Mama, was sind Engel?
Es glauben viel mehr Menschen an Engel als an den lieben Gott. Kinder sind da keine Ausnahme. Warum die unsichtbaren Nothelfer Kindern Trost spenden und sie oft ein Leben lang begleiten.
In der alten Kirche in Omas Dorf zündet Annas Mutter eine kleine Kerze an. Anna hält sich an ihrer Hand fest, es ist so still und düster hier. Ein paar Menschen knien oder sitzen auf den alten, knarrenden, kalten Bänken. Als Anna ihren Kopf ein wenig hebt, um sich umzusehen, entdeckt sie jedoch die Sonne durch die gewölbten, farbigen Kirchenfenster hereinstrahlen und an einem Fenster sieht sie etwas, das sie verzaubert. Es ist eine wunderbare Frauenfigur in einem glänzenden, langen, wallenden, weißen Kleid. Lange, blonde Haare schmiegen sich lockig mit einem Goldschimmer um das liebliche Gesicht der Frauengestalt, über deren Kopf Anna einen Sternenstrahl entdeckt. Die Hände der Figur strecken sich Anna entgegen, als wollten sie sie begrüßen oder emporheben. Zwei riesige, weiße Flügel erstrecken sich über das gesamte Fenster hinweg. „Mama, wer ist diese Frau da oben?“, fragt Anna leise flüsternd. „Das ist ein Engel, mein Schatz“, antwortet ihre Mutter. Auf dem Heimweg überlegt Anna die Worte ihrer Mutter, doch sie kann mit dem Begriff Engel so gar nichts anfangen. Wieder zuhause angekommen, setzt sich Anna auf den Schoß ihrer Mutter und fragt nach:„ Was ist denn ein Engel, Mama?“
„Nun, mein kleiner Liebling, das ist eine wichtige Frage und die Antwort ist gar nicht so einfach. Das Bild des Engels hat dir gefallen, nicht wahr? Es gibt sehr viele verschiedene Bilder von Engeln, sie begleiten die Menschen schon seit jeher. Engel sind keine Frauen und keine Männer und sie können auch keine Kinder bekommen. Sie sind unsichtbar und kommen als Helfer Gottes vom Himmel. Man denkt, dass sie in seiner Nähe leben und dass sie zu uns Menschen kommen, um uns etwas von Gott zu erzählen oder eine Botschaft zu überbringen.“
Engel sind immer für dich da
Anna hat eine weitere wichtige Frage. „Und wie ist das, wenn ich einmal schlimm bin, ist dann der Engel trotzdem bei mir?“ will sie wissen. „Oh ja, Liebes. Genauso wie der liebe Gott hat auch dein Engel dich immer lieb und ist immer für dich da, selbst wenn du denkst, dass du etwas falsch gemacht hast. Wichtig ist nur, dass du immer versuchst, Gutes zu tun. Du erkennst ganz bestimmt, wenn dein Engel einmal bei dir war“, meint Annas Mama.
Der Schutzengel gibt Kindern Sicherheit
„Mama, ich hab doch auch so ein Kettchen mit einem Schutzengel dran. Ist das auch so ein Engel? Warum heißt er Schutzengel?“, will Anna wissen. „Sieh mal, es gibt drei ganz wichtige Engel, denken die Menschen. Das sind der Engel Michael, Raffael und Gabriel. Michael ist der Engel aller Kinder, sagt man und er hat viele Helfer und Helferinnen, die Schutzengel. Sie sind immer bei uns, um aufzupassen, dass uns nichts geschieht und bewahren uns vor Gefahren“, erzählt Annas Mama. Das versteht Anna nicht ganz, sie macht ein nachdenkliches Gesicht und streckt fragend die Hände zur Seite. „Aber Mama“, sagt sie, „gestern hat Sebastian beim Radfahren nicht aufgepasst. Er war zu schnell und ist hingefallen. Sein Knie war total blutig und er hat ganz laut geweint. Wieso hat ihn sein Schutzengel denn da nicht beschützt?“
Annas Mama streichelt ihr sanft über den Kopf. „Schau mal“, beginnt sie, „ dein Schutzengel beschützt dich so gut er es kann. Was wir aber selbst tun können, um Gefahren zu vermeiden, das müssen wir alleine erledigen. Du musst also lernen, wo in der Welt Gefahren sind und wie du sie vermeiden kannst
Symbol der Schönheit
Jetzt versteht Anna, wie das so in etwa abläuft mit ihrem Schutzengel. „Hat meiner denn auch einen Namen?“, will sie wissen. „Und sieht er so aus wie auf dem Bild in der Kirche? Sehen alle Engel so aus?“, fragt sie ihre Mutter. „Weißt du was?“, meint sie, „wieso zeichnest du nicht ein Bild von deinem Engel, während ich für Oma und mich Kaffee koche? Ich bringe dir weiße Blätter, deine Malstifte und du machst ein wunderbares Engelsbild. Wie wäre das?“ „Da brauch ich aber ein ganz großes Blatt und Watte für die Flügel und das Goldpapier von den Weihnachtssternen für das Kleid und unbedingt die Glitzermalstifte, weil mein Engel wird ganz wunderschön!“ ruft Anna und läuft gleich zum Tisch, um beginnen zu können.
Schutzengel hören auf alle Namen, die ihnen Kinder geben
Als Anna ihr Bild fertig hat, läuft sie schnell zur ihrer Mutter, um es ihr zu zeigen. „Das ist Aurelia, mein Schutzengel“, erzählt sie stolz. „Sie ist ein ganz lieber Engel, der immer auf mich aufpasst. Aurelia wohnt oben im Himmel, aber da fliegt sie nur manchmal hin, um den lieben Gott zu fragen, was es Neues gibt. Sonst ist sie immer bei mir.“ „Wunderbar Anna, was meinst du, wollen wir Aurelia´s Bild über dein Bettchen hängen, damit du sie immer sehen kannst?“ „Ja, jetzt gleich Mama, bitte!“ ruft Anna.
Mama bringt rasch ein Tixoband und so gehen sie in Anna´s Zimmer und knien sich auf ihr Bett, um das Bild aufzuhängen. Als es fertig an der Wand hängt, macht Anna ein nachdenkliches Gesicht. Dann geht sie zu ihrem Puppenbett und holt ein kleines, rosa kariertes Pölsterchen und eine kleine, rosa karierte Bettdecke aus dem Puppenbett. Sie bringt beides zu ihrem Bett und schiebt ihren eigenen Kopfpolster und ihre Bettdecke ein Stück zur Seite. Da wo nun Platz geworden ist, legt sie die Puppenbettwäsche hin. „Nanu, wer wird denn hier heute schlafen?“ fragt ihre Mama. „Hier schläft ab heute meine Aurelia“, sagt Anna lächelnd und zufrieden.
Die Religionspädagogin Barbara Steinbrenner erklärt aus theologischer Sicht, dass Engel im Vergleich zu Gott vorstellbar sind und daher sichtbar gemacht werden können, weswegen viele Menschen an sie glauben. Im Psalm 91,11-12 verspricht Gott, dass er seinen Engeln befohlen hat, uns immer zur Seite zu stehen, uns auf Händen zu
tragen und auf uns zu achten. Der Glaube an Engel gibt den Menschen Sicherheit, mit einem Begleiter durchs Leben zu gehen. Als faszinierende Luft- und Lichtgestalten vermitteln sie als sanft anmutende Wesen mit Flügeln den Menschen Vertrauen und Geborgenheit, sie sind Wesen, die uns immer nah sind. Im Bilderbuch „Gute Engel schützen dich“ von Marni Mc Gee und Tina Macnaughton wird sehr kindgerecht erklärt, dass da jemand ist, der auf einen aufpasst und einen beschützt.
Barbara Steinbrenner sagt, dass der Glaube an die unabdingbare Existenz von Engeln Kindern in ihrer emotionalen Entwicklung unterstützt, indem das Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Wärme durch das Begleiten eines Schutzengels vermittelt wird. Allzeit verfügbare Helfer stärken das Urvertrauen und damit die Basis für ein glückliches, erfülltes Leben in Harmonie mit sich selbst und der Umwelt. Gerade im Religionsunterricht der Volksschule, in dem die Kinder in einem entwicklungspsychologisch bedeutsamen Lebensabschnitt stehen, ist die Auseinandersetzung mit der Thematik Engel sehr wichtig.
Der weit verbreitete Glaube an Schutzengel erklärt sich für Frau Steinbrenner so: Jeder Mensch wünscht sich einen beschützenden Begleiter. Der Glaube an von Gott beauftragte, unsichtbare, allzeit beschützende Lichtwesen gibt uns Kraft, Zuversicht und Geborgenheit. Als spirituelle Verbindung zwischen Gott und uns verleihen uns Engel innere Stärke, durch sie wird erfahrbar, dass Gott die Menschen liebt und mit ihnen in Beziehung tritt. In Joh 1,5 steht: „ Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Wir brauchen uns also vor nichts zu fürchten, denn da ist immer Licht. Engel stehen uns auch im Unglück zur Seite, sie lassen uns nicht allein, wenn wir traurig sind, zeigen uns Wege aus dem Unglück, die wir ohne das Unglück vielleicht nie gewagt hätten. Auch wir selbst tragen den Lichtfunken in uns und können dadurch selbst für andere ein Engel sein.
Abgesehen von einem Kettchen mit Schutzengelanhänger für Kinder kann man als Eltern oder Großeltern auch durch kleine Botschaften die Existenz der Himmelswesen bekräftigen. Man kann ihnen sagen: „Auch wenn du manchmal an dir zweifelst, dein Engel schickt dir ein Zeichen, dass du genauso richtig bist wie du bist.“ Oder: „Ich wünsche dir heute einen Engel, der dich daran erinnert, wie wunderbar du bist.“ Damit wird die Erziehung durch den Glauben an Engel unterstützt, so Steinbrenner.
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