Erziehung

Kinder brauchen Freunde

Kinder lernen durch Freunde, mit ihren Gefühlen umzugehen, zu vertrauen, Konflikte auszutragen, Verbindlichkeit. Mit elterlicher Unterstützung kommen sie auch gut durch Turbulenzen, die so manche Freundschaft ins Wanken bringt.

group of happy smiling friends playing together outdoor on a sunny summer day

Der kleine Tiger und der kleine Bär haben es gut. Sie haben einander. Ist der eine krank, sorgt der andere für ihn. Hat einer Geburtstag, richtet der andere die Party aus. Tiger und Bär essen zusammen Bouillon, Himbeeren aus dem Garten und Bienenstichkuchen. Seite an Seite ziehen sie aus in die weite Welt. Und merken, dass es doch zu Hause am schönsten ist, im kleinen, gemütlichen Haus am Fluss.
Die beiden Helden, aus dem Kinderbuchklassiker von Janosch, machen vor allem eines deutlich: Wie schön es ist, wenn man einen Freund hat, auf den man sich verlassen kann. Denn dann, sind sich der kleine Tiger und der kleine Bär einig, braucht man sich vor nichts zu fürchten. Freunde sind wichtig, nicht nur für Erwachsene. Auch für kleine Kinder, für Kinder in der Volksschule, ganz besonders für Jugendliche. Kinder und Jugendliche lernen in Freundschaften, mit ihren Gefühlen umzugehen, zu vertrauen, Konflikte auszutragen, Verbindlichkeit.

 

Freunde als Tor zur Welt

Freunde sind außerdem ein erstes Tor zur Welt außerhalb der eigenen Familie. „Ein Freund wächst anders auf als man selbst“, sagt die Klinische und Gesundheitspsychologin Daniela Graf-Krainz. „In der Familie des Freundes gelten oft andere Regeln. Dort macht man andere Erfahrungen als daheim.“
Die Rolle von Freundinnen und Freunden wandelt sich im Laufe des Heranwachsens. Bei Kindern unter drei Jahren sei es zutreffender von ‚Spielkameraden‘ als von ‚Freunden‘ zu sprechen, sagt Daniela Graf-Krainz. Sehr kleine Kinder würden andere Kinder zwar wahrnehmen und mit ihnen in Interaktion treten, etwa indem sie sich in der Sandkiste mit Sand bewerfen oder gegenseitig die Schaufel wegnehmen. Sie beobachten einander und kommunizieren. Die meiste Zeit spielen sie aber nicht miteinander, sondern nebeneinander. „Sie sind in diesem Alter wie zwei Planeten, die sich zwar im selben Sonnensystem bewegen, aber doch vereinzelt bleiben.“ Erst ab dem vierten Lebensjahr beginnt sich der Begriff ‚Freund‘ oder ‚Freundin‘ mit mehr Bedeutung zu füllen.

„Jedes Kind braucht einen Freund. Für alle Kinder ist es ganz wichtig, gemocht zu werden,“ sagt Daniela Graf-Krainz, Klinische und Gesundheitspsychologin.

Je älter, desto verbindlicher

Ab diesem Alter suchen sich Kinder dauerhafte Spielkameraden und sind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz unzertrennlich. Zumindest ein paar Stunden lang. Denn freundschaftliche Beziehungen seien in diesem Alter noch sehr flexibel. Das Mädchen, mit dem der Vierjährige gestern die Jause geteilt und eine Höhle aus Decken gebaut hat, sitzt heute mit einem anderen ins Spiel vertieft in der Sandkiste. Und auch der Vierjährige hat eine neue Spielkameradin gefunden, deren Jausenbrot er kosten darf. Je älter Kinder werden, desto verbindlicher werden Freundschaften. „Ab etwa fünf Jahren hängen sich Kinder emotional aneinander, es entwickelt sich eine enge Bindung und die Kinder vermissen sich, wenn sie einander länger nicht sehen“, sagt Daniela Graf-Krainz.
Wenn ein Kind eher schüchtern und zurückhaltend ist, sei das zunächst kein Problem, sagt die Psychologin. Manche Kinder beobachten eben gern und benötigen mehr Ruhe als andere. Aber: „Einen Freund braucht man trotzdem. Für alle Kinder ist es ganz wichtig, gemocht zu werden.“

Kids laughing and having fun during the schools break. Kids are standing at the schoolyard. One of the boys is holding a soccer ball.
Ab etwa fünf Jahren suchen sich Kinder dauerhafte Spielkameraden und sind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz unzertrennlich.

Verlust verarbeiten mit elterlicher Unterstützung

Freundschaftserfahrungen sind im Laufe eines Kinderlebens nicht ausschließlich rosig. Freundinnen und Freunde können aus unterschiedlichen Gründen auch verloren gehen. In der Volksschulzeit verarbeiten Kinder den Verlust von Freunden meist unkompliziert, sagt Elternberaterin Ines Berger. „Natürlich ist es mit
Verlust und Trauer verbunden, wenn ein enger Freund wegzieht. Werden Kinder dabei von den Eltern gut begleitet, können sie gestärkt aus dieser Situation herausgehen.“
Wichtig bei derartigen Verlusterfahrungen sei, die Gefühle des Kindes zuzulassen und anzuerkennen, die Trauer aber nicht zu verstärken. Und das Kind in einem zweiten Schritt darin zu unterstützen, sich auf neue Freundschaften einzulassen. „Eltern können das Kind zum Beispiel daran erinnern, wie es bereits in früheren Situationen neue Freunde gefunden hat. Das stärkt die Resilienz und das Selbstvertrauen des Kindes.“

Ines Berger
Freundschaftserfahrungen sind im Laufe eines Kinderlebens nicht ausschließlich rosig. Freundinnen und Freunde können aus unterschiedlichen Gründen auch verloren gehen. In der Volksschulzeit verarbeiten Kinder den Verlust von Freunden meist unkompliziert, sagt Elternberaterin Ines Berger.

„Falsche“ Freunde nicht schlechtmachen

Und wenn das Kind an – in den Augen der Eltern – „falsche“ Freunde gerät? Ines Berger differenziert: Bei Mobbing und Gewalterfahrungen sei es die Aufgabe der Eltern, ihr Kind zu schützen, etwa indem sie das Gespräch mit Lehrern suchen, damit Aufklärungsarbeit in der Schule stattfinden kann. In allen anderen Fällen dürfe man zulassen, „dass das Kind auch mal negative Erfahrungen macht und Freunde wählt, die ihm nicht so guttun.“ Den Freund, die Freundin auszureden oder sie schlecht zu machen, sei keine zielführende Strategie von Eltern. Im Gegenteil, das stärke oft nur den Drang, die Freundschaft zu verteidigen. „Besser ist, freundlich nachzufragen, wie es dem Kind mit dem Freund geht. Zu fragen, ob das Kind die eigenen Beobachtungen hören will. Sagt es ja, dann kann man wertfrei die eigene Wahrnehmung kundtun.“ Ob viele Freunde oder wenige, eine beste Freundin oder keine: Eine „Norm“, wie ein Kind oder Jugendlicher seine freundschaftlichen Beziehungen gestaltet, gibt es nicht.

 

Freunde kennenlernen

Es seien häufig die Eltern, die ihre eigenen Erwartungen und Erfahrungen auf ihr Kind übertragen, sagt Ines Berger. „Wenn ich als Mutter zum Beispiel selbst darunter gelitten habe, dass ich keine beste Freundin hatte, meine ich eventuell, dass auch mein Kind leidet, wenn es keine beste Freundin hat. Dem ist aber nicht
immer so.“ Eltern sollten ihr Kind beobachten, sensibel nachfragen und mit Urteilen zurückhaltend sein. Hat man das Gefühl, das Kind leidet, sollte man auch das Kind miteinbeziehen und bei den Lehrern nachfragen, wie es im Klassenverband eingebunden ist. Eltern rät Ines Berger, die Freundinnen und Freunde ihres Kindes kennen zu lernen, sie zu sich nach Hause einzuladen und sich nicht in Streitigkeiten einzumischen. „Es ist für Kinder wichtig, ihre eigenen Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln. Dabei dürfen Eltern gerne unterstützen, aber ohne die Probleme selbst zu lösen.“

Brother and sister in a hug
Selten verlaufen Kinderfreundschaften konflikt- und enttäuschungsfrei.

Kinderfreundschaften stärken

  • Ob ein Kind eine beste Freundin hat oder nicht, einen Haufen Freunde oder nur eine Handvoll: Solange das Kind zufrieden ist, können Eltern das auch sein.
  • Eltern dürfen sich von idealisierten Erwartungen hinsichtlich Kinderfreundschaften verabschieden. Selten verlaufen Kinderfreundschaften konflikt- und enttäuschungsfrei. Müssen sie auch nicht: Kinder brauchen Sozialerfahrungen, die ihnen dann im Erwachsenenalter helfen, Beziehungen gut zu leben.
  • Eltern können die Freundschaften ihresKindes fördern, indem sie es ermutigen,Freundinnen und Freunde zu sich nachHause einzuladen.
  • Findet ein Kind in der Klasse oder in der Kindergartengruppe keinen freundschaftlichen Anschluss, dann vielleicht im Schwimmverein, bei den Pfadfindern oder in der Nachbarschaft.Auch außerhalb von Schule undKindergarten kann man Freundschaften schließen.
  • Beschwert sich ein Kind über einen Freund, können Eltern empathisch zuhören. Über den Freund sollten sie aber nicht schlecht sprechen, sondern immer Person und Handlung trennen.

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