Gesundheit

Rat auf Draht: Viel Druck auf den Schultern unserer Kinder

Jahresrückblick: Die psychischen Belastungen für Österreichs Kinder und Jugendliche waren auch 2023 enorm, der Bedarf an psychosozialer Versorgung steigt.

 

Niederschwellige, psychosoziale Beratungsangebote wie Rat auf Draht waren im Jahr 2023 eine wichtige Anlaufstelle und seelische Stütze für Österreichs Familien. Zwar hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr etwas aufgehellt, die Nachwirkungen der Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine, der neu hinzugekommene Gaza-Konflikt sowie die Teuerungen stellten die Psyche von Jung und Alt wurde erneut auf eine harte Probe.

Junge Menschen weiter stark belastet 

Allein über Kanäle der Notrufnummer 147 für Kinder und Jugendliche (Telefon, Online, Chat) wurden 2023 insgesamt rund 250 Beratungen pro Tag geführt. „Die Stimmung unter Kindern und Jugendlichen ist tendenziell etwas besser geworden. Klassische Teenager-Themen wie Liebeskummer, Beziehungsprobleme, die Peer Group oder Sexualität sind mehr in den Vordergrund getreten. Trotzdem sind die psychischen Belastungen bei jungen Menschen nach wie vor sehr hoch, was sich auch in den Gesprächen widerspiegelt“, sagt 147-Leiterin Birgit Satke. So stiegen die Beratungen zu depressivem Verhalten im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent auf 733 (Stand 9. Dezember 2023), selbstverletzendes Verhalten nahm um 18 Prozent zu (739 Beratungen). „Auch die Anfragen zu Suizidalität sind weiter hoch und dürften zu Jahresende auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr liegen sagt Satke (1228 Beratungen bis 9.12.2023, 2022 gesamt: 1298). Hinzu kommen steigender Leistungsdruck und Zukunftsängste, die besonders Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schaffen machen. Stark gestiegen sind auch Beratungen zu Sextortion, der Erpressung mit Nacktfotos oder -videos über Social Media – im Vergleich zu 2022 um 29 Prozent. „Der digitale Raum ist ein Bereich, in dem sich ein großer Teil des Alltags von Kindern und Jugendlichen abspielt. Darauf werden wir im nächsten Jahr auch stärker reagieren“, so Satke.

 

Hoher Bedarf an psychosozialer Versorgung

Die meisten Anfragen kommen zum Thema „Auskunft zur psychosozialen Versorgung“. „Hier zeigt sich einerseits der hohe Bedarf an Hilfsangeboten, andererseits aber auch, wie wenig Wissen bei jungen Menschen darüber vorhanden ist, wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen können und wie die diversen Einrichtungen und Berufsgruppen arbeiten bzw. wofür sie konkret zuständig sind“, so Satke. Ein Signal dafür, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht. Satke: „Psychische Erkrankungen werden nach wie vor oft als Tabu-Thema behandelt. Neben der körperlichen sollte die seelische Gesundheit endlich stärker in den Fokus rücken und wahrgenommen werden. Eine Enttabuisierung wäre dringend nötig. Menschen müssen ermutigt werden, die meist vorhandenen Signale bei Jugendlichen mit psychischen Belastungen zu erkennen, diese ernst zu nehmen, das Gespräch zu suchen und bei Bedarf professionelle Unterstützungsangebote wie Rat auf Draht zu nutzen“, so Satke. Außerdem wäre der Ausbau von Therapieangeboten für Jugendliche wünschenswert.

Gespräche werden immer länger

Die intensiven Themen ließen die Gesprächsdauer noch einmal um 5,5 Prozent im Vergleich zu 2022 ansteigen. „Gerade bei Themen wie Gesundheit, Gewalt, Familie und dem persönlichen Befinden sind die Gespräche länger als bei anderen. Hier sind die Belastungssituationen meist sehr hoch und es braucht etwas länger, bis sich junge Menschen öffnen und jemandem anvertrauen können“, so Satke.

Auch die Eltern beschäftige die psychische Verfassung ihrer Kinder 2023 sehr, wie Lena Kaiser, Psychologin und Beraterin der Rat auf Draht Elternseite zu berichten weiß: „Neben Fragen rund um die Erziehung und die Pubertät führten wir die meisten Gespräche zu psychischen Erkrankungen oder Auffälligkeiten des Kindes“.

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2024: Wunsch nach Sicherheit

Das kommende Jahr dürfte nicht minder fordernd werden: Kinder und Jugendliche sehen sich angesichts der aktuellen Geschehnisse noch mehr nach Sicherheit, Geborgenheit und emotionaler Zuwendung. Hier sollte man genauer hinschauen und darüber nachdenken, wie man jungen Menschen dieses Gefühl der Sicherheit geben kann, damit sie sich gut entfalten und ihren eigenen Weg ohne Ängste bestreiten können“, so Satke. Denn psychische Belastungen, Zukunftsängste, Leistungsdruck, die Angst, sich keine eigene Existenz aufbauen zu können, Herausforderungen im Bereich der digitalen Medien und Umwelt/Klimaveränderungen werden junge Menschen in Österreich auch 2024 beschäftigten.

Chatberatung wird ausgebaut

Auch Rat auf Draht wird das Angebot noch stärker auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zuschneiden und modernisieren. Daher wird die Onlineberatung (Anfragen werden zeitverzögert via Mail beantwortet) mit Ende 2023 eingestellt und die Chatberatung ausgeweitet werden. „Jugendliche verbringen einen großen Teil ihres Alltags in der digitalen Welt. Schriftliche Beratungskanäle werden immer wichtiger, besonders jene, wo das Feedback in Echtzeit erfolgt. Dem wollen wir Rechnung tragen“, so Satke.

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