Privat oder Staat
Das öffentliche Schulsystem hat nicht immer den besten Ruf. Warum sind Privatschulen so hoch im Kurs und was machen sie wirklich besser?
Ob für die Bildungslaufbahn, die soziale Entwicklung oder berufliche Chancen – die Wahl der Schule für den Nachwuchs ist oft entscheidend für den späteren Lebensweg der Kinder. Mitunter spielt hierbei gerade die Entscheidung zwischen einer Privatschule und einer öffentlichen Schule eine erhebliche Rolle. Der Zulauf auf Privatschulen hat hierzulande in den vergangenen Jahren zugenommen. Laut einem heuer veröffentlichten Bericht der Statistik Austria liegt der Anteil der Kinder an Privatschulen je nach Schulart zwischen rund fünf Prozent bei den Volksschulen und einem Drittel bei den berufsbildende mittlere Schulen (BMS). Im Schuljahr 2022/23 besuchten von den 359 964 Schüler:innen an Volksschulen 4,9 % eine Privatschule. Am meisten Privatschüler:innen gibt es an den AHS. Deren Zahl ist zwischen 1990/91 und 2022/23 von 22.300 auf 34.500 deutlich gestiegen. Knapp 16 % aller AHS-Schüler:innen drücken die Schulbank in einer privaten Einrichtung. Angesichts langer Warteliste an vielen Standorten müsste wohl von einem höheren Privatschüleranteil ausgegangen werden, gäbe es mehr Plätze.
Was Bildung kostet – Schulgelder, Nachhilfe & Co
Gründe für den regen Zulauf auf private Einrichtungen gibt es verschiedene. Freilich können nicht alle öffentlichen Schule in einen Topf geworfen werden, denn natürlich gibt es sie: die Schulen im Regelsystem, die einen tollen Job machen. Insgesamt könnte der Ruf öffentlicher Schulen in Österreich aber besser sein. Sei es wegen nie statt gefundener Schulreformen (Gesamtschule, Klassengröße, Teamteaching, Inklusion, Entrümpelung der Lehrpläne…), Lehrkräftemangel, Bürokratie-Last, Chancenungerechtigkeit oder stagnierender Begabtenförderung – das Vertrauen in das staatliche Bildungssystem hat vielfach nachgelassen. Und das, obwohl es laut einer Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft auf Platz fünf der teuersten Schulsysteme aller PISA-Länder liegt. „Unser öffentliches Schulsystem verhindert einen intelligenten Qualitätswettbewerb zwischen den Schulen. Auch die schlechtesten Schulen erhalten ihre Kund:innen, nämlich die Schüler:innen, zwangszugeteilt. Auch die ungeeignetsten Lehrer:innen werden von einer Schule zur nächsten weitergereicht. Dieses Diktat der Mittelmäßigkeit führt zu schlechtem Service und hohen Kosten“, kritisiert der Mitbegründer der „Sir Karl Popper Schule“ in Wien-Wieden und Buchautor Andreas Salcher. Eltern, die es sich nur irgendwie leisten können, geben ihre Kinder vor allem in den Städten zunehmend in Privatschulen, teilweise in internationale. Die Mehrheit allerdings, die sich das nicht leisten kann, ist gezwungen, am Markt der Nachhilfeindustrie zu mitunter hohen Kosten jene Leistungen einzukaufen, die notwendig sind, damit ihre Kinder zumindest nicht durchfallen. „Wenn jedes zweite Kind an einer AHS Nachhilfe braucht, dann ist das ein Armutszeugnis für unser Schulsystem. Die Mehrheit der Eltern zahlt daher doppelt in unser Schulsystem: Einerseits Steuergelder für die öffentlichen Schulen und dann nochmals entweder Schulgeld für die Privatschule oder für den privaten Nachhilfeunterricht“, versichert Bildungsexperte Salcher.
Von traditionell bis alternativ
Die breite Palette der Privaten Privatschulen unterliegen dem Privatschulgesetz und es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen privaten Traditionsschulen, wie beispielsweise dem Theresianum, dem Schottengymnasium oder dem Kollegium Kalksburg in Wien und Schulen mit reformpädagogischer Ausrichtung, wie zum Beispiel Montessori-, Waldorf, oder Pestalozzischulen. In der Regel erhalten Privatschulen vom Staat keine oder nur sehr wenig finanzielle Unterstützung. Konfessionelle Privatschulen haben allerdings einen Vorteil gegenüber nicht-konfessionellen Privatschulen: die Kosten für die Lehrerschaft werden vom Bund übernommen. Somit können konfessionelle Privatschulen meist auch günstigere Schulgelder anbieten. Der größte Erhalter der 600 heimischen Privatschulen ist – wenig überraschend – die römisch-katholische Kirche. Immerhin zwei Drittel aller Privatschüler:innen besuchen eine ihrer Einrichtungen. Während öffentliche Einrichtungen staatliche Bildungsstandards einhalten müssen, können private Schulen ihre Lehrpläne meist flexibler gestalten und darüber hinaus spezielle Programme – von Wissenschaft, Sport, Kultur bis Sprachen – anbieten. Leiden viele öffentliche Schulen an überfüllten Klassen und mangelnden Lehrkräften, haben Privatschulen oft kleinere Klassen und damit bessere Möglichkeiten, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Neben dem mitunter vielfältigen Zusatzangebot haben vor allem traditionsreiche Einrichtungen oder auch Schulen mit internationaler Ausrichtung oft eine besondere Leistungsorientierung – nicht selten gibt es strengere akademische Anforderungen und am Ende eine höhere Erfolgsquote beim Universitätszugang. Bei Einrichtungen mit Alternativpädagogik stehen wiederum individuelle Bedürfnisse und Entwicklungsphasen im Fokus.
In bester Gesellschaft mit besserer Qualität?
Wer bereit ist, teils hohe Schulgelder zu bezahlen – komplett privat finanzierte sowie internationale Privatschulen kosten im Schnitt 20.000 Euro und mehr im Jahr –erwartet nicht nur höhere Bildungsstandards mit mehr Programmvielfalt. Erkauft wird damit auch der Zugang zu Kaderschmieden, in denen die Elite sozusagen unter sich bleibt. Die Exklusivität von Privatschulen führt nämlich in der Regel auch zu einer Trennung zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten, was eben durchaus auch erwünscht ist. Schließlich entstehen im Laufe der Schulzeit Freundschaften und Kontakte, die letztendlich ein solides Netzwerk darstellen, das auf dem weiteren Lebensweg von Vorteil sein kann. Ob in bester Gesellschaft automatisch bessere Lernergebnisse erzielt werden? Laut einer OECD-Studie, bei der die PISA-Test-Ergebnisse privater und öffentlicher Schulen verglichen wurden, schnitten Abgänger:innen von Privatschulen tatsächlich besser ab als ihre Kolleg:innen von öffentlichen Instituten. Bildungsexperte Andreas Salcher ist, was die Qualitätsunterschiede zwischen öffentlichen und staatlichen Schulen betrifft, auf sehr differenzierte Ergebnisse gestoßen. Im Zuge der Recherchen zu seinem Buch „Der talentierte Schüler und seine ewigen Feinde“ hat er herausgefunden: „Das tendenziell bessere Abschneiden der Privatschulen liegt weniger an der dort besseren Pädagogik sondern mitunter auch an der sozialen Selektion der Schülerschaft.“ Privatschulen ziehen oft von Haus aus eher Kinder aus besonders bildungsaffinen Familien an. Deren Kinder sind zwar nicht zwingend begabter, aber oftmals engagierter bzw. erhalten sie zumindest mehr Unterstützung und Lernhilfe seitens des Elternhauses. Nachdem die Ergebnisse oben zitierter Studie übrigens um soziale, ökonomische und familiäre Faktoren bereinigt wurden, lautet das Ergebnis: Privatschulen schnitten zum Teil sogar schlechter ab als öffentliche.
Chancen abseits der Exklusivitäts-Bubble
Zahlreiche Expert:innen weisen darauf hin, dass die gesellschaftliche Exklusivität auch Ursache dafür sei, dass soziale Kompetenzen in den Privatschulen eher auf der Strecke bleiben. Nicht umsonst führen immer mehr Privatschulen – vorwiegend die konfessionellen – zum Beispiel verpflichtende Sozialprojekten ab der Oberstufe ein. Ob die soziale Intelligenz von Kindern in öffentlichen Schulen tatsächlich mehr gefördert wird, weil sie eher die volle Breite des gesellschaftlichen Spektrums und damit die sprichwörtliche volle Härte des Lebens mitbekommen, ist fraglich. Vor allem mit Blick auf die Gymnasien ist wohl darauf zu verweisen, dass auch das öffentliche Schulsystem mit der frühen Trennung der Kinder nach vier Jahren Volksschule eine gewisse Segregation begünstigt. Vor allem die Mittelschulen in der Bundeshauptstadt fungieren erwiesenermaßen flächendeckend als Sammelbecken für Kinder mit schwierigen sozialen Voraussetzungen. Während Kinder aus wohlhabenderen Familien in die Gymnasien drängen – verstärkt auch in die privaten. Bildungspionier Andreas Salcher ortet mit dem zunehmenden Trend hin zu den Privatschulen auch die Chance, dass sich der Druck auf das öffentliche Schulsystem hinsichtlich längst fälliger Reformen erhöht. „Die große Mehrheit der Schüler:innen wird weiterhin an öffentliche Schulen gehen, weswegen dort auch der Schlüssel für die Zukunft unseres Schulsystems liegt. Denn die Gefahr besteht eindeutig darin, dass die Talente jener Kinder, die keine vermögenden Eltern haben, unter die Räder kommen“. Jede Schule sollte laut Salcher letztendlich nur eine Aufgabe erfüllen: glückliche, selbstbewusste Menschen bilden, die wissen, wo ihre Talente liegen: „Jedes Kind hat ein Recht auf die maximale Förderung seiner Talente, unabhängig davon, ob es in eine öffentliche oder private Schule geht“.
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