Wild sein oder ruhig? Kämpfen oder kuscheln?
Männlichkeit hat viele Facetten. Das können Buben von klein auf lernen. - Interview mit Anna Brodacz, Sozialarbeiterin (www.poika.at)
Frau Brodacz, was können Sie Bubenmamas und Bubenpapas ausgehend von Ihrer Erfahrung bei der Arbeit mit Burschen mitgeben?
Anna Brodacz: Nicht alle Buben sind gleich! Verallgemeinerungen sind nicht sinnvoll. Eltern sollten in erster Linie die Persönlichkeit ihres Kindes im Blick haben und es darin stärken. Ein Bub darf wild sein, er darf Ritter spielen, wenn er möchte. Er darf aber auch das Gegenteil machen und kann lernen, ruhig und still zu sein.
Eltern tragen viel zu dem Bild von Männlichkeit bei, das Buben entwickeln. Wie gelingt es ihnen, Männlichkeit in ihren unterschiedlichen Facetten zu vermitteln?
Wenn sich ein Bub weh tut, sollte er von den Erwachsenen nicht Sätze zu hören bekommen wie „So schlimm ist es doch gar nicht“ oder ‚„Wein doch nicht wie ein Mädchen“. Wichtig für Eltern ist, in solchen Situationen empathisch zu reagieren, auf das Gefühl einzugehen, zu sagen „Oje! Zeig mal her! Das hat weh getan, oder?“ Auch spielerisch kann man das Spektrum an sozialen Kompetenzen erweitern. Wenn ein Bub zum Beispiel sehr gern mit Dinos spielt, ist das natürlich völlig in Ordnung. Vielleicht bietet sich aber eine Möglichkeit der Ergänzung an: Der Dino könnte sich ja auch verletzt haben und muss versorgt werden. Männern sagt man nach, dass sie sich schwer tun, Gefühle zu zeigen und über sie zu sprechen.
Wie kann man bereits Buben helfen, ihre Gefühle auszudrücken?
Wenn Männer beziehungsweise Buben Gefühle zeigen, sind sie oft wütend oder aggressiv. Das sind typische Zuschreibungen, wie man als Mann sein darf. Kinder, die von klein auf lernen, dass es auch andere Gefühle außer Wut und Aggression gibt, dass es zum Beispiel auch in Ordnung ist, traurig zu sein oder zu weinen, tun sich auch später leichter damit.
Körperlichkeit – Sport, Bewegung, raufen, wild sein – spielt bei Buben oft eine wichtige Rolle. Wie kann man sie darin unterstützen, das gut auszuleben?
Viele brauchen Sport und Bewegung, um sich zu spüren. Viele sind auch gerne wild. Wild sein ist super, kann aber schnell kippen. Da ist es wichtig, dass Buben spüren, wo ihre Grenzen sind. Nicht immer tun sie das und es ist in unserer Gesellschaft eher akzeptiert, dass Burschen auch mal über ihre Grenzen drüber gehen. Gerade was das Kämpfen und Raufen angeht, lassen sich manche da überrumpeln und sagen im Nachhinein, dass sie eigentlich gar nicht raufen wollten. Wichtig ist, ihnen zu vermitteln, dass sie auch nein sagen dürfen, ohne ausgelacht zu werden.
Körperlichkeit kann es ja auch beim Kuscheln geben …
Genau, das brauchen Burschen genauso wie Mädchen. Nur hat man beobachtet, dass sie weniger oft als Mädchen dazu eingeladen werden. Eltern können zu ihnen sagen: Komm, ich les’ dir was vor! Kuscheln wir uns auf die Couch. Oder lass uns eine gemütliche Höhle bauen. So kommen die Burschen in ein angenehmes Wohlgefühl. Sie sind an einem sicheren Ort, an dem sie gut den Druck von außen los werden können.
„Buben sollen spüren und wissen, wo ihre Grenzen sind.“
Anna Brodacz
Sozialarbeiterin. www.poika.at (Verein zur Förderung gendersensibler Bubenarbeit in Unterricht und Erziehung)
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