Schöne Peers: Schlechtere Schulnoten
Schönheit gilt als Katalysator für Erfolg – im Beruf wie auch in der Schule. Entgegen den Erwartungen stehen im schulischen Umfeld aber insbesondere männliche Jugendliche unter äußerem Schönheitsdruck ihren Gleichaltrigen gegenüber. Männliche Schüler auf US-High-Schools erhalten schlechtere Schulnoten, wenn ihre Peergroup, also soziale Bezugsgruppe, attraktiver ist. Das Selbstbewusstsein leidet – besonders, wenn sie körperlich noch nicht so weit entwickelt sind wie die anderen –, und damit auch die schulischen Leistungen.
Das zeigt eine Studie des ZEW Mannheim und der Universität Cardiff, die repräsentative Daten von über 3.000 US-Schülern/-innen auswertet. Der Effekt lässt sich auch auf andere westliche Länder übertragen. „Unsere Studie belegt erneut, dass schulische Leistungen von verschiedenen Faktoren abhängen, nicht nur von Intelligenz und Fleiß. Es sollten daher gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um das Selbstbewusstsein von Schülerinnen und Schülern zu stärken. Helfen könnten beispielsweise Beratung, Unterstützung und auch eine offene Lernatmosphäre, an der alle teilhaben und ihre Leistungen entfalten können“, sagt Ko-Autorin Efi Adamopoulou, PhD, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“.
Das eigene Aussehen und das Aussehen der Peers zählt – aber nur bei Jungen
Die Studie zeigt einen klaren Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern. Bei weiblichen Jugendlichen gibt es einen Zusammenhang zwischen der schulischen Leistung und ihrer sogenannten charakterlichen Attraktivität. Wird die Schülerin als sympathisch eingeschätzt, hat sie tendenziell bessere Noten. Dagegen hat die Attraktivität der Peers keinen Einfluss auf die schulischen Leistungen von weiblichen Jugendlichen. Ob die Peers von Mädchen hübsch oder sympathisch sind, spielt keine Rolle für den schulischen Erfolg.
Grundsätzlich gilt die Korrelation zwischen charakterlicher Attraktivität und schulischer Leistung auch bei männlichen Jugendlichen. Es kommt bei ihnen jedoch noch ein körperlicher Attraktivitäts-Faktor hinzu: Gutaussehende männliche Jugendliche weisen tendenziell bessere Leistungen vor. Ist die Peergroup der Schüler allerdings körperlich attraktiv, gehen die schulischen Leistungen des Einzelnen zurück.
Eine Frage des Selbstbewusstseins
Dem zugrunde liegt ein geschwächtes Selbstbewusstsein, wie sich aus Selbsteinschätzungen der Schüler ergibt. Da der Anteil der körperlich attraktiven Peers in einer Klassenstufe zufällig ist, kann der Zusammenhang zwischen Noten und körperlich attraktiver Peergroup als kausal interpretiert werden.
Das mangelnde Selbstbewusstsein drückt letztendlich den Notendurchschnitt, was sogar die Aufnahme ans College verhindern kann. Konkret heißt das: Nimmt der Anteil an körperlich attraktiven Peers in einer Klassenstufe um zehn Prozentpunkte zu, sinkt die Wahrscheinlichkeit des einzelnen Schülers, aufs College zu gehen, um drei Prozentpunkte.
„Lehrkräfte und Schulsozialarbeitende müssen stärker für diesen Mechanismus sensibilisiert werden. Zudem sollten Bildungsstrategien entwickelt werden, die darauf abzielen, den negativen Einfluss von sozialen Vergleichen zu minimieren und eine Kultur des Miteinanders und des Respekts zu fördern. Dadurch können wir sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem Umfeld die bestmöglichen Chancen auf akademischen und beruflichen Erfolg haben“, so Adamopoulou.
Daten von über 3.000 High-School-Schülern:innen
Während sich das Ausmaß des Schönheits-Bonus sowie die zugrundeliegenden Mechanismen von Studie zu Studie unterscheiden, belegen viele Untersuchungen einen positiven Einfluss körperlicher Attraktivität auf das Gehalt der Person, wenn sie im Arbeitsleben steht. Eine Studie unter italienischen Studierenden aus dem Jahr 2011 belegt zudem signifikante positive Effekte von Schönheit auf die Noten männlicher Studenten sowohl bei mündlichen als auch schriftlichen Prüfungen.
Die ZEW-Analyse belegt nun, dass dieser Effekt bereits zu Schulzeiten existiert. Die Studie untersucht die Auswirkungen von Schönheit auf die schulischen Leistungen von 3.000 Schülern/-innen. Sie stützt sich dabei auf für die USA repräsentativen Daten aus dem National Longitudinal Survey of Adolescent Health (Add Health). Die Langzeituntersuchung befragt in mehreren Wellen seit 1994 über 90.000 US-Schüler/innen der Klassenstufen sieben bis zwölf und zeichnet deren weitere berufliche, gesundheitliche und persönliche Entwicklung nach. So wird durch eine langfristige Datengrundlage die Auswertung auf Ebene der einzelnen Teilnehmenden ermöglicht. Add Health enthält auch zwei Maßstäbe von Schönheit: körperliche Attraktivität („physical attractiveness“) und charakterliche Attraktivität („personality attractiveness“), die auf der Einschätzung der interviewführenden Person basieren.
Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/j.jebo.2023.11.025
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