Erziehung

Emotionale Kompetenz

Was bedeutet dieses Schlagwort, wie entwickelt sich emotionale Kompetenz bei Kindern und wie können Sie als Eltern Ihr Kind darin fördern?

 

Emotionen sind Gefühle und Kompetenzen sind Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wenn wir also von emotionaler Kompetenz sprechen, geht es dabei immer um Gefühle und darum, was wir mit ihnen machen. Emotional kompetent zu sein ist eine Fähigkeit, die ab dem Kleinkindalter erworben wird und die für das friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft und unserer Gesellschaft unabdingbar ist.
Wir können auf eigene Gefühle und auf die Gefüh- le anderer gut reagieren und sie richtig einschät- zen. Unsere Emotionen werden adäquat erlebt und auch entsprechend ausgedrückt. Wir weinen auf einem Begräbnis, wir zeigen Mitgefühl oder freuen uns, wenn wir ein Geschenk erhalten, lächeln und bedanken uns mit einer Umarmung. Wenn uns der Bus vor der Nase davonfährt, dann ärgern wir uns, trotzdem schlagen wir nicht mit der Faust gegen die nächste Hausmauer, weil wir gelernt haben, angemessen zu reagieren. Im Laufe der Kindheit lernen wir verschiedene Gefühle kennen wie Wut, Angst, Trauer oder Freude. Mit Hilfe von Sprache, Mimik und Gestik können wir unsere Emotionen zum Ausdruck bringen. Unsere Körperhaltung verändert sich, wenn wir traurig sind, die Augen sind weit geöffnet, wenn wir Angst haben, wir lächeln, wenn wir uns freuen und wenn wir uns ekeln, runzeln wir die Stirn und rümpfen die Nase. Dass wir so reagieren zeigt, dass wir in der Lage sind, unsere Emotionen zu regulieren und unsere Reaktionen darauf zu kontrollieren. Man spricht von intakter Impulskontrolle. Wenn von emotionaler Kompetenz die Rede ist, geht es um unsere eigenen Gefühle und unsere eigenen Handlungen, es geht um einen selbst.

Respekt und Wertschätzung lernen

Da wir alle soziale Wesen sind, muss man emotionale Kompetenz immer in Zusammenhang mit sozialer Kompetenz sehen, also den Fähigkeiten, mit anderen in Beziehung zu treten. Hier geht es nicht nur um einen selbst, sondern auch um andere. Wie verhalten wir uns anderen gegenüber? Sind unsere Handlungen zielgerichtet in Situationen mit anderen Menschen so, dass sie allgemeine Regeln und Gesetze nicht verletzen?

 

 

 

Das kindliche Temperament empfindet intensiver

Die Entwicklung sozialemotionaler Kompetenzen wird von einigen Faktoren beeinflusst. Genetisch bedingte vererbte Veranlagungen machen aus uns schüchterne, offene, temperamentvolle oder eher ruhigere Menschen. Das kindliche Temperament lässt zu, dass Gefühle manchmal intensiver erlebt und dann auch extremer ausgelebt werden. Denken Sie nur daran, dass wir als Kinder vor manchen Dingen Angst haben, die uns als Erwachsene völlig kalt lassen oder daran, dass für ein Kind Geister und Monster real scheinen oder Gewitter Angst einjagen und es daher ganz anders emotional reagiert, als ein erwachsener Mensch. Wie sehr freuen sich Kinder über ein Eis, während wir es als Erwachsene ganz neutral empfinden, ein Eis zu kaufen. Das kindliche Temperament empfindet intensiver.

Entscheidend für die Entwicklung sozial-emoti- onaler Kompetenzen ist die Vorbildwirkung der Erwachsenen, die es umgeben. Wie geht man in der Familie miteinander um, wie reagiert man auf Gefühle und Stimmungen der anderen? Was passiert, wenn jemand wütend ist, wie bin ich als Mama, wenn ich wütend bin und wie reagiert der Papa, wenn das Kind einen Trotzanfall hat. Hier leben wir den Kindern vor, wie wir mit Gefühlen umgehen. Wie kann ich mich beruhigen, wenn ich wütend bin, was erzeugt mein Weinen bei den anderen, wie freuen wir uns gemeinsam über eine schöne Nachricht, was machen die Kinder, wenn sie Angst haben, wie reagieren wir als Eltern, wenn unsere Kinder Angst zeigen? Welche Lösungsvor- schläge bieten wir dann an? Wie teilen wir in der Familie mit, wenn wir mit etwas nicht zufrieden sind? Wie zeigen wir unsere Gefühle so, dass andere sie auch verstehen? Wie kann ich ausdrücken, was ich gerade brauche?

Alldem zugrunde liegt eine intakte Kommunikation! Sprechen Sie Ihre Gefühle aus, scheuen Sie sich nicht, diese zu zeigen. Zeigen Sie Ihrem Kind, was es tun kann, wenn es traurig oder wütend ist. Sagen Sie zum Beispiel Möchtest du ein bisschen mit dem Bären und Mama kuscheln, bis du nicht mehr so traurig bist?

Üben Sie das Hineinversetzen in andere, indem Sie immer wieder dazu einladen, sich vorzustellen, wie sich jemand gerade fühlt. Lassen Sie Freiheit der Emotionen zu. Sätze wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ sind überholt, wenn etwas weh tut, darf man auch weinen. Spielen Sie freie Phantasiespiele, Rollenspiele (Kuscheltiere müssen zum Zahnarzt, Achtung es brennt…), aber auch Brettspiele. Ihr Kind darf verlieren lernen, sich dabei ärgern, warten bis es an der Reihe ist, erkennen, wie andere sich freuen, lernen, sich an Regeln zu halten.

Ganz viel lernt das Kind natürlich im Kindergarten im Umgang mit anderen und durch die Positionierung in einer Gruppe Gleichaltriger. Dort lernt es Eigenständigkeit, den Umgang mit sich selbst und mit anderen und seiner Umwelt. Es lernt Nein zu sagen, sich an Regeln zu halten, unterschiedliche Persönlichkeiten kennenzulernen, Gruppenregeln und Umgangsformen. Ihr Kind beginnt zu helfen, höflich zu sein, zuzuhören, es lernt bitten und danken und auf seine Umgebung zu achten, während es gleichzeitig seine bereits zuhause erlangten Kompetenzen ausüben, ausprobieren und erweitern kann.

 

Die wichtigsten sozial-emotionalen Kompetenzen im Überblick:

  • den eigenen emotionalen Zustand erkennen und benennen können
    (Ich bin jetzt echt wütend. Ich habe solche Angst. Ich freue mich. Ich bin heute traurig.)
  • Gefühle anderer erkennen können, sich in andere hineinversetzen können (Wie würdest du dich fühlen, wenn du niemals zum Schaukeln drankommst oder die anderen dich ausschließen? ) = Fähigkeit zur Empathie
  • Gefühlsvokabular kennen (positive, negative: Angst, Ekel, Schrecken, Besorgnis, Aufregung, Freude, Trauer, Verlangen, Wut…)
  • den eigenen Zustand angemessen zum Ausdruck bringen (gewaltfrei, sich auch wieder beruhigen können, Hilfe suchen, niemandem weh tun, angemessene Lautstärke, angemessene Intensität der Gefühle) Nicht angemessen wäre zum Beispiel wegen eines nicht erfüllten Wunsches tagelang trotzig zu schweigen.
  • Kontakt- und Beziehungsfähigkeit (Kontakt zu anderen aufnehmen, auf andere zugehen, Kontaktwunsch anderer erkennen, in eine Gruppe einordnen können)
  • eigene Emotionen bewältigen können (wenn ich traurig bin, höre ich ein bisschen Musik oder rede mit meiner Mama)
  • Gefühle anhand von Körpersignalen erkennen (Hände vor den Augen signalisieren Angst, gebückte Haltung Trauer, Hochsprünge Freude…)
  • Konfliktfähigkeit (Ursachen von Konflikten erkennen, nachgeben oder
    sich durchsetzen, Kompromisse schließen können, nach Lösungen suchen, mit Konkurrenz umgehen können, wie mache ich etwas wieder gut, wie zeige ich, dass mir etwas leidtut, wie verzeihe ich)
  • Toleranz und Rücksichtnahme (Unterschiede an Menschen erkennen und tolerieren, Respekt und Wertschätzung anderen gegenüber, Bedürfnisse anderer erkennen, Schwächere in Gruppen akzeptieren können, Regeln einhalten, verlieren können)

EMOTIONALE KOMPETENZ: Grundlage für beständige Beziehungen

Karin Paungarttner-Steiner ist Pädagogin und Qualitätsbeautrage beim Hilfswerk NÖ. Emotionale Kompetenz ist für sie eine Schlüsselfähigkeit auf dem Weg zu selbstbewußten und starken Persönlichkeiten. So können Eltern ihre Kinder beim Erwerb emotionaler Kompetenz unterstützen.

„Mit Kindern über Gefühle zu sprechen hilft ihnen beim Erwerb emotionaler Kompetenzen.“

Karin Paungarttner-Steiner, Pädagogin und Qualitätsbeauftragte im Hilfswerk Niederösterreich

Zitatzeichen

Damit Kinder verlässliche und beständige Beziehungen eingehen können und somit auch zu resilienten Persönlichkeiten heranwachsen, ist der Erwerb von emotionalen und sozialen Kompetenzen eine Grundvoraussetzung.

Die Aneignung dieser Kompetenz ist ein lebenslanger Prozess, und eine Entwicklungsaufgabe, die bereits in der frühen Kindheit beginnt. Im gesamten Entwicklungsprozess werden Kinder immer wieder mit unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen im alltäglichen Leben sowie im Umgang mit sozialen Beziehungen konfrontiert. Je besser sie in emotionalen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen gefördert und begleitet werden, desto besser werden diese Aufgaben gelingen. Emotional und sozial starke Kinder können eigene Empfindungen und Gefühle und auch die der anderen gut wahrnehmen und ver- stehen, sowie passend darauf reagieren. Um Kinder in diesem Entwicklungsprozess gut begleiten zu können braucht es verläss- liche Bindungspersonen und Vorbilder. Dies sind in erster Linie die Eltern, die Familie und in weiterer Folge Bezugspersonen in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen.

Von Geburt an erleben Kinder Gefühle: sie spüren, ob sie etwas mögen und nicht mögen, ob etwas guttut oder nicht. Sie können die Empfin- dungen noch nicht beschreiben oder zuordnen, aber sie können bereits darauf reagieren. Sind es zu Beginn Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wärme, Sicherheit und Geborgenheit, so werden die Gefühle und Empfindungen und auch die Reaktionen darauf immer mehr und weiten sich auf andere Personen aus. Idealerweise beginnt die Förderung der emotionalen Kompetenz im Vorschulalter. Im Alter von 3-6 Jahren können Kinder Gefühle und Emotionen benennen, sie in Verbindung mit Handlungen bringen, erkennen wo und wie sich diese anfühlen, welche Bedürfnisse daraus entstehen und wie sie damit umgehen können. Kinder, die sich selber gut spüren und die Kompetenz haben, eigene Gefühle wahrzunehmen, können dies bei anderen Kindern und Bezugspersonen ebenso. Dies führt wiederum zu einer Förderung der sozialen Kompetenz.

Es gehört zu den Grundbedürfnissen, sich einer sozialen Gruppe zugehörig zu fühlen und in diese eingebunden zu sein. Anfangs ist dies die Familie, die Kindergruppe, später die Peer Group. So verändern und erweitern sich die sozialen Gruppen, denen wir angehören, ein Leben lang.

Bei der Förderung der emotionalen Kompetenzen greift man die vier globalen Kompetenzen Emotionsbewusstsein, Emotionsverständnis, Empathie und die Emotionsregulation auf. Durch einen bewussten Umgang mit Gefühlen, dem Verständnis der jeweiligen Empfindungen und dem Erlangen von emotionalen Kompetenzen, gelangen Kinder zu sozial-kognitiven Problemlösungsfertigkeiten. Empathie bereichert soziale Fertigkeiten, dadurch erfolgt die Integration in Gleichaltrigengruppen.

Mit Kindern immer wieder über Gefühle zu sprechen und authentisch eigene Empfindungen zu benennen hilft ihnen beim Erwerb emotionaler Kompetenzen und beim Heran- wachsen zu starken Persönlichkeiten.

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