Die Kunst der Babyzeichen
Mit Babyzeichen kann man schon früh mit seinem Kind mittels Gebärden „sprechen“. Was man dabei beachten sollte und welche Vorteile zeitiges Kommunizieren für Eltern und Kinder haben können.
Filmfreunden dürfte er noch lebhaft in Erinnerung sein: Robert De Niro, der als ehemaliger CIA-Agent und liebender Großvater Jack Byrnes in der Hollywood-Komödie „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ mit seinem kleinen Enkelsohn „Little Jack“ per Zeichen kommuniziert, obwohl dieser noch gar nicht sprechen kann.
Neue Welten erschließen
Was vielen Menschen wohl als Fiktion besonders kreativer Hollywood-Drehbuchautoren erscheinen mag, hat einen durchaus realistischen Hintergrund. Denn Babyzeichen sind vor allem im anglo-amerikanischen Raum ein beliebtes Kommunikationsmittel, das auch in Österreich immer mehr Anhänger findet. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kurse und Bücher, die die besondere Art der Kommunikation mit Babys und Kleinkindern vermitteln. Auch Vivian König gehört dazu. In ihren Büchern, ebenso wie in den von ihr gegründeten Zwergensprache Kursen zeigt sie Eltern, wie sie sich den Umgang mit Kindern, die noch nicht oder kaum sprechen, erleichtern und die Beziehung auf eine neue Ebene heben können. Dabei kann die zweifache Mutter ihr Wissen nicht nur theoretisch vermitteln, denn auch ihre Kinder Maximilian und Emilia sind mit Babyzeichensprache aufgewachsen. Mittlerweile bildet König regelmäßig Kursleiterinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz aus, um die Kunst der Babyzeichen an andere Eltern weitergeben zu können.
Weg für den Selbstausdruck
Babyzeichen sind für Kinder eine Möglichkeit, sich schon vor dem eigentlichen Sprechen spielerisch aber auch ganz konkret auszudrücken, sagt die Expertin. „Alle Eltern kennen das von Dingen wie Winken zum Abschied oder Klatschen für Bravo. Genau diese Gesten nutzen wir im Alltag mit den Kleinen intuitiv. Man spürt dann gleich, wie viel positive Aufmerksamkeit von den Kindern zurückkommt und mit welcher Selbstverständlichkeit und Freude sie das Kommunizieren annehmen.“ Manche Kinder nutzen schon ab fünf Monaten die Zeichen, während andere erst ab dem ersten Geburtstag ins aktive Zeigen kommen. Doch schon die Zeit davor ist hilfreich, weil Eltern besser verstanden werden, wenn sie nicht nur sprechen, sagt Vivian König. Auch die Bandbreite der Gebärden, die die Kinder nutzen ist groß – sie reicht von fünf bis 150 Gebärden. Vivian König ist wichtig zu betonen, dass es nicht darum geht, so viele Babyzeichen wie möglich zu erlernen: „Schon fünf Zeichen können reichen, um Entspannung in den Familienalltag
zu bringen. Denn Babyzeichen helfen Kindern, einen Weg für ihren Selbstausdruck zu haben. Kleine Kinder möchten in diesem Alter so viel – und scheitern teilweise am Können. Babyzeichen können hier eine hilfreiche Brücke sein, denn sie geben den Kleinen Orientierung, was als Nächstes kommt. Gerade in Umbruchsmomenten spüren sie so mehr Sicherheit und sind auch kooperativer.“ Eltern bevorzugen übrigens einfache Handzeichen wie „Essen“, „Trinken“, „Windel wechseln“ und „Baden“. Von sich aus nutzen Kinder, berichtet Vivian König, am liebsten Zeichen wie „noch einmal“, „Licht“, „Blume“ oder „Baum“. Und, wenn Eltern dank der Gebärden mit ihren Kindern gewisse Momente teilen können, „ist das eine ganz besondere Nähe, die man mit seinem Kind erleben kann.“
Ein Gespräch zu dritt
Besonders berührend ist es für Vivian König, wenn Eltern ihr berichten, wie sich die Beziehung zu dem Kind durch den Einsatz der Babyzeichen positiv verändert hat. So wie jenes Elternpaar, das einen ihrer Kurse absolviert hatte und ihr kurz darauf per Mail von einem Erlebnis mit seiner kleinen Tochter berichtet: Die Familie saß eines Tages beim gemeinsamen Abendessen zusammen als sich die Tochter plötzlich in das Gespräch der Erwachsenen einschaltete und mit einer Gebärde das Wort „Flugzeug“ zeigte. Die Eltern unterbrachen daraufhin ihr Gespräch, sahen auf die im Hochstuhl sitzende Tochter und alle drei erblickten ein draußen vorbeifliegendes Flugzeug. Ihre Mail an Vivian König beendeten die Eltern mit dem Satz: „Wir hatten in diesem Moment das allererste Mal ein Gespräch zu dritt – jetzt sind wir eine Familie.“
Blume
Rechte Hand zur Faust, mit dem Handrücken nach unten, ballen. Langsam öffnen und die Finger wie eine blühende Blume abspreizen und daran riechen.
Licht
Die rechte Hand als Faust, mit dem Handrücken nach oben, über Kopfhöhe halten. Faust schnell öffnen und alle Finger wie einen Lichtkegel nach unten wegspreizen.
Mehr
Die Finger der linken Hand sind, mit der Handfläche nach innen, vor dem Körper gestreckt, Daumen angelegt. Alle Fingerspitzen der rechten Hand zusammenhalten und 2x in die Handfläche der linken Hand tippen.
Milch/Stillen
Die rechte Hand auf Brusthöhe zur Faust ballen, Daumen nach oben abgespreizt. Die Faust dreimal öffnen und wieder schließen.
Vogel
Zeigefinger und Daumen strecken und zu einem Schnabel formen. Restliche Finger zur Faust ballen. 2x am Mund öffnen und schließen.
Interview mit Vivian König
„Entspannung für Kind und Eltern“
Buchautorin und Babyzeichen-Expertin Vivian König über die Bedeutung der Gebärden.
Ihre Tipps für das Erlernen der Babyzeichen?
Vivian König: Die Eltern müssen mit sich geduldig sein. Denn ein Wort zu sagen, fällt leicht. Gleichzeitig aber die Handbewegung dazu zu machen, braucht ein wenig Übung. Sie müssen aber auch mit dem Tempo des Kindes Geduld haben. Am besten immer fröhlich die Gesten zu den jeweiligen Worten zeigen.
Was sind die positiven Effekte der Zeichen?
Man muss den Moment abpassen, wo man das Zeichen zum Wort machen kann und spricht dadurch langsamer, melodischer, mit Blickkontakt und somit kindgerechter. Es ist auch für Geschwisterkinder jeden Alters eine tolle Erfahrung, durch Zeichen den Zugang zum jüngeren Geschwisterchen zu bekommen und ihm ihre Welt erklären zu können.
Wie profitieren die Kinder davon?
Sie können sich nicht nur besser mitteilen, sie bekommen auch mehr Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse. Sie zeigen etwa eher an, wenn sie Durst haben – und Eltern müssen sich dann nicht mehr so oft Stress machen, ob das Kind genügend trinkt. Das ist nicht nur bequem, es bringt auch Entspannung für Eltern.
Besteht die Gefahr, dass sich die Sprachentwicklung durch Babyzeichen verzögert?
Nein, denn so ticken Kinder nicht. Sie sind immer bestrebt, sich weiterzuentwickeln und uns nachzuahmen. Und da wir die Handzeichen ja nicht stumm nutzen, sondern immer auch dazu das jeweilige Wort sprechen, muss man sich keine Sorgen machen. Studien aus Amerika, wo die Babyzeichen Ende der 80er-Jahre entstanden sind, belegen, dass etwa Dreijährige, die mit Babyzeichen großgeworden sind, einen Wortschatz auf dem Niveau eines Vierjährigen haben – und den Vorsprung bis ins Vorschulalter behalten.
Vivian König
www.babyzeichensprache.com
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