Vorfreude mit Baum
In immer mehr Wohnungen steht der Christbaum bereits den ganzen Advent über im Wohnzimmer. Woher kommt der Trend zum frühen Aufputzen? Plus: Tipps wie der Baum trotzdem frisch bleibt und wenig nadelt
In Frankreich reicht der Brauch lange zurück. Dort wird der Christbaum traditionell am 5. Dezember aufgestellt. Josef Reithner weiß das seit langem. Der niederösterreichische Bauer verkauft seine Bäume schon seit vielen Jahren vor dem Palais Liechtenstein, gleich bei der französischen Schule, dem Lycée Francais im Wiener Alsergrund. Viele seiner Bäume hat er deshalb immer schon verhältnismäßig früh verkauft. „In den vergangenen vier Jahren ist der Anteil der Bäume, die früh gekauft werden stark gestiegen“, sagt Reithner, der auch Obmann der Niederösterreichischen Christbaumbauern ist. Als solcher weiß er, dass das nicht nur bei ihm vor der französischen Auslandsschule der Fall war, sondern überall. „Corona hat den Trend zu Hause früh einen Baum aufzustellen, stark gefördert“, sagt Reither. „Die Leute waren im Homeoffice, wollten es zu Hause gemütlich haben und sich mit dem beruhigenden Duft des Baumes in Weihnachtsstimmung bringen.“ Viele der Verhaltensänderungen während der Pandemie und der Lockdowns wurden bald wieder verworfen. Beispielsweise blieb nur ein Bruchteil der Bevölkerung beim regelmäßigen Brotbacken. Dass der Baum bereits den ganzen Advent über aufgeputzt in der Wohnung steht, dürfte sich allerdings als Gewohnheit einbürgern. Viele sehen bei anderen, dass diese früh ihren Baum schmücken – und finden selbst daran Gefallen. „Das liegt wohl auch daran, dass gleich nach Weihnachten viele auf Urlaub fahren“, vermutet Reithner. Den Baum nur für zwei, drei Tage aufzustellen, ist vielen zu schade. Da kommt er lieber früher ins Wohnzimmer – und wird dann auch verhältnismäßig früh und bald nach Weihnachten wieder aus dem Wohnraum verbannt. „Wien ist da wirklich extrem“, sagt der Bauer, „da werden die Bäume mittlerweile wirklich sehr zeitig rausgeschmissen“. Oft sieht man auf den städtischen Sammelstellen schon ein, zwei Tage nach Heilig Abend einen Haufen Bäume mit letzten Lamettaresten. „Am Land steht der Christbaum immer noch länger, meist bis Mitte Jänner. Dass er wie früher bis Maria Lichtmess (2. Februar, Anm.) drin blieb, das gibt es nur noch selten.“ Vierzig Tage nach Weihnachten würde ein Anfang Advent aufgeputzter Baum auch wenig Freude bereiten. Denn selbst der frischeste Baum nadelt nach ein paar Wochen.
Woran man einen frischen Baum erkennt
Egal wann der Baum gekauft wird, Ricarda Reithner empfiehlt einen Frischetest. Die 27-jährige Tochter des Baumbauernobmanns ist niederösterreichische Christbaumkönigin und seit vier Jahren im Dienste der Nadelbäume unterwegs. Den ganzen Herbst über informiert sie im Dirndl als Botschafterin der Bäume, auf Messen, Märkten, in Fußgängerzonen. „Im Dirndl kommt man wirklich leichter mit Leuten ins Gespräch“, weiß sie. Ist Ricarda Reithner als Christbaumkönigin im Einsatz, dann weist nicht nur ihre auffällige goldene Schärpe auf ihre Rolle hin, sondern auch ihr gedrechseltes Holzzepter und die Krone mit tannenbaumförmigen Zinken. Sehr oft wird sie gefragt, woran man erkennen könne, ob ein Baum wirklich frisch ist. „Das erkennt man ganz leicht“, sagt sie. „Zum Beispiel empfehle ich die Nadeln entlang zu fahren. Wenn ein Baum beim Überden- Ast-Streichen rieselt, dann ist das ein schlechtes Zeichen.“ Auch der Ritztest ermöglicht eine Einschätzung: „Ritze ich die Rinde an einer Stelle mit dem Fingernagel ein und darunter ist es grün und frisch, ist es gut. Ist alles braun und trocken, dann Finger weg!“ Nicht zuletzt sollte man den Baum vor dem Kauf gut schütteln: „Irgendwas fällt natürlich immer ab“, sagt Reithner, „das geht gar nicht anders. Aber der ganze Baum sollte nicht rieseln.“ Eine ebenfalls häufig gestellte Frage – was denn einen wirklich schönen Christbaum ausmache – kann (und möchte) die Baumaristokratin nicht beantworten. „Geschmäcker sind einfach sehr verschieden“, sagt sie. Einen Wunsch haben aber offenbar alle Käufer:innen gemein: „Symmetrisch soll er sein!“.
Auch bei Christbäumen gibt es Moden
Die Königin beschäftigt sich wie ihr Vater, der Obmann, schon ihr ganzes Leben mit Christbäumen. Die Familie kommt aus der Gegend um den Jauerling, der höchsten Erhebung der Wachau im südlichen Waldviertel. Dort prägen die eingezäunten Christbaumkulturen seit langem die Landschaft. „Ohne Zaun müsste man die Rehe wirklich sehr sehr intensiv bejagen. Die Knospen der Bäume sind für sie eine besondere Delikatesse“, sagt Josef Reithner. Symmetrische, formschöne Bäume gäbe es dann nur wenige. In der Heimat der Reithners, einer 920-Seelen-Gemeinde, leben 70 Betriebe von der Christbaumsaison. Selbst der Pfarrer verkauft Weihnachtsbäume seit auf dem Grund der Pfarre vor ein paar Jahrzehnten Tannen ausgesetzt wurden. Aber auch eine althergebrachte Branche wie das Christbaumbusiness reagiert auf Moden. „Der durchschnittliche Baum ist mittlerweile zwischen ein Meter achtzig und zwei Meter zwanzig hoch“, sagt der Obmann. „So ein Baum ist praktisch, lässt sich gut bewerkstelligen, braucht wenig Platz und ist schnell aufund wieder abgeputzt.“ Früher waren besonders in Wiener Altbauwohnungen mit ihren hohen Räumen auch mehrere Meter hohe Bäume beliebt, berichtet er. „Da haben wir auch viele drei Meter fünfzig hohe Christbäume verkauft, die dann mit 30 Kilo Christbaumschmuck behangen wurden. Diese Generation traut sich aber mittlerweile nicht mehr auf Stehleitern rauf.“ Auch andere regionale Vorlieben gibt es. Weiter westlich in Österreich werden lichtere Bäume mit größeren Abständen zwischen den Astreihen bevorzugt. In Wien sind eher dichtere Bäume gefragt. Auch wenn es in Vorarlberg und teilen Tirols noch verhältnismäßig viele Weißtannen und teilweise auch Fichten und Kiefern gibt. Der dominierende Baum ist längst die Nordmanntanne, die ursprünglich aus Georgien und dem Kaukasusgebiet stammt. „Ihr gehört die Zukunft“, vermutet Josef Reithner, auch wegen dem Klimawandel. „Sie ist eigentlich der ideale Zukunftsbaum. Sobald wie einmal angewurzelt ist, hat sie kein Problem mehr mit Trockenheit und bislang bereitet der Nordmanntanne auch noch keiner der unzähligen Borkenkäfer Probleme.“
Das Kreuz mit dem Baum
Egal für welchen Baum man sich entscheidet, egal wie lang man ihn stehen lässt. Obmann Josef Reithner empfiehlt jedenfalls die Verwendung eines Stehkreuzes, in dem man Wasser nachfüllen kann. „So ein Zweimeterbaum benötigt anfangs pro Tag zwei Liter Wasser. Soll man gar nicht glauben.“
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