Erziehung

Papa, du bist voll gemein!

Zumtischsetzen, Schulaufgaben machen, Zubettgehen oder Finger weg vom Handy – während Eltern erziehen sollte das Kind möglichst keinen Widerstand leisten. Wie weist man Kinder ohne Droh- und Schimpftiraden in die Schranken? Und wie geht man damit um, wenn Mama und Papa ständig „unfair“ und „gemein“ sind?

 

Schluss jetzt mit Zocken. Ab ins Bett. Heute gibt es keine Süßigkeiten mehr. Mach’ jetzt endlich alles für die Schule fertig. Fernseher abdrehen und sofort das Zimmer aufräumen! Nach Sätzen wie diesen bekommen Eltern von ihren Sprösslingen oft ein recht widerwilliges Geraunze und nicht selten auch Sätze wie diese zu hören: „Boh, ihr seid so gemein!“ oder „Papa, du bist so unfair!“ Dabei sind die alltäglichen Aufforderungen rund um Lernen, Bildschirmzeiten oder auch einfach so Dinge wie die tägliche Körperhygiene (ja, dazu zählt auch das leidige Zähneputzen!) ja allesamt keine ausgesprochenen Gemeinheiten, sondern simple Notwendigkeiten. Mama und Papa sind deshalb „so gemein“, weil sie schlicht und einfach Eltern sind, die „erziehen“ müssen. Worauf die Kinder allerdings selten Bock haben.

 

 

Begegnung auf Augenhöhe – oder wie war das noch mal?

Nun setzen viele Eltern und Erziehungsberechtigte in der Erziehung ihrer Kinder auf eine moderne Pädagogik. Im Unterschied zu früheren Generationen sollen Kinder heutzutage glücklicherweise gewaltfrei und möglichst ohne viele Droh- und Angstgebärden groß werden. Da ist viele die Rede von Begegnung auf Augenhöhe, von Gleichwürdigkeit, Integrität oder auch von Authentizität. Doch bei allem Wohlwollen und Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder fühlen sich Eltern durch den Widerstand der Kinder vielfach provoziert und wissen oft nicht mehr, wie sie ihren Kindern entgegen treten sollen. Einerseits will man seinen Willen durchsetzen und gleichzeitig den Willen der Kinder nicht brechen. In diesem scheinbaren Widerspruch bewegen sich unzählige Familien tagtäglich und hadern entsprechend mit ihren Entscheidungen. Wieviel Macht darf oder soll ich als Mama oder Papa ausüben, um zu erreichen, was für mich das Richtige ist? Wieviel Freiraum kann ich meinem Kind zugestehen, damit es sich selbst entfalten kann? Wie lege ich dieses Erziehen überhaupt an?

Eltern sind keine Erziehungsroboter

Für welchen Erziehungsstil sich Eltern letztendlich entscheiden, hat laut Tanja Kieselbach mit den persönlichen Wertevorstellungen zu tun: „Wer Gehorsamkeit und ein gut angepasstes Verhalten für wichtig erachtet, wird eher einen autoritären Erziehungsstil verfolgen“, meint die Klinische Psychologin mit Schwerpunkt Kinder und Familie. Oft entscheide man sich für einen Erziehungsstil, den man als Kind selbst erlebt hat und nun selbst anwendet. Oder genau andersrum. Wer zum Beispiel unter autoritärem Erziehen gelitten hat, schlägt bei den eigenen Kindern möglicherweise eher einen Laissez-Faire-Weg ein. „Hinter einem autoritären Stil steckt oft auch ein gewisses Potenzial an Gewalt, und zwar psychische in Form von Anschreien, Beschimpfen, Verspotten, Bloßstellen, Drohen oder Erpressen sowie physische Gewalt mittels Ohrfeigen, Schütteln, Stoßen, Festhalten oder an die Haaren ziehen. Diese Gewalt kann beim Kind zu Angststörungen oder auch zu einer eigenen, höheren Gewaltbereitschaft führen“, weiß die Psychologin. Dass Eltern dem autoritären Stil heutzutage generell großteils eine Absage erteilen, hat erwiesenermaßen positive Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung. Tatsache ist jedoch auch, dass vielen Eltern trotzdem oft der Gedulds- faden reißt – es also ganz ohne Drohgebärden und Schimpftiraden scheinbar nicht geht. „Eltern sind auch nur Menschen mit Gefühlen und keine Erziehungsroboter, die alles immer perfekt machen“, sagt Kieselbach. Wenn die Sicherung mit uns durchgeht, sei das meist ein Zeichen dafür, dass wir uns nicht ausreichend um unsere eigenen Gefühle kümmern. „Die Gefühle der Kinder triggern uns, sodass unangenehme Erinnerungen und Gefühle hochkommen, die wir Erwachsene vielleicht selbst von früher kennen und bei denen wir schlichtweg überfordert waren“. Wie also dagegen steuern, um nicht in solche Muster zu kippen?

 

 

Unangenehme Gefühle nicht ungesund regulieren

„Wir müssen wieder lernen, die Gefühle unserer Kinder auszuhalten“, sagt Tanja Kieselbach. Dass Kinder Widerstand leisten, liege in der Natur der Sache: „Ist ein Kind frustriert, äußert es seinen Gefühlszustand, weil es noch nicht ausreichend gelernt hat, mit Konflikten, Frustrationen oder Rückschlägen umzugehen“. Soll aber nicht heißen, dass man sich von den Kids alles gefallen lassen müsse: „Eltern sollten klare Grenzen aufzeigen, in dem sie zum Beispiel sagen: Stopp, ich möchte nicht, dass du so mit mir redest!“ Damit vermittle man eine klare Haltung. Weiters gehe es darum, sich von den Gefühlsausbrüchen der Kinder nicht mitreißen zu lassen. „Es ist unsere Aufgabe, unseren Kindern alternative Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie mit dem Frust anders umgehen können“, so Kieselbach. Allerdings nicht mit Ablenkungen oder Unterdrücken der Gefühle. „Die unangenehmen Gefühle des Kindes sollten gut begleitet, aber nicht ungesund für das Kind reguliert werden, weil ich es selbst so schwer aushalte“. Wut, Trauer oder Frust haben schließlich ihre Berechtigung und Kinder dürfen diesen Gefühlen auch Ausdruck verleihen statt sie zum Beispiel mit Süßigkeiten, Fernschauen oder sonstigen Vertröstungen wegzudrücken, damit „Ruhe ist“. Dabei seien Belohnungen laut Psychologin Kieselbach per se nicht immer fehl am Platz.

Wie ist das also mit dem Belohnen oder Drohen?

Mit Belohnen könne ein „positives“ Verhalten verstärkt und somit ein „negatives“ reduziert werden. „Natürlich kann das einmal ein Eis sein, aber im Grunde sind nicht Belohnungen in materieller Form, wie ein neues Switch- Spiel oder eine neue Barbie gemeint, sondern Belohnungen im Sinne von gemeinsamer, qualitativer Zeit mit dem Kind“, erklärt die Familienexpertin. Zum Beispiel indem das Kind den nächsten Ausflugswunsch bestimmen oder sich ein ganz bestimmtes Spiel für einen gemeinsamen Spieleabend aussuchen darf. Was den Kontext des Drohens betrifft, möchte die Klinische Psychologin lieber von natürlichen Konsequenzen sprechen: „Im Grunde ist das Drohen gar nicht nötig, weil es so viele natürliche, negative Konsequenzen für die Kinder gibt, wenn sie diesem oder jenem nicht nachkommen“. Der Aussschluss aus einer Situation zum Beispiel als logische Konsequenz, wenn ein Kind sich nicht an Regeln hält. Oder der Entzug von Privilegien (zum Beispiel Besuch bei Freunden), weil wichtige Notwendigkeiten (zum Beispiel Hausübungen) vorher erledigt sein müssen. Wichtig dabei: Konsequenzen müssen sich direkt aus dem Problemverhalten (andere hauen, Sachen mutwillig kaputt machen) ergeben, durchführbar sein und sofort erfolgen. Drohungen im Zusammenhang mit Liebesentzug oder das Androhen von Gewalt sind laut Kieselbauer strikt abzulehnen.

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