Nachhaltigkeit

Aller Anfang ist …….. gar nicht so schwer!

5 Parade-Ökos erzählen, wie sie ihren Alltag mit Familie nachhaltig gestalten, was ihnen leicht fällt - und wo sich auch sie schwer tun.

 

HILDEGARD AICHBERGER (52)

Die Managerin des Umweltbundesamts achtet den Wert der Dinge.

Die Tochter von Hildegard Aichberger (52) ist begeisterte Gamerin. Den Großteil ihres Computers musste sich die 11-Jährige selbst erarbeiten. Das war der Mutter wichtig. „Sie musste sparen und hat auch alte Sachen dafür verkauft“, erzählt Aichberger. „Jetzt ist der Computer das Wertvollste, das sie besitzt“. Die Achtlosigkeit der Wegwerfgesellschaft möchte die studierte Physikerin, die seit Mai das Umweltbundesamt leitet, nicht hinnehmen, der Tochter jedenfalls Werte vermitteln. „Ich bin aufgewachsen mit Wünschen auf Weihnachten, das hatte Qualität. Dass heute alles sofort verfügbar ist, macht das Leben wertlos“, sagt Aichberger.

Dass wir in einem System leben, in dem niemand innerhalb des ökologisch vertretbaren Fußabdrucks bleiben kann, damit hat sich Aichberger mehr oder weniger abgefunden. Anspruch, perfekt zu sein, hat sie keinen. Ihre wichtigste Erkenntnis: „Je älter ich werde, desto wahrer wird: Alles ist beschränkt, inklusive meiner Energie und Aufmerksamkeit. Ich merke: Weniger zu konsumieren, weniger zu besitzen, dafür aber bewusst, macht mich glücklich.“ Aichbergers jüngste Errungenschaft ist die Autolosigkeit. „Ich hatte schon länger den Plan gehabt, das Auto abzugeben. Zuletzt hatte ich ein Elektroauto als Firmenwagen. Es wird einem zu leicht gemacht, einen Dienstwagen zu haben“, sagt sie. Jetzt genießt sie die Freiheit des Klimatickets: „Es fühlt sich erleichternd an, sich nicht um Vignetten, Parkplätze oder Reparaturen kümmern zu müssen.“

„Ich habe gemerkt: Es geht mir besser und tut mir gut, wenn ich weniger konsumiere und dafür das Besondere achte.“

 

 

LYDIA MATZKA-SABOI (49)

Die Klima-Journalistin zelebriert Zugreisen.

„Wir suchen uns die Urlaubsziele immer auch nach dem Bahnangebot aus“, sagt Lydia Matzka-Saboi (49). Gemeinsam mit ihrem Mann und dem 13-jährigen Sohn Imre geht es diesen Sommer mit dem Direktzug nach Hamburg und dann mit dem Deutschland-Ticket weiter an die Ostsee. „Wir reisen gerne mit dem Zug, so nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“,“ sagt die Klima-Ressortleiterin der Zeitung „Heute“. „Längere Zugstrecken, etwa nach Paris, Brüssel, Krakau, Rom, Venedig oder Berlin haben wir mit Gesprächen, Kartenspielen, Musikhören, Filmschauen und Bücherlesen fein genutzt. Wir schätzen dann immer die gemeinsame Zeit, das Einstimmen auf den gemeinsamen Urlaub.“ Auch mit Kleinkind war man vor allem mit dem Zug unterwegs, die Distanzen waren aber bewusst weniger weit gesteckt. „Irgendwann wollen wir nach New York und zu den Pyramiden nach Gizeh“, sagt die Journalistin, „da werden wir dann wohl auch mal fliegen“. Auto hat die Familie keines. Auch früher, in ihrer Kindheit und Jugend in Zirl bei Innsbruck habe das Auto kaum eine Rolle gespielt. „Konsum hatte bei uns nie einen hohen Stellenwert. Dafür hatten wir einen großen, schönen Garten, eigenes Obst und Gemüse und eine Blumenwiese, die Schmetterlinge und Bienen anlockte“, erinnert sie sich. Heute lebt ihre Familie bewusst in einer 3-Zimmer-Wohnung mit kleinem Balkon in Wien-Donaustadt. „Wir wollen gut öffentlich angebunden leben. Die U-Bahn ist mir sehr wichtig. Unsere Motivation war mehr Grün. Ich liebe die Alte Donau und die Lobau.“ Eine perfekte Öko sei sie sicher nicht: selbst esse man wenig Fleisch, kaufe beim Essen strikt bio, regional und bevorzugt saisonal. Nur Puma, die adoptierte 18-jährige Katze, ließ sich nicht überzeugen. „Ich wollte sie mal auf Biofutter umstellen, aber sie liebte einfach das Futter, das sie bei den Besitzer*innen davor bekommen hat. Keine Chance, die Katze war sturer.“

„Ich wollte unsere Katze mal auf Biofutter umstellen, aber sie liebte einfach das Futter, das sie bei den Besitzer*innen davor bekommen hat.“

 

 

CHRIS CUMMINS (45)

Der Radio-Moderator fährt an 365 Tagen im Jahr Rad – und lernt von seinem Sohn.

In seinem Mobilitätsverhalten ist Chris Cummins (45) vorbildlich. Er fährt an 365 Tagen im Jahr mit dem Rad, „bei jedem Wetter, ich liebe es, auch bei Schneematsch und Minusgraden“, sagt der gebürtige Brite und Wahlwiener, „den frischen Start in den Tag, die Bewegung, die Zeit für mich selbst“. Trotzdem gebe es da ein Tabu, wie der Radiomoderator und Journalist bekennt: „Mir ist wirklich wichtig, dass mein Sohn eine Beziehung zu den Großeltern hat.“ Deshalb fliegt die dreiköpfige Familie einmal im Jahr nach England. „Ich weiß, das ginge auch mit dem Zug. Aber 14 Stunden mit einem kleinen Kind, das war uns bislang zu mühsam.“ Mittlerweile ist Sohn Charlie allerdings 7 Jahre alt. „Wir werden das mit dem Zug also bald einmal probieren.“

Tatsächlich ist Charlie jemand, der nachhaltiges Verhalten einfordert, erzählt der Vater: „Er sieht sich gerne die Sendung ‚Checker Tobi‘ an und erklärt mir danach in seinen Worten Zusammenhänge; etwa warum Plastik schlecht ist und die Ozeane belastet. Ich lerne von seinem direkten emotionalen Bezug zur Umwelt: Ein Feuchttuch im Klo ist in seinen Augen kein abstraktes Problem, sondern eine Gefahr für die Schildkröten im Meer – und daher kein Bagetelldelikt!“ Chris Cummins, der auf Radio FM4 die beliebte Sendung „Sunny Side up“ moderiert und für seine Umweltreportagen ausgezeichnet wurde, ist überzeugt: „Wir könnten von Kindern lernen. Die sind wahnsinnig empathisch.“

„Die Welt wird sich nicht nur durch Held*innen positiv verändern, sondern wenn viele Leute sehen, dass ökologisch zu leben Sinn macht und eine Freude ist und kein Verzicht.“

 

 

PETRA JENS (48)

Die Fußgängerbeauftragte der Stadt Wien geht mit gutem Beispiel voran – und übersiedelte den Familienhaushalt mit dem Lastenrad.

Eine Öko ist sie seit sie 6 oder 7 Jahre alt war, sagt Petra Jens. Das Engagement der eigenen Eltern zeigte Wirkung. Damals drohte der Ausbau einer Straße zur Schnellstraße einen Park in der Nachbarschaft zu zerstören. Eine Bürger*inneninitiative der Eltern habe das verhindert. „So habe ich schon als Kind erlebt, was sich bewirken lässt.“ Die Besetzung der Hainburger Au, später der Atomunfall von Tschernobyl, all das habe sie geprägt, sagt die Agrarwissenschafterin, die seit 2013 als Fußgängerbeauftragte der Stadt Wien die  Mobilität in der Bundeshauptstadt aktiv mitgestaltet. Auch wenn die drei Kinder bereits groß sind (24, 21 und 19 Jahre alt) und nur noch zwei zu Hause leben: die sozialen und ökologischen Auswirkungen des eigenen Tuns waren und sind immer Thema. Etwa bei Tisch („Wir ernähren uns vegan bis fleischarm in den unterschiedlichsten Abstufungen. Die Kinder sind am strengsten.“). Derzeit beschäftigen die Familie etwa die Auswirkungen des Onlinehandels aufs Stadtleben: „Der Boom generiert Zustellfahrten in der Stadt, was den Straßenraum belastet“. Wobei Jens’ Familie meist versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Am eindrucksvollsten 2006 als der ganze Freund*innenkreis zusammengetrommelt wurde, um einen Wohnungsumzug mit drei kleinen Kindern ins transdanubische Wien mit Fahrradanhängern und Lastenrädern organisiert wurde. „Ich hatte mir das selbst nicht vorstellen können. Es gab ein Buffet und ein kleines Übersiedelungsfest. Es war schön – und bleibt für alle unvergesslich.“

„Ein Kind ändert alles im Leben. Deshalb sollte man sich gut überlegen, wie man als Familie mobil sein und ob man wirklich völlig von einem oder gar zwei Autos abhängig sein möchte.“

 

 

GERFRIED KOCH (60)

Der Kleinstadtentwickler setzt auf Inspiration und Vorbildwirkung.

„Ich muss natürlich leben, was ich predige“, sagt Gerfried Koch (60). Er leitet das Klima- und Energiereferat der Stadt Baden. Als solcher ist der studierte Urwaldforscher dafür verantwortlich, dass die niederösterreichische Kleinstadt seit 2011 durch zahlreiche vorbildliche Initiativen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz auf sich aufmerksam machte. Seit langem wohnt er mitten in Baden in einem der ältesten, 1920 gebauten und mittlerweile sanierten und um eine Photovoltaikanlage und Solarthermie erweiteren Reihenhäuser Österreichs. „Wir wohnen zu viert auf wenig Raum“, sagt er. So lässt sich im Alltag von Frau Jasmine (53), Florentin (16) und Hemma (12) gut ohne Auto zurechtkommen. „Wobei wir immer ein Auto hatten, jetzt halt ein Elektroauto. Aber wir waren die ersten in Baden mit einem Lastenrad, das wir damals direkt aus Dänemark importiert haben“.

Die Vorbildwirkung hält Gerfried Koch für entscheidend. „Ich trage selbst gutes gebrauchtes Gewand aus dem Tauschmarkt, das ist auch in einer Führungsposition möglich.“ Kindergewand gibt er gerne an Kolleg*innen mit kleineren Kindern weiter. Selbst habe er auch gebrauchte Kleidung von der Vizebürgermeisterin bekommen. „Wenn ich selbst an 320 Tagen im Jahr mit dem Rad zur Arbeit komme, sehen die Kolleg*innen im Rathaus, dass das geht.“

„Wenn mein eigenes Rad vor dem Rathaus steht, sehen andere, dass es geht. Die Kolleg*innen, die mit dem Rad zur Arbeit kommen, sind mehr geworden.“

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