„Corona und Du“ – Infoportal begleitet Kinder und Jugendliche imSchulalltag
In Zeiten der Covid-19-Krise möchte das Infoportal www.corona-und-du.info Kinder und Jugendliche stärken und sie vor psychischen Problemen schützen.

Pünktlich zum Schulstart gibt es ein neues Angebot auf der Website, die die Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU Klinikums München gemeinsam mit der Beisheim Stiftung im Mai ins Leben gerufen hat: konkrete Handlungstipps, die sich auch gut im (Schul-)Alltag anwenden lassen, zum Beispiel zum Thema „Positive Botschaften“.
Unterstützung für Kinder und Jugendliche
„Besonders Kinder und Jugendliche benötigen in der Corona-Krise Unterstützung, wie sie mit den neuen Herausforderungen des Social Distancing und Homeschooling umgehen sollen“, sagt Prof. Gerd Schulte-Körne, Direk-tor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am LMU Klinikum München. „Insbesondere Kinder und Jugendliche, die bereits vor Corona ängstlich waren und bei Belastungen depressiv reagierten, brauchen unsere Hilfe.“ Nach aktuellen Beobachtungen kommen derzeit zunehmend mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen in Folge der Corona-Einschränkungen in die kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz.
„Mit Corona-und-du bieten wir erstmals allen Kindern und Jugendlichen wichtige Informationen zu den drängenden Fragen an, wie sie mit den psychischen Herausforderungen und Belastungen umgehen können“, sagt Prof. Schulte-Körne, der mit seinem Team die Inhalte für das Portal erarbeitet hat. „Wir stärken die Kinder, Jugendlichen und die Eltern durch gezielte Information und bieten praktische Hilfen an. Jugendliche werden direkt angesprochen und es wird nicht, wie so oft, über sie gesprochen. Corona-und-du beantwortet die Fragen, die Kinder und Jugendliche sich in Coronazeiten stellen.“
Schöne Momente in Schulalltag einbauen
Bereits im letzten Schuljahr und jetzt wieder kommen nach den erholsamen Ferien die Sorgen und Ängste der Kinder und Jugendlichen zum Schulbeginn wieder auf. Aber nicht nur die Kinder und Jugendlichen sehen das kommende Schuljahr kritisch, auch Eltern befürchten viele zusätzliche Aufgaben auf sich zukommen, die im Alltag kaum zu lösen sind. „Viele Eltern befürchten, besonders wenn ihre Kinder psychische oder Lernprobleme haben, dass ihre Kinder durch das Homeschooling überfordert sind und weiter den Anschluss verlieren“, sagt Schulte-Körne. „Für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ist die permanente Befürchtung, sich bei anderen anstecken zu können und die damit verbundene Vermeidung von Kontakten zu Gleichaltrigen, eine schwierige Situation.“
Zum Schulstart rät Schulte-Körne den Eltern, Stress zu reduzieren und die Kinder nicht mit zu hohen Erwartungen unter Druck zu setzen. „Es ist wichtig, nicht nur in den Ferien gemeinsam schöne Momente zu verbringen, sondern diese auch in den Schulalltag einzubauen“, sagt er. Kinder und Jugendliche sollten ihre Sorgen und Nöte vertrauten Menschen mitteilen können, zum Beispiel ihren Eltern oder Freunden. Wenn Kinder und Jugendliche aber zu stark psychisch belastet sind, sollten sie nicht zögern, sich Hilfe von Fachleuten zu holen. Hier listet das Portal viele Anlaufstellen auf.
Für Wissenschaftsminister Bernd Sibler leistet dieses Projekt einen wertvollen Beitrag, damit Kinder und Jugendliche möglichst gut durch diese besonders fordernde und ungewöhnliche Zeit kommen. Er betont: „Gerade für unsere Kinder und Jugendlichen hat die Corona-Pandemie den Alltag auf den Kopf gestellt. In dieser Ausnahmesituation müssen wir sie noch mehr als sonst an der Hand nehmen. Wissenschaftlich fundierte Angebote wie das des LMU Klinikums München können dabei eine wichtige Hilfe sein.“
Glückszettel und andere Tipps
Das Kinder- und Jugendportal „Corona und Du“ hat aktuell zusätzlich zu den vielen Infos nun positive Botschaften für einen gesunden Umgang mit psychischen Belastungen und Herausforderungen in der Corona-Krise gestartet. „Wir stärken die eigenen Ressourcen der Kinder und Jugendlichen, und wollen Ihnen die Angst vor den täglichen Herausforderungen nehmen und ganz praktische Alltagshilfen aufzeigen“, ergänzt Schulte-Körne. „Es ist wichtig, sich selbst zu stärken und auch zu wissen, dass man nicht allein mit den Problemen ist.“
Zu den Hilfestellungen gehören unter anderem konkrete Tipps, zum Beispiel wie man sich einen Corona-Tag angenehmer gestalten kann, wie man sich selbst belohnt, wie man anderen eine Freude macht oder wie ein Glückszettel angenehme Gefühle hervorrufen kann. „Die Idee ist, durch positive Beispiele und Ideen den Kindern, den Jugendlichen, aber auch den Eltern Tipps an die Hand zu geben, auf welche kleinen Weichenstellungen sie Tag für Tag achten können“, sagt Annette Heuser, Geschäftsführerin der Beisheim Stiftung. „So kann der Start ins nächste Schuljahr von Beginn an deutlich besser ausfallen als die vergangenen Monate voller Unsicherheiten. Wir alle werden lernen müssen, auch in Zukunft mit Corona umzugehen. Durch unsere Webseite wird es hoffentlich etwas leichter fallen.“
Zum Portal "Corona und du":
Experten-Interview mit Prof. Schulte-Körne
„Corona und Du“ –Interview mit Prof. Dr. med. Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie am LMU Klinikum
Ein neues Schuljahr beginnt – ist dann wieder alles „normal“ im Alltag der Kinder und Jugendlichen?
Wir erwarten aktuell, dass wieder etwas mehr Normalität einkehrt, auch in den Schulen, allerdings sind wir von einer Normalität, wie wir sie vor der Corona-Krise kennen, noch weit entfernt. Im Moment kann niemand wirklich abschätzen, wie lange Kinder und Jugendliche noch mit Einschränkungen in verschiedenen Alltagsbereichen rechnen müssen, auch weiß niemand, ob es eine zweite Welle geben wird. Genau diese Ungewissheit verunsichert viele Familien und deren Kinder, weil es eben keine Planungssicherheit gibt.
Was sind aus Ihrer Sicht häufige Sorgen und Ängste von Kindern und Jugendlichen, was den Start ins neue Schuljahr betrifft?
Die Sorgen und Ängste sind sehr unterschiedlich. Manche Kinder und Jugendliche sind besorgt, dass sie durch die Schulschließungen und das Homeschooling viel Stoff verpasst haben und möglicherweise im nächsten Schuljahr Probleme haben, mit dem vorgegebenen Tempo mitzukommen. Der Kontakt zu einigen Mitschülern war zudem für lange Zeit unterbrochen oder zumindest verändert. Auch darauf können sich ihre Sorgen beziehen, etwa die Sorge, dass Freundschaften beispielsweise im Klassenverband unter der Krise gelitten haben.
Was können Kinder und Jugendliche tun, um ihre Sorgen und Ängste zu überwinden?
Eine wichtige Botschaft, die wir auch über unser Portal „Corona und Du“ vermitteln, ist, dass Kinder und Jugendliche nicht allein bleiben mit ihren Problemen. Es ist wichtig, dass sie ihre Sorgen und Nöte vertrauten Menschen mitteilen, zum Beispiel ihren Eltern oder Freunden. Das schafft oft schon Erleichterung und Unterstützung. Wenn Kinder und Jugendliche aber zu stark belastet sind, sollten sie nicht zögern, sich Hilfe von Fachleuten zu holen. Auch hier setzt unser Portal an und listet viele Anlaufstellen auf.
Welche Spuren haben die letzten Monate bei den Kindern und Jugendlichen hinterlassen, was ihre psychische Gesundheit betrifft?
Wir sehen in der Ambulanz unserer Klinik eine Zunahme von Kindern und Jugendlichen, die vor dem Hintergrund der aktuellen Krise psychische Probleme zeigen, darunter beispielsweise Ängste und depressive Stimmung. Dieser Eindruck wird durch aktuelle Studienergebnisse bestätigt – zum Beispiel durch die Ergebnisse der COPSY-Studie. Dort zeigt sich, dass über zwei Drittel der Kinder und
Jugendlichen in Deutschland angeben, aufgrund der Corona-Pandemie psychisch belastet zu sein. Das ganze Ausmaß der psychischen Belastungen, die die Krise nach sich zieht, wird man erst später abschätzen können. Wir gehen aktuell davon aus, dass die psychischen Folgen der Krise noch lange nachwirken werden, etwa wenn die Eltern arbeitslos geworden sind.
Warum sind gerade Kinder und Jugendliche in der aktuellen Krise besonders gefährdet, psychische Probleme zu entwickeln?
Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich durch die ungewohnte Situation überfordert. Sie wissen oftmals nicht, wie sie mit den Gegebenheiten und den einschneidenden Veränderungen des Alltags (z.B. Schulschließungen, unsichere Schulsituation nach den Schulferien) umgehen sollen. Dazu kommen Sorgen, wie z.B. Schulstoff verpasst zu haben oder Zukunftsängste. Dies kann zu einem Gefühl der Ohnmacht führen.
Die Kindheit und Jugend sind besondere Entwicklungsphasen, in denen Kinder und Jugendliche lernen, besondere Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Insbesondere der Kontakt zu Gleichaltrigen ist für Kinder und Jugendliche wichtig. Wenn dieser wegfällt, kann dies unter anderem zu Einsamkeitsgefühlen beitragen. Auch eine Struktur und ein fester, geregelter Tagesablauf sind für Kinder und Jugendliche wichtig. Diese sind durch die Schulschließungen sowie durch die Schwierigkeit, Hobbies weiterhin nachzugehen, für viele Kinder und Jugendliche weggefallen. Auch familiäre Konflikte können gehäuft auftreten, wenn Eltern und Kinder viel Zeit miteinander verbringen,
vor allem wenn der Wohnraum beengt ist. All diese Faktoren führen dazu, dass Kinder und Jugendliche durch die aktuelle Krise besonders gefährdet sind, psychische Probleme zu entwickeln.
Wie gelingt es Kindern und Jugendlichen trotz Krisen und widrigen Umständen, psychisch gesund zu bleiben?
Aus der Forschung weiß man, dass bestimmte Faktoren dazu beitragen können, dass Kinder und Jugendliche trotz Krisen psychisch gesund bleiben oder sogar psychisch gestärkt durch eine Krise gehen. Dazu gehört unter anderem ein unterstützendes Umfeld, zum Beispiel Freunde, Eltern und Lehrer. Auch eine positive und optimistische Grundeinstellung kann bei der Bewältigung von Krisen nützlich sein. Es kann auch hilfreich sein, eine positive Perspektive einzunehmen, aktiv Probleme zu lösen und mit negativen Gefühlen gut umzugehen, um Krisen und schwierige Situationen besser zu meistern und so psychischer Belastung vorzubeugen. Tipps, wie dies gelingen kann, bieten wir auf der Webseite „Corona und Du“ an.
Haben Sie konkrete Tipps dafür, was Kinder und Jugendliche selbst tun können, um psychisch gesund durch die Corona-Zeit zu gehen?
Kinder und Jugendliche sollten weiterhin Kontakt zu ihren Freunden aufrechterhalten und auch ihren Hobbies nachgehen. Es kann hilfreich sein, den Fokus auf Dinge zu lenken, die trotz Corona-Pandemie gut laufen. Dazu gehören Dinge, wie die kleinen Freuden des Alltags bewusst zu genießen oder sich zu überlegen, wofür man dankbar ist. Auf der Seite „Corona und Du“ haben wir konkrete Denkanstöße und kleine Übungen zusammengestellt, die dabei helfen können. Beispielsweise beinhaltet eine Übung eine Liste mit kleinen Alltagsfreuden, die Kinder und Jugendliche dazu anregen soll, die kleinen Dinge des Alltags zu genießen. Diese Liste kann dann von den Kindern und Jugendlichen selbst ergänzt werden.
Wo können psychisch belastete Kinder und Jugendliche Hilfe finden?
Auf der Webseite „Corona und Du“ haben wir eine Reihe von Anlaufstellen aufgelistet, an die sich Kinder und Jugendliche bei psychischer Belastung wenden können. Dazu gehört unter anderem die „Nummer gegen Kummer“. Auch Jugendämter oder Kinder- und Jugendnotdienste, speziell für Kinder und Jugendliche ausgebildete Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiatrien können
helfen.
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