Erziehung

Screen Time: wie viel ist zu viel?

Kinder und Jugendliche wollen mehr, Eltern weniger: Die Zeit vorm Bildschirm sorgt in vielen Familien für Dauerstreit. Klare Regeln helfen.

 

Achtung, vom langen Fernsehen kriegst du viereckige Augen! Mit dieser Warnung haben es schon frühere Generationen nicht wirklich geschafft, Kinder vom Bildschirm wegzukriegen. Heute würden sich Eltern freuen, wenn zu langes Fernsehen das einzige Problem wäre. Tablet, Smartphone oder Laptop: Bildschirme sind allgegenwärtig und üben eine unwiderstehliche Anziehung auf Kinder und Jugendliche aus, oft schon auf die Jüngsten. Wie viel Screen-Time ist da zu verantworten? Die Antwort auf diese Frage hängt in erster Linie vom Alter des Kindes ab. So empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, Kinder unter zwei Jahren gänzlich von Bildschirmen fernzuhalten. Kleine Kinder müssen die Welt, im wahrsten Sinne des Wortes, be-greifen. Sie lernen vor allem, indem sie Sand in kleine Förmchen füllen und Sandkuchen backen, im Kindergarten Bausteine aufeinander stapeln oder mit Papa im Supermarkt die Bananen aufs Förderband legen. Aber weniger mittels Spieleapp am Tablet.

 

Keine Videos zur Beruhigung

Zu lange Bildschirmzeiten in den ersten Lebensjahren kann etwa zu Entwicklungsverzögerungen bei Kommunikation und zu Kurzsichtigkeit führen. Also den knapp Zweijährigen auf gar keinen Fall vor einem Screen platzieren? In einem Artikel mit der deutschen ZEIT gibt die Entwicklungspsychologin Sabina Pauen auf diese Frage eine differenzierte Antwort. Von einem Pauschalverbot hält sie nichts, weil ein solches dazu führen könnte, dass sich Eltern angegriffen und jeglicher weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema verschließen würden. Das sei problematisch, denn Eltern sollten unbedingt um die emotionalen, physischen und psychischen Folgen von zu hohem Medienkonsum wissen. Dagegen mit einem kleinen Kind hin und wieder ein altersgemäßes Video anzuschauen, sei wenig einzuwenden. Auf keinen Fall aber sollte man Kleinkinder aber mit dem Handy allein lassen. Und: Ob ein Kind zwei, fünf oder acht Jahre alt ist, Eltern sollten vermeiden, Medien als Trost, als Belohnung oder zur Beruhigung einzusetzen.

 

 

Mediennutzungsvertrag aufstellen

So verlockend es auch ist, einem quengelnden Kind im Restaurant das Smartphone in die Hand zu drücken, damit man endlich seine Ruhe hat. Auf diese Weise nimmt man ihm die Möglichkeit zu lernen, sich selbst zu regulieren und mit unangenehmen Gefühlen wie Langeweile umzugehen – eine Fähigkeit, die es im weiteren Leben brauchen wird. Außerdem setzt man einen Teufelskreis in Gang. Das nächste Mal wird das Kind umso lautstarker nach elektronischer Unterhaltung verlangen. Kinder über zwei kann man langsam an altersgerechte Bildschirminhalte heranführen. Mit dem Alter des Kindes steigt auch die empfohlene Maximaldauer für Bildschirmmediennutzung. Damit Screen-Time nicht zum Dauerstreitthema wird, ist es ratsam, sich in der Familie auf Regeln zu einigen, am besten gemeinsam. Vielen Familien hilft es, einen Mediennutzungsvertrag aufzustellen, sagt Barbara Buchegger von www.saferinternet.at. Darin kann  zum Beispiel festgehalten werden, dass man den Fernseher nicht einschaltet, ohne vorher zu fragen oder dass das Smartphone nachts ausgeschaltet wird.

 

Konflikte aushalten

Bei älteren Kindern mag die Regel ‚Bildschirme sind erlaubt, solange der Rest des Lebens passt‘ genügen. Denn darum geht es letztendlich: Bildschirmmedien sollen nicht in Konkurrenz mit anderen wichtigen Dingen treten. Weder die Schule, Freundschaften, Sport oder Hobbys wie das Üben von Instrumenten noch Schlaf oder Familienpflichten sollen vernachlässigt werden, weil man zu lange am Computer sitzt. Konflikte rund um das Thema Bildschirmzeiten werden sich wahrscheinlich trotz Regeln nicht vermeiden lassen. „Darauf müssten sich Eltern einstellen und es aushalten“, sagt Barbara Buchegger. Elterliche Erziehungsaufgabe sei es darüber hinaus, einem Kind Alternativen zum Zocken oder Fernsehen zu bieten. Ein gemeinsames Fußballspiel im Park, einen Ausflug, ein Brettspiel oder gemeinsames Kuchenbacken. Und ja, das kann Mühe kosten – wenn man selbst müde vom Tag am liebsten mit dem Handy in der Hand auf dem Sofa liegen würden.

 

Eltern als Vorbild

Barbara Buchegger trifft in ihrer Arbeit immer wieder auf Kinder, die keine Ahnung haben, was sie mit sich anfangen sollen – wenn sie nicht ans Handy oder Tablet dürfen. „Mir bricht es da manchmal das Herz. Es gibt Kinder, die kennen nichts anderes und sehen auch bei ihren Eltern, dass diese ständig am Handy hängen.“ Warum sollte ein 14-Jähriger das Smartphone aus der Hand legen, wenn seine Eltern in jeder freien Minute danach greifen? Das eigene Mediennutzungsverhalten sollten Eltern also immer unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls adaptieren. Und wenn man im gemeinsamen Mediennutzungsvertrag handyfreie Zonen in der Familie definiert hat, zum Beispiel am Esstisch oder im Schlafzimmer, sollten sich auch Eltern daran halten.

 

 

Screen-Time-Tipps

  • Technische Filter als Ergänzung: Filterprogramme, um Kinder vor ungeeigneten Inhalten im Internet zu schützen, können bei jüngeren Kinder sinnvoll sein. Älteren Kindern gelingt es, diese zu umgehen. Umso wichtiger ist eine gute Gesprächsbasis.
  • Suchtverhalten reflektieren: Manche Kinder kippen beim Computerspielen eher in ein Suchtverhalten als andere. Es kann helfen, mit ihnen darüber zu sprechen, warum Spiele und Apps Nutzerinnen und Nutzern so sehr in den Bann ziehen und gemeinsam Strategien auszuarbeiten, was man dagegen tun kann.
  • Ein Zeitrad als Unterstützung: Zur Veranschaulichung hilft es, sich die 24 Stunden eines Tages gemeinsam anzuschauen und festzulegen, welche Zeiten für Schlaf, Schule, Sport, Vereine, Musikinstrumente, Familie und Freunde reserviert ist. Dann kann überlegt werden, was mit dem Rest der verfügbaren Zeit passiert und wie viel Zeit davon Screen-Time sein könnte.
  • Maximalzeit vor dem Bildschirm: Bis zum 2. Geburtstag sollten Kinder gar nicht vor Bildschirmen sitzen, im Vorschulalter sind 20-30 Minuten ein guter Richtwert, zu Beginn der Volksschulzeit können es bis zu 50 Minuten sein. Für ältere Kinder eignen sich starre zeitliche Limits eher weniger, dafür gemeinsam vereinbarte Regeln.
  • Bewusst fernsehen: Schon vor dem Fernsehen besprechen, was und wie lange geschaut werden darf. Nicht zappen und Sendungen nach Möglichkeit bis zum Ende anschauen.

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