Immer diese Besserwisser!
Ob die Großeltern zu Hause, Freundinnen oder andere Mütter auf dem Spielplatz, jeder scheint einen guten Rat parat zu haben und alles besser zu wissen. Wie man mit selbsternannten „Erziehungsexperten“ zurechtkommt.
Eigentlich kennt fast jede Mutter dieses Phänomen: kaum ist das Baby geboren, hagelt es auch schon von allen Seiten gute Ratschläge. Manchmal nimmt es so überhand, dass man als junge Mutter den Eindruck hat, einfach nichts richtig machen zu können und alle alles besser wissen. Dabei meinen es die ungefragten Tippgeber meist gar nicht böse, sondern möchten ihren reichen Erfahrungsschatz mit dem Neuankömmling im Mama-Business teilen. Oft merken sie jedoch nicht, das ihre Ratschläge nicht gewollt und manchmal sogar verletzend sind.
Alles steht auf dem Prüfstand
Bei den Ratschlägen scheint es auch kein Tabuthema zu geben – ob Schlafenszeiten, Essgewohnheiten, Fernsehkonsum, Ordnung im Kinderzimmer, Umgangsformen bis hin zur Körperhygiene der Kleinen, alles scheint auf dem Prüfstand zu stehen. Das kann ganz schön nerven! Mit ungewollten Ratschlägen von Außenstehenden zur Kinder-Erziehung ist fast jede Mutter einmal konfrontiert. Sechs von zehn Müttern von Kindern im Alter bis zu fünf Jahren berichteten in einer Umfrage der Universität von Michig-an, dass ihre Elternfähigkeiten schon einmal angezweifelt und in Frage gestellt wurden. Auch von Mitgliedern der eigenen Familie, vor allem von den Eltern der Mutter.
Kommen Einmischungen in Erziehungs-fragen von den eigenen Eltern, ist die Situation für die junge Mutter besonders schwierig. „Meine Eltern wissen alles besser, ständig höre ich, was sie alles anders machen würden. Ich weiß, sie meine es nicht böse, aber ich habe das Gefühl, sie trauen mir die Mutterrolle nicht zu. Ich fühle mich dann wieder wie ein kleines Kind, aber es ärgert mich auch, denn ich will meinen eigenen Weg gehen“, berichtet Susanne, Mutter eines zweijährigen Sohnes. Experten raten in diesem Fall zur Klärung der Situation in einem offenen Gespräch mit den Eltern oder Schwiegereltern, einer Art Familienkonferenz. Man sollte sich vorher überlegen, was an den Ratschlägen besonders stört. Ist es die Art wie sie vorgebracht werden? Fühlt man sich bevormundet? Entsprechen die Ratschläge nicht der eigenen Weltanschauung, was zum Beispiel das Bestrafen des Kindes angeht? Sind es zu viele Ratschläge? Im Gespräch sollte man respektvoll und wertschätzend klar machen, dass man das Interesse und die Meinung der Eltern zwar schätzt, man aber lieber seinen eigenen Weg finden möchte. Schließlich kennt man das eigene Kind am besten.
„Vielen Leuten ist nicht bewusst, dass sie ständig Ratschläge erteilen, die überhaupt nicht gewollt sind. Wenn ihnen hier eine klare Absage erteilt wird, können auch diese Personen lernen, nur nach einer konkreten Frage, einen Ratschlag zu geben“, erklärt Kinder- und Jugendcoach Nicole Stoltz. Das gilt auch für Ratschlaggeber aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.
Schwieriger ist es mit Fremden, die auf dem Spielplatz oder im Supermarkt ungefragte Ratschläge erteilen. Experten empfehlen mit Antworten wie „Danke für Ihren Rat, ich werde darüber nachdenken“ den Besserwissern den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Wenn man Ratschläge bekommt, ohne danach gefragt zu haben und dies nicht möchte, kann ich nur empfehlen ein klares aber höfliches „Nein“ zu äußern, um in Zukunft vor diesen Ratschlaggeberinnen und Ratschlaggebern geschützt zu sein“, so Nicole Stolz.
Blick von außen nützen
Auch wenn man die meisten Ratschläge als überflüssig empfindet, kann ein Blick von außen auf eine Situation auch hilfreich sein. Denn viel- leicht schleichen sich langsam und beabsichtigt schlechte Gewohnheiten in der Erziehung oder in die Entwicklung des Kindes ein, die einem selber nicht auffallen, da man zu nahe dran ist.
Das kann zum Beispiel die Sprachentwicklung des Kindes betreffen „Wie alt ist Ihr Kind? Es kann noch keine richtigen Sätze formen“ oder die Körperhaltung „Ihr Kind hat eine schlechte Haltung. Sie müssen aufpassen, dass es keinen Buckel bekommt“. Hier sollte man sich in jedem Fall Gedanken über den Ratschlag machen und sich auch mit dem Kinderarzt besprechen.
Nicht selber zum „Besserwisser“ werden
Um nicht selber zum „Besserwisser“ zu werden, sollten sich potenzielle Ratschlaggeber fragen, warum sie einer jungen Mutter Ratschläge geben möchten. Ist es echtes Interesse und der Wunsch ihr wirklich zu helfen oder möchte man mit seinem Wissen und seiner Erfahrung als „perfekte Mutter“ glänzen? Möchte man sich mit der eigenen Besserwisserei in den Mittelpunkt rücken? Gibt es einem das Gefühl von Wichtigkeit? Man sollte sich auch fragen, ob der Ratschlag in der Situation wirklich hilfreich ist.
Ratschlaggeber müssen auch bedenken, dass sie nur einen kleinen Ausschnitt des Familienlebens zu sehen bekommen, wenn sie zum Beispiel zum Kaffeetrinken vorbeikommen oder wenn sie die junge Mutter im Stiegenhaus oder auf dem Spielplatz treffen. Sie wissen nicht genau Bescheid über den Alltag der Mutter. Außerdem entwickelt jede Familie ihr eigenes Modell. Und auch, wenn einem dieses Modell fremd ist, so sollte man es doch respektieren und sich, falls nicht das Wohl oder die Gesundheit des Kindes gefährdet sind, mit Ratschlägen zurückhalten, denn es gibt nichts Privateres als das Familienleben.
Forum
Diskutieren Sie über diesen Artikel
Insgesamt 0 Beiträge