Erziehung

Wie es sich anfühlt, wenn Kinder ein Geschwisterchen bekommen

Mein kleines Geschwisterchen

Geschwisterchen bekommen - so fühlt es sich an

Wenn ein Baby geboren wird, stellt das die Erstgeborenen-Welt auf den Kopf. Wie sollen Eltern mit Eifersucht umgehen? Und wie ist es, plötzlich große Schwester oder großer Bruder zu sein?

Stolz zeigt Livia es her, das Piratenschiff aus Legosteinen, das sie gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester Veronika gebaut hat. Die beiden spielen ausgelassen mit den Piraten, die am Deck des Schiffes sitzen, zeigen die Stufen, die sie gebaut haben, und die Rutsche, die vom Schiff ins Wasser führt. Dann kuscheln sich in ihrem Stockbett für den Fotografen eng aneinander und halten stolz ihre Lieblingsstofftiere in die Kamera – Livia den Panda mit den großen Augen und Veronika den Löwen mit der dichten Mähne.

Als Veronika vor fünf Jahren geboren wurde, war die Schwesternliebe nicht von einem Tag auf den anderen da. Livia war damals knapp drei Jahre alt und musste sich erst daran gewöhnen, dass sie Mama Simone Axmann und Papa Gregor Novak nicht mehr für sich alleine hatte. Der Tagesablauf orientierte sich plötzlich nicht mehr nur am bisherigen Einzelkind – plötzlich war jemand da, der auch viel Aufmerksamkeit von den Eltern brauchte.

Familie Axmann-Novak

Familie Axmann-Novak

Als Simone Axmann mit ihrer Tochter Veronika schwanger war, besuchte sie mit der damals knapp dreijährigen Livia einen Geschwisterkurs. „Wir haben ihr alles erklärt und versucht, viel Zeit mit ihr zu verbringen – Eifersucht lässt sich aber ab und zu nicht vermeiden“, sagen Simone Axmann und Gregor Novak.

Kurs zum Kennenlernen

Schon vor Veronikas Geburt ging Simone Axmann mit Livia in einen Kurs, in dem die bald schon große Schwester alles über Babys lernte, wie man sie wickelte und versorgte. „Ich wollte meiner Tochter alles rund ums Baby näherbringen“, sagt Simone Axmann, „und habe Livia deshalb auch Bücher für ältere Geschwister vorgelesen. Dennoch war es nach der Geburt nicht leicht für sie, und es war auch Eifersucht im Spiel, weil Veronika natürlich viel Aufmerksamkeit benötigt hat.“

Die Eltern haben deshalb auch ganz bewusst Zeit für Livia eingeplant: Während einer sich um Veronika gekümmert hat, hat der andere mit der Älteren etwas unternommen. „Wir sind mit Livia oft auf den Spielplatz oder in den Zoo gegangen und wollten ihr dadurch ganz bewusst zeigen, dass sie nicht zurückgesetzt wird, nur weil die kleine Schwester jetzt da ist“, erinnert sich Papa Gregor Novak.

Nicht mehr alleine

Die Gefühle von Livia kennen nur allzu viele Kinder, leben in Österreich doch knapp 300.000 Familien mit mehr als einem Kind unter 15 Jahren. Und für jedes, gleich, ob noch Kindergarten- oder schon Schulkind, ist es eine große Veränderung, wenn man plötzlich nicht mehr alleine ist. Der Abschied vom Leben als Einzelkind verläuft dabei nie gleich, ist von Kind zu Kind verschieden und auch stark vom Alter abhängig:

Manche Kinder freuen sich von Beginn an auf die Rolle als große Schwester und großer Bruder, andere brauchen erst, um sich daran zu gewöhnen, und lehnen das kleine Geschwisterchen anfangs ab, entwickeln mitunter sogar Aggressionen. Das Gefühl der Eifersucht spielt dabei immer eine Rolle, bei manchen mehr, bei anderen weniger. Kein Wunder, immerhin muss man nicht nur sein Leben, sondern auch die Aufmerksamkeit von Mama und Papa, den Großeltern und allen anderen Verwandten plötzlich teilen. Wenn dann anfangs Besuch kommt und sich in erster Linie alles um das Baby dreht, es Geschenke und Zuwendung bekommt, können sich die Älteren schnell zurückgesetzt fühlen – je kleiner die Kinder, desto stärker ist das Gefühl.

Geschwisterkurs: Vorbereitung für Erstgeborene
Ein Geschwisterkurs ist eine liebevolle und kindgerechte Vorbereitung auf das Geschwisterchen für Erstgeborene

Kinder-Geburtsvorbereitungskurs: Ein Geschwisterkurs für Erstgeborene

Mit ein Grund, weshalb Elisabeth Mack die Geschwisterschule ins Leben gerufen hat. Seit zehn Jahren veranstaltet die Sonderkindergartenpädagogin, Frühförderin bei und Inhaberin des Instituts für Frühpädagogik – die Kinderbetreuer, in Salzburg Vorbereitungskurse für ältere Geschwister.

Dort stehen sie im Mittelpunkt und werden auf die Geburt des neuen Geschwisterchens vorbereitet. Am ersten Tag lernt man alles über das Baby: wie es im Bauch der Mutter heranwächst, was eine Hebamme macht, wie eine Geburt abläuft. Die Kinder dürfen auch einen Kreißsaal besuchen und lernen spielerisch, wie sich Mama fühlt, wenn sie ein Baby im Bauch hat. Die Trainerin bindet ihnen dann Stofftiere um. „Wie fühlst du dich damit?“, fragt Elisabeth Mach die Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren – um ihnen zu vermitteln, dass es für die Mütter auch beschwerlich sein kann, schwanger zu sein. Am zweiten Tag lernen die Kinder, wie man Babys füttert, badet und wickelt.

Das Highlight: der Besuch auf der Neugeborenenstation des Diakonissen Krankenhauses Salzburg. „All diese Übungen“, sagt Elisabeth Mack, „dienen dazu, dass die Kinder ein besseres Verständnis für die Aufgaben ihrer Eltern und für das neue Geschwisterchen bekommen. Je mehr man sie einbindet, desto mehr verstehen sie auch gewisse Dinge. Etwa, warum Mama sich nicht um sie kümmern kann, wenn sie gerade die kleine Schwester oder den kleinen Bruder stillen muss.“

Wie mit Eifersucht umgehen

Auch Judith Kreuzeder hat mit ihrem drei Jahre alten Sohn Eliah einen der Kurse der Geschwisterschule besucht. Mittlerweile ist die kleine Hannah auf der Welt, vier Monate alt, und das Familienleben hat sich auf die neue Situation eingestellt. Anfangs ist es Eliah jedoch schwergefallen, zu akzeptieren, dass er nicht mehr alleine Mamas und Papas Liebling ist.

Für die Mutter keine leichte Situation: „Eliah ist eigentlich ein ruhiges Kind. Doch kurz nachdem wir mit Hannah nach Hause gekommen sind, hat er richtige Wutanfälle bekommen und wollte auf Hannah draufspringen. Ich musste in dieser Zeit sehr auf sie aufpassen.“ Doch die Eifersuchtsattacken besserten sich von Woche zu Woche – und mittlerweile ist Eliah ein besonders stolzer großer Bruder, der gern mit seiner Schwester kuschelt und mit ihr redet.

Dass Eifersucht ein durchaus normales Gefühl ist, bestätigt auch Kinderexpertin Elisabeth Mack. Sie sagt, dass man eines nie tun darf: auf die Erstgeborenen zu vergessen und den Fokus nur auf das Baby zu legen, etwa indem Besucher nur ihm Geschenke mitbringen und sich nicht mehr um das ältere Geschwisterchen kümmern.

Klassische Signale für Eifersucht:

  • wenn das Kind sich zurückzieht,
  • kleinere Kinder wieder Babysprache verwenden.

Abhilfe kann man laut der Expertin nur schaffen, wenn man auf seine Kinder eingeht. „Das gelingt“, so Elisabeth Mack, „mit den drei Z: Zeit, Zärtlichkeit und Zuwendung. Wenn ein Baby da ist, bleibt für die Betreuung des erstgeborenen Kindes weniger Zeit übrig. Man kann etwa Verwandte und Freunde fragen, ob sie mit dem Kind etwas unternehmen können. Auch viel körperliche Zuwendung sowie fixe Rituale können helfen.“

Ein großer, stolzer Bruder

Noch ganz neu ist die Rolle des großen Bruders für Maximilian Rosmann aus Wiener Neustadt. Vorsichtig, aber auch sehr stolz trägt der Achtjährige seinen Bruder Raphael durchs Kinderzimmer. Liebevoll legt er dann das Baby ins Bettchen auf den kuscheligen blauen Barbapapa und streicht ihm sanft über den Kopf. Seit acht Wochen ist Raphael nun auf der Welt – und die Rolle des großen Bruders ist für Maximilian noch ungewohnt, wenngleich er mit großer Freude davon erzählt, wie er seinen Bruder zum ersten Mal im Spital gesehen hat und er seiner Mama Carolin daheim hilft.

„Wir haben ihn“, erzählen Carolin und Nikolaus Rosmann, „sehr intensiv eingebunden. Man muss einem Kind auch etwas zutrauen, etwa dass Maximilian Raphael herumtragen darf. Aber natürlich haben wir als Eltern die Verantwortung.“ Damit Maximilian auch viel Extrazeit mit seinen Eltern genießen kann, geht Papa Nikolaus mit ihm oft gemeinsam Tennisspielen.

Carolin Rosmann betont auch, wie wichtig extra Kuschelzeit ist: „Unter der Woche lege ich mich mit den beiden hin und lese Maximilian vor, Raphael schläft meist gleich mit ein. Freitag und Samstag wird Raphael zuerst hingelegt. Dann nehme ich mir Zeit für meinen älteren Sohn und lese ihm vor. Wir genießen diese Abende sehr.“
Maximilian hat schon große Pläne mit seinem kleinen Bruder: „Ich möchte mit ihm viel spielen, wenn er älter ist. Wie man Tennis spielt, mag ich ihm auch beibringen, dann können wir ein Doppel gegen Papa spielen.“ Doch bis das so weit ist, wird der kleine Raphael noch ein wenig wachsen müssen – und sein großer Bruder Maximilian wird ihm bis dahin ganz viel beibringen können.

Familie Rosmann

Seit 28. Oktober ist Familie Rosmann aus Wiener Neustadt zu viert. Doch neben der Pflege von Raphael schauen Carolin und Nikolaus Rosmann auch, dass ihr Erstgeborener, Maximilian, 8, nicht zu kurz kommt: „Wir binden ihn in Raphaels Betreuung mit ein. Aber wir schauen auch, dass jeder von uns so oft wie möglich alleine Zeit mit ihm verbringt.“

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