Erziehung

Let’s talk about Sex!

Woher kommen die Babys? Warum schauen Mädchen und Buben anders aus? Warum ist mein Penis manchmal größer als sonst? Entspannt über die normalste Sache der Welt reden. Oder was Brokkoli mit Sex zu tun hat. 

Zwar müssen Storch, Bienen und Weißkohl – in manchen Alpentälern entwuchsen die Kinder früher einmal reifen Krautköpfen (!) am Feld – heutzutage in der Regel nicht mehr herhalten, wenn es darum geht, mit Kindern über Sex & Co zu sprechen. Eine gewisse Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen, ist allerdings noch weit verbreitet. Nicht umsonst plädiert Sexualtherapeut Carsten Müller in seinem Aufklärungsbuch „Sex ist wie Brokkoli“ für mehr Sachlichkeit beim Thema Sexualität. „Über Gemüse reden wir ganz unbefangen, Sexualität hingegen ist durch und durch schambesetzt!“ Schambein, Schamhaare, Schamlippen – allein die deutsche Sprache suggeriere, dass das alles „irgendwie zum Schämen“ sei. 

So was macht man nicht – oder etwa doch? 

Fassen sich Kinder an ihren Geschlechtsteilen an oder untersuchen einander gegenseitig, empfinden viele Erwachsene dies als peinlich oder sogar unanständig. Dabei gehört Sexualität zur Entwicklung des Kindes dazu. Sexualpädagogin Bettina Weidinger fasst zusammen, was Eltern über kindliche Sexualität wissen sollten: „Die meisten Kinder sind von Geburt an sexuelle Wesen, indem sie eindeutige, sexuelle Erregung im Genital spüren können. Meistens haben sie auch Erektionen – wenn also Blut in das Genital fließt und es dadurch etwas länger wird. Erregung und Erektion, also das Spüren und die körperliche Aktion sind nicht immer zeitgleich, passieren oft auch unabhängig voneinander – freilich bei beiden Geschlechtern.“ Wüssten Eltern dies, würden sie verstehen, warum etwa bereits Einjährige oft sehr lustvoll beginnen, ihr Becken rhythmisch anzuspannen. Sie würden auch begreifen, dass es unabdingbar ist, sehr respektvoll mit dem Genital des Kindes in der Pflege umzugehen. Und sie würden die genitale, sexuelle Erregung ihres Kindes nicht als unangenehm empfinden. 

Unverkrampften Umgang mit Sex vorleben 

Menschen sind ab der Geburt nicht nur sexuelle Wesen, ab da beginnt auch die Werteentwicklung bei Kindern. „Haben die Kinder vermittelt bekommen, dass Sexualität „ekelhaft“ ist, werden sie sich mit diesem Thema generell nicht so wohl fühlen. Genauso wie Kinder mit Unterstützung ihrer Eltern ein gesundes Essverhalten lernen können, befähigt sie die Hilfe der Eltern ein unverkrampftes Verhältnis zur eigenen Sexualität zu entwickeln“, behauptet Carsten Müller. Kinder sollten laut Bettina Weidinger nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass Sexualität und Körper „komplizierte, heikle, geheimnisvolle“ Themen sind: „Das fördert das Tabu und ist auch bezüglich der Gewaltprävention problematisch, weil Kinder mit natürlichem Zugang zu diesen Themen sich ausdrücken und demnach unangenehme Vorfälle auch erzählen können!“ 

Es gibt keinen „richtigen“ oder „falschen“ Sex 

Vorsicht übrigens beim Thema Lust im Kontext der Liebe. „Wenn sich zwei Menschen lieben, dann ist der Sex wunderschön“ sei laut Weidinger eine romantische Vorstellung, entspreche aber nicht immer der Realität. „Bei sexueller Lust geht es nämlich um ein Erregungsgefühl im Geschlechtsorgan. Wird das Thema Liebe besprochen, wird deutlich gemacht, dass es eine Emotion ist, die nicht automatisch in ein Erregungsgefühl führt.“ Und was wiederum als lustvoll empfunden wird, spürt jeder Mensch für sich. Insofern kann auch nicht vorgegeben werden, was in Bezug auf Sex „richtig“ oder „falsch“ ist.

Zur Sexualerziehung in der Familie gehört im Idealfall: 

Tägliche Bewegungsförderung, vor allem im freien Spiel, wo sowohl fluide, wie auch fokussierte Bewegungen ausgeführt werden. Leistungssport gehört nicht dazu und wirkt sich häufig eher einengend auf die sexuelle Entwicklung aus. 

Eine positive Haltung der Eltern gegenüber dem Körper, der Sexualität und die Bereitschaft Fragen zu beantworten, Bücher über den Körper zur Verfügung zu stellen, später auch interessante Links zu empfehlen. 

Die Förderung der Autonomie, indem Verantwortung dem Kind übergeben wird, bestimmte Entscheidungen zu treffen – wie etwa über Kleidung. Beziehungs- und Freundschaftsentscheidungen sollen jedenfalls beim Kind bleiben! 

Intimräume zur Verfügung stellen, indem Kinder auch mal bei geschlossener Türe spielen dürfen bzw. altersadäquat unbeobachtete Räume erobern dürfen. Dauerkontrollierte Kinder können nicht Verantwortungsübernahme lernen. 

Ein elterliches Beziehungsangebot, das Kindern erlaubt sowohl emotionale, wie auch körperliche Nähe abzulehnen, ohne bei den Eltern eine gekränkte Reaktion hervorzurufen. 

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