„Die unkonventionelle Pippi ist ein zeitloses Rolemodel der Emanzipation – für Mädchen wie für Buben!“
Die Historikerin und Autorin Barbara Tóth spricht über das Fürsorge-Dilemma von Frauen und über Pippi als Vorbild für Kinder – besonders in Krisenzeiten.
Was macht Pippi auch in der heutigen Zeit zum Symbol für Emanzipation?
Tóth: Mit ihrer unangepassten, unkonventionellen Art ist sie eine super Kinderfigur. Die Welt infrage stellen, nach den eigenen Regeln leben und den eigenen Weg gehen – diese Eigenschaften machen Pippi zum zeitlosen Rolemodel der Emanzipation – für Burschen wie für Mädchen.
Die großteils von Frauen getätigten Care-Aufgaben sind für viele erst in der Krise so richtig sichtbar geworden. Wie kommen Frauen aus diesem Fürsorge-Dilemma raus?
Tóth: Tasächlich haben sich laut Studien viele Frauen während der Corona-Quarantäne in die 1950er Jahre zurückgeworfen gefühlt, weil sie es vorwiegend waren, die Hausaufgaben betreut, geputzt und gekocht haben. Wir wissen mittlerweile aber auch, dass mehr Männer Fürsorge-Tätigkeiten übernommen haben und zwar weit mehr als in Zeiten vor Corona. Und darin liegt eine große Chance: Viele Männer haben seither wieder mehr Respekt vor diesen Tätigkeiten bekommen und das könnte Paare dazu veranlassen, alltägliche Routinen infrage zu stellen und Aufgaben neu auszuhandeln.
Wie haben Sie diese Situation persönlich wahr genommen?
Tóth: Ich habe gemerkt, wie abhängig ich von Hilfe von außen bin: also Schule, Kindermädchen oder Haushaltshilfe. Denn das eigentliche Fürsorge-Dilemma ist, dass es sich der Mittelstand in normalen Zeiten leistet, dass im Grunde wiederum Frauen – aber eben aus weniger privilegierten Schichten – für sie arbeiten. Da gibt es noch viel zu tun!
Was können Familien sich in punkto Krisenbewältigung von Pippi abschauen?
Tóth: Pippi ist spontan, frech, lustig und eine Meisterin der Improvisation. Und sie verliert nie den Humor.
Pippi ist den bürgerlichen Müttern ein Dorn im Auge. Inwiefern taugt sie aktuell als Vorbild für unsere Töchter (und Söhne)?
Tóth: Pippi schlägt zwar oft über die Stränge, aber ich finde Grenzen ausloten gehört zum Leben dazu. Sie ist außerdem unkonventionell und unordentlich. Aber gleichzeitig selbstständig und insofern ein tolles Vorbild für Kinder. Frauen neigen dazu, im Haushalt alles perfekt zu machen und tun sich oft schwer damit, Aufgaben abzugeben. Dabei tun wir gut daran, mehr zu delegieren, unsere Kinder einzuspannen und so zur Selbständigkeit zu erziehen.
Pippi nimmt Krummeluspillen, um nie erwachsen zu werden. Mit welchen Hilfsmitteln wecken Sie das Kind in Ihnen?
Tóth: Meine beiden Kinder erinnern mich immer wieder an meine eigene Kindheit und das ist im Alltag unglaublich heilsam.
Barbara Tóth
Journalistin und Historikerin
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