„Bei den Jüngsten müssen Hals und Kopf besonders geschützt werden“
Lotta Jakobsson ist Sicherheitsexpertin beim Autohersteller Volvo. In unzähligen Crashtests hat sie erforscht, welche Art von Sitzen Kinder im Fall eines Unfalls bestmöglich schützen. Hier spricht sie über die Meilensteine bei der Entwicklung der Kindersicherheit in Autos.
Wann wurde die Basis für moderne Kindersitze gelegt?
Lotta Jakobsson: Die Kindersicherheit in Autos wurde 1964 mit dem ersten Prototypen eines Kindersitzes zum Schutz des Kindes in Göteborg geboren. Bereits 1967 bot Volvo den ersten als Kindersitz angepassten Autositz mit speziell gepolsterter Rückenlehne, Becken- und Hosenträgergurt an. Zehn Jahre später folgte der zweite Meilenstein, das von Volvo erfundene Gurtkissen, das für optimalen Sitz des Sicherheitsgurtes sorgte. 1989 wurde das International Standardization Organization Committee zur Entwicklung von Rückhaltesystemen in Autos gegründet, das internationale Sicherheitsstandard entwickelt.
Welche Standards sind auf Initiative dieses Komitees entwickelt worden?
Der bekannteste Standard ist wohl ISOFIX. 1999 wurde ISOFIX in vielen Ländern zum Standard für die sichere Verbindung des Kindersitzes mit dem Auto. Es erleichtert die Befestigung der Kindersitze in Autos ungemein. Ein weiterer Meilenstein waren die von Volvo erfundenen, integrierten Kindersitzerhöhungen. Deren Bedeutung wird in der Zukunft noch viel wichtiger werden, weil Mobilität verbunden mit häufigem Fahrzeugwechsel flexible Lösungen erfordern wird.
Was sind die Grundprinzipien der Kindersicherheit in Fahrzeugen?
Um das Kind im Auto zu schützen, gibt es zwei Hauptprinzipien. Bei den Jüngsten müssen Hals und Kopf besonders geschützt werden. Und bei den älterern Kindern muss das Gurtsystem, das auch die Erwachsenen schützt, auf ihre Körpergröße angepasst werden. Bei unter vier Jahre alten Kindern bieten Reboarder, also entgegen der Fahrtrichtung angebrachte Kindersitze, den bestmöglichen Schutz. Denn dann wird der im Vergleich zum Körper große und schwere Kopf im Falle eines Zusammenstoßes nicht nach vorne geschleudert und die Gefahr von Nackenverletzungen wird verringert.
Worauf müssen Eltern beim Transport von Kindern im Auto unbedingt achten?
Ich denke, das Wichtigste sind altersgerechte Rückhaltesysteme. Die kleinsten Kinder brauchen passende Kindersitze, ältere ein an ihre Größe angepasstes Gurtsystem. Eltern sollten Kindersitze immer fix mit dem Fahrzeug verbinden und das Kind darin gut anschnallen. Nach hinten gerichtete Kindersitze bieten mehr Sicherheit im Falle eines Frontalzusammenstoßes. Der kann jeden Autofahrer treffen.
Welcher Kindersitz passt für welches Kind?
Eltern beginnen üblicherweise mit einer Babyschale, in der sie das Kind auch tragen können. Die Babyschale wird rund ein Jahr verwendet. Dann steigen sie in einen Kindersitz mit eigenem Befestigungsgeschirr um, am sichersten ist wie gesagt ein nach rückwärts gerichtetes Modell. Wichtig ist, dass diese fix mit dem Fahrzeug verbunden sind und das Kind darin gut angeschnallt werden kann. Im Alter von vier Jahren haben die meisten Kinder die Größe und Kraft, um mit dem klassischen Dreipunktgurt im Fahrzeug gesichert werden zu können. Voraussetzung dazu ist aber ein Booster, der den Körper des Kindes in jene Position bringt, in der es vom Gurt optimal gesichert ist, also in der passenden Höhe. Booster sollten Kinder bis zu einer Körpergröße von 140 Zentimetern oder einem Alter von 10 Jahren begleiten.
Welche Sicherheitseinrichtungen wird es in Zukunft für Kinder in Fahrzeugen geben?
Wir stehen hier an einer Zeitenwende, denn durch das autonome Fahren müssen wir Sicherheitseinrichtungen entwickeln, die auch dann helfen, wenn die Insassen andere Dinge im Fahrzeug machen als nur zu sitzen und zu fahren. Wir entwickeln dafür neue Schutzsysteme für neue Sitztypen. Das gilt selbstverständlich auch für die Sicherheit von Kindern in den Fahrzeugen. Wir müssen auch Lösungen dafür finden, dass ein Fahrzeug von mehreren unterschiedlichen Menschen oder Familien am Tag genutzt wird und das hier die Sicherheitseinstellung sich den jeweils neuen Passagieren möglichst automatisiert anpassen.
„Das Wichtigste sind altersgerechte Rückhaltesysteme.“
Dr. Lotta Jakobsson
Sicherheitsexpertin im Volvo Cars Safety Center
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