Erziehung

Schluss mit Schimpfen im Advent

Warum Kinder in der Adventszeit aufdrehen und wie Eltern Ruhe bewahren können.

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Es ist Sonntagmorgen, der zweite Advent. Eigentlich wolltet ihr den Tag friedlich beginnen, doch direkt nach dem Aufstehen streiten sich die Kinder lautstark darum, wer als Erstes das Türchen im Adventskalender öffnen darf. Ihr seid genervt, und einem von euch beiden platzt der Kragen: »Immer dieses Gezanke! Dann gibt es nächstes Jahr eben keinen Adventskalender!« Ein Kind heult los, das andere wirft mit einem Ball. Und dabei brennt am Adventskranz doch die zweite Kerze. Warum nur ist alles so anstrengend? Das hatte man sich doch ganz anders vorgestellt!

Der Adventsstress trifft nicht nur uns Eltern

Gerade mit Kindern stapeln sich im Dezember die To-dos. Plätzchen backen, Adventskalender und Geschenke für die Omas basteln – all das und vieles mehr liegt oft auf unseren Schultern. Aber auch Kinder sind in dieser Zeit enorm gefordert. Der Alltag ist weniger vorhersehbar, Überraschungen stehen an jeder Ecke, und die Erwartungshaltung steigt – bei uns Erwachsenen ebenso wie bei den Kleinen.
Kinder spüren unsere Unruhe, selbst wenn wir versuchen, uns nichts anmerken zu lassen. Sie nehmen die Anspannung wahr, die in der Luft liegt. Dazu kommen ihre eigenen Herausforderungen: Von Weihnachtsfeiern über Theater- oder Musikaufführungen bis hin zu Besuchen auf Weihnachtsmärkten. Dabei brauchen Kinder Zeit und Raum, um all diese Eindrücke zu verarbeiten.

Die Magie der Erwartung – und ihr Druck

Ein weiterer Grund für das „schwierige“ Verhalten: Die Neugier und Vorfreude auf Weihnachten ist riesig – aber auch die Unsicherheit. „Was bekomme ich?“, „War ich überhaupt brav genug?“ (Eine Frage, die in vielen Familien – oft unbewusst – immer noch thematisiert wird.) Kinder stehen unter Druck, den sie meist gar nicht einordnen können. Sie wissen nur: Da ist etwas Großes im Gange, und ich möchte alles richtig machen. Doch gerade dieser Druck führt oft zum Gegenteil.

Überforderte Kinder drücken ihre Gefühle selten mit Worten aus – sie schreien, weinen oder verhalten sich, wie wir es „auffällig“ nennen.

Die Reizüberflutung

Lichterketten, Weihnachtsmusik, blinkende Deko – die Adventszeit ist eine Sinnesexplosion. Was uns oft „schön“ vorkommt, kann Kinder überfordern. Gerade jüngere Kinder wissen oft nicht, wie sie mit so viel visueller und akustischer Stimulation umgehen sollen. Und überforderte Kinder drücken ihre Gefühle selten mit Worten aus – sie schreien, weinen oder verhalten sich, wie wir es „auffällig“ nennen.
Ich vergleiche diese Zeit gern mit einem Computer, der tausend Tasks offen hat – und stündlich kommen neue hinzu. Irgendwann wird er langsamer, bis er schließlich einen Systemzusammenbruch erleidet. Dieser hilft dann, sich neu zu ordnen. Auch wir und unsere Kinder erleben so manche Systemzusammenbrüche in dieser Zeit. Und in solchen Momenten greifen wir auf die Bewältigungsstrategien zurück, die wir kennen: Streiten, „übeldrauf sein“ oder Schimpfen.

Wie Eltern Ruhe bewahren können

Hier sind ein paar Tipps, die helfen können, diese turbulente Zeit entspannter zu gestalten:

  1. Verstehen, statt zu bewerten: Kinder benehmen sich nicht daneben, um uns zu ärgern. Sie sind entweder überfordert oder verletzt. Ein Schritt zurück und die Frage: „Was will mein Kind mir gerade sagen?“ wirkt oft Wunder.
  2. Rituale schaffen: Auch wenn die Tage turbulent sind, sollten feste Rituale wie Vorlesezeiten oder gemeinsames Abendessen nicht zu kurz kommen. Rituale geben Sicherheit.
  3. Überraschungen reduzieren: So schön es ist, die Kinder mit einem spontanen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt zu überraschen – viele Kinder brauchen Vorhersehbarkeit. Plant gemeinsam und erklärt, was ansteht.
  4. Entspannung üben: Gerade in der Hektik hilft es, bewusste Auszeiten einzuplanen – sei es mit einem Spaziergang, einer kleinen Kuschelpause oder einer Tasse Kakao.
  5. Realistisch bleiben: Es muss nicht alles perfekt sein. Weniger ist oft mehr, auch in der Weihnachtszeit.

5 Alternativen zum Schimpfen, die Eltern helfen, ruhig zu bleiben

  1. Tief durchatmen: Klingt simpel, hilft aber. Atmet dreimal tief ein und aus, bevor ihr reagiert.
  2. Gefühle spiegeln und annehmen: Statt „Hör auf damit!“ lieber sagen: „Ich sehe, dass du gerade wütend bist. So ein Adventskalender kann auch ganz schön schwierig sein.“
  3. Humor einsetzen: Ein kleiner Scherz oder eine Grimasse lockert die Stimmung oft schneller als ein strenger Ton.
  4. Positives zum Partner oder zu den Kindern sagen: „Danke, dass du gerade so wütend bist. Da kann ich üben, ruhig zu bleiben.«
  5. Pause für euch selbst: Wenn ihr merkt, dass eure Nerven blank liegen, nehmt euch eine kurze Auszeit.
  6. Wünscht euch was: Die Adventszeit mit Kindern ist Hochsaison. Was würde euch helfen, diese Zeit gut zu meistern? »Ich wünsche mir, dass ich am Sonntag bis 9 Uhr ausschlafen darf.«

Kinder hören uns also nicht, weil sie schlecht erzogen sind, sondern weil sie verletzt oder überfordert sind. Mit ein wenig Gelassenheit und Verständnis für die kleinen Menschen in unserem Leben können wir alle mehr Freude an dieser besonderen Zeit haben.

 

Über die Autorin

Maren Tromm ist  Einzel-, Paar-, und Familientherapeutin, Erziehungsberaterin, dipl. Psychosoziale Beraterin, Autorin, Speakerin & Podcasterin in Wettingen in der Schweiz. Mehr über die Autorin finden Sie auf www.elternschatzkiste.ch

Maren Tromm
Autorin Maren Tromm.

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