DIE ERSTEN WORTE
Hilfswerk NÖ-Erziehungsexpertin Manuela Prinz-Klebe im Interview zu einem der faszinierendsten Prozesse in der Entwicklung eines Kindes: die Sprachentwicklung.
Weshalb ist der frühe Spracherwerb bei Kindern so wichtig?
Manuela Prinz-Klebe: Sprache ist der Schlüssel zu fast allen Lebensbereichen. Sie dient der Kommunikation, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und Beziehungen aufzubauen, aber auch um die Umwelt zu erfassen, sie zu verarbeiten und zu kategorisieren. Je besser die sprachliche Entwicklung ist, desto erfolgreicher sind die späteren Lernergebnisse. Sprache ist ein wichtiges Medium um sich Wissen, Erkenntnisse und Einstellungen anzueignen und um sich im sozialen Gefüge unserer Gesellschaft zurechtzufinden. Gerade die ersten drei Lebensjahre sind für die Sprachentwicklung von großer Bedeutung. Das Kind lernt in diesem Zeitraum besonders schnell und erwirbt in dieser Lebensphase seine motorischen und kognitiven sowie sensorischen Grundlagen, die es für das Sprechen lernen benötigt. Noch bevor das Kind überhaupt zu sprechen beginnt, erwirbt es durch den Austausch mit seiner Umwelt – durch Gestik, Mimik oder Körpersprache der Eltern – kommunikative Fähigkeiten. Zusätzlich kommt dem Hören lernen in dieser Entwicklungsphase besondere Bedeutung zu.
Was können Eltern von Anfang an für die Sprachentwicklung ihres Kindes tun?
Eltern sollten von Anfang an mit ihrem Kind sprechen. In Alltagssituationen kann Sprache gut eingebaut werden wie z. B. beim Wickeln, beim An-und Ausziehen, bei der Körperpflege, etc. Das Kind wird aufmerksam zuhören, auch wenn es das gesprochene Wort noch nicht zuordnen kann. Es geht dabei um die Interaktion mit dem Kind. Es reagiert auf Ansprache und antwortet mit seinen eigenen Mitteln wie Lächeln, Brabbeln, Quietschen oder Sprechversuchen. Besonders wichtig ist es als Elternteil, diese ersten Kommunikationsversuche des Kindes wahrzunehmen und auf diese zu reagieren. Indem Eltern ihr Kind beispielsweise anlächeln, bekommt das Kind eine positive Rückmeldung und wird motiviert, seine kommunikativen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Welche Möglichkeiten gibt es konkret, um die sprachliche Kompetenz des Kindes zu erweitern?
Kinder benötigen ein anregendes Umfeld, um ihre Sprachfähigkeiten zu schulen. Im Austausch mit Sprachvorbildern, wie den Eltern, erlernen Kinder grammatikalische Regeln und wie sich Wörter zu Sätzen zusammensetzen. Ein Beispiel: Das Kind möchte eine „n a n e“, der Elternteil reagiert mit einem vollständigen Satz darauf „Du möchtest eine Banane essen.“ Vorrangiges Ziel sollte es sein, die Sprechfreude des Kindes zu wecken. Sprechversuche zu korrigieren oder das Kind ständig zum Nachsprechen aufzufordern, wirken kontraproduktiv.
Gibt es spielerische Elemente, die zur Sprachentwicklung der Kinder beitragen können?
Mit Bilderbüchern, Kinderliedern, Kinderreimen und Märchen können sprachförderliche Momente geschaffen werden. Besonders das Vorlesen von Geschichten und anschließend darüber zu plaudern, fördert die Sprachentwicklung. Das Sprechen über Erlebtes, wie zum Beispiel den Einkauf, den Spaziergang oder den Zoo-Besuch bieten Gelegenheiten für einen Austausch. Zudem kann durch Hinzufügen neuer Wörter der Wortschatz des Kindes erweitert werden.
Durch gemeinsames Singen, Wiederholen von Sprech- und Reimspielen sowie Bewegungslieder kann ein Gefühl für Rhythmik aufgebaut werden. Zudem wird die Merkfähigkeit des Kindes geschult. Auch handelsübliche altersadäquate Spiele, sofern sie gemeinsam von Kind und Eltern genutzt werden, ermöglichen sprachförderliche Situationen. Medien wie Fernseher, Tablet oder Handy, bei welchen der dialogische Austausch mit einer konkreten Person fehlt, können hingegen nur wenig zur kindlichen Sprachentwicklung beitragen.
Welche Lernerfahrungen sind in den ersten Lebensjahren für die Sprachentwicklung notwendig?
Das Kind muss in den ersten Lebensjahren wichtige Entwicklungsphasen für das Sprechen lernen durchlaufen. Es muss grob- und feinmotorische Fähigkeiten entwickeln, um sich mit seiner Lebenswelt auseinandersetzen zu können. Indem es auf Sachen zugeht, diese berühren und ertasten kann, erkundet es seine Umwelt. Diese Aktivitäten ermöglichen dem Kind ein eigenständiges Sammeln von Erfahrungen und ein Aneignen der Umwelt. Sobald es Sachen „begreift“, entstehen Bilder für das Kind, welche es später in Worte umwandelt. Fazit: Bewegung, Wahrnehmung und Sprechen lernen sind eng miteinander verbunden!
„Die ersten drei Lebensjahre sind für die Sprachentwicklung von großer Bedeutung.“
Mag. Manuela Prinz-Klebe
Sonder- und Heilpädagogin,
Hilfswerk NÖ
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