vollen Impfschutz in zwei Dosen verabreicht. Wie lange der Impfschutz anhält, steht noch nicht fest und wird in Studien geprüft. Auch ob es – wie bei der Influenza-Impfung – regelmäßig eine neue Impfung braucht, wird sich erst zeigen. Das hängt davon ab, ob und wie sich das Virus im Laufe der Zeit verändert. Mutationen werden deshalb genau beobachtet und gegebenenfalls kommt es zu einer Anpassung des Impfstoffes. So wie jede andere Impfung bietet auch die Corona-Schutzimpfung keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Erkrankung. In Ausnahmefällen kann man trotz Impfung erkranken. Der Verlauf der Krankheit ist dann aber deutlich milder, Todesfälle und Komplikationen werden vermieden. In Österreich kann man sich bereits zur Impfung voranmelden.
Alle Infos zur Impfung gibt es auf:
www.ages.at
www.oesterreich-impft.at
und auf www.sozialministerium.at
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