Wir möchten keine gemeinsame Stunde des Lernens missen!

Petra Jens Stadt Wien
Bildung

„Autofreie Schulvorplätze erlauben einen stressfreien Schulbeginn“

schulweg üben kind

Petra Jens, Fußgängerbeauftragte der Stadt Wien, spricht im Interview über Herausforderungen am Schulweg und das Problem „Elterntaxi“.

Sie sehen im Schulbeginn einen besonders wichtigen „Life-changing Moment“, an dem das künftige Mobilitätsverhalten von Kindern maßgeblich geprägt wird. Was können Eltern hier falsch machen?
Wichtig ist es, schon lange vor dem Schuleintritt möglichst oft mit dem Kind draußen zu Fuß unterwegs zu sein. Das Kind lernt den Schulweg kennen und entwickelt schon früh ein Gespür für die Stadt und den Verkehr. Der gemeinsame Weg zur Schule ist Quality Time, die Eltern und Kind zusammen verbringen, und kann jede Menge Spaß machen. Plaudern, gemeinsam die Stadt entdecken und fröhlich am Ziel ankommen. Wenn das Kind den Schulweg kennt, kann es ihn irgendwann auch alleine gehen. Es wird richtig stolz sein, wenn es den Schulweg zum ersten Mal alleine gegangen ist – und das stärkt das Selbstvertrauen.

Ihr erklärtes Ziel ist es, den Autoverkehr vor Schulen weitestgehend zu beruhigen und das Verkehrsaufkommen stark zu reduzieren. Sie schlagen vor, belebte Schulvorplätze zu schaffen, in denen sich Kinder frei bewegen können. Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Eltern von Ihrem Vorhaben begeistert sind.
Autos halten in zweiter Spur, Türen werden aufgerissen, Wendemanöver und Gehupe, dazwischen jede Menge Kinder. Jedes fünfte Volksschulkind in Wien wird mit dem Auto zur Schule gebracht. Oft gut gemeint, schafft das „Elterntaxi“ alles andere als Sicherheit: Weder für das eigene, noch für alle anderen Kinder. Autofreie Schulvorplätze erlauben Kindern Bewegungsfreiheit und einen stressfreien Schulbeginn. Sicherheit erlangen Kinder, wenn sie möglichst oft zu Fuß unterwegs sind – anfangs in Begleitung, später alleine. Nur so können sie lernen, sich im Straßenraum richtig zu verhalten.

In Salzburg sorgte ein Fahrverbot vor Schulen für heftige Diskussionen. Was sind denn Erfahrungen in Salzburg?
Was wir aus anderen Städten erfahren haben, ist, dass jedes Fahrverbot mit intensiven Gesprächen einhergehen muss. Einfach nur eine Tafel aufzustellen, ist zu wenig! Es braucht Zeit für Kommunikation, um Verständnis und auch ein gewisses Maß an Begeisterung für eine kinderfreundliche Schulumgebung zu schaffen.

Was genau zeichnet denn das Modell der von Ihnen propagierten „Schulstraße“ aus? Welche Erfahrungen hat man damit etwa in Südtirol gemacht, wo es die Schulstraßen schon länger gibt?
Bei der „Schulstraße“ handelt es sich um ein zeitlich eingeschränktes Fahrverbot vor Volksschulen. Dort ist es kurz vor bis kurz nach Schulbeginn für ca. eine halbe Stunde nicht gestattet, mit einem Auto durchzufahren. Oft gilt dies auch zu Mittag, wenn die meisten Schulkinder das Gebäude verlassen. Diese Maßnahme hat sich international bewährt. In Südtirol gibt es beispielsweise so gut wie vor jeder Volksschule eine Schulstraße. Die Kinder kommen aktiver zur Schule, die Unfälle gingen deutlich zurück. In Wien wird es im Herbst 2018 ebenfalls einen Pilotversuch mit einer Schulstraße geben.

Um den Schulweg per pedes für Kinder besonders attraktiv zu machen, propagieren Sie das „Abenteuer zu Fuß zur Schule“. Wie können Eltern den Schulweg Ihrer Kinder möglichst abenteuerlich gestalten, ohne dass dabei erhöhte Sicherheitsrisiken entstehen?
Der Schulweg kann eine wertvolle Zeit für Eltern und Kind sein. Dafür braucht es nicht viel. Erzählen Sie, wie es früher war oder was Sie selbst als Kind am Schulweg erlebt haben. Es gibt unendlich viele Spiele, die man sich ausdenken kann – sei es, von Pflasterstein zu Pflasterstein zu hüpfen oder alle roten Autos zu zählen. Entdecken Sie gemeinsam die kleinen Sensationen der Straße – Kastanien, Steine, Schaufenster – und sprechen Sie darüber! Planen Sie auf dem Nachhauseweg, wo immer es geht, Pausen zum Spielen ein.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Schulweg durch automatisiertes Fahren mittelbis langfristig verändern? Drohen hier Kindern neue Gefahren?
Es gibt zwei Szenarien. Das eine beschreibt Autoroboter als die besseren Autofahrer. Der Verkehr wird langsamer und sicherer, Kinder können sich freier bewegen. Das andere Szenario schränkt Kinder noch weiter ein, um den neuen Fahrzeugen Platz zu machen. Sei es, dass Straßen nur mehr an bestimmten Stellen gequert werden können oder jedes Kind einen Chip mit sich tragen muss, um sicher als solches erkannt zu werden.

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