Bildung

Digital macht Schule

Die Notwendigkeit digitaler Medien an den Schulen werden wenige bestreiten. Doch viele fragen sich, inwieweit das Risiko der Ablenkung durch Games und sinnbefreites Chatten nicht höher ist als tatsächliche Lerneffekte oder förderliche Gestaltungsspielräume

 

Ab der ersten Klasse Unterstufe – ob Mittelschule oder AHS – erhalten Schüler:innen in ganz Österreich seit dem Schuljahr 2022/23 einen Laptop oder ein Tablet. Digitale Hilfsmittel wie Lernplattformen, Internetvideos, Podcasts oder Apps bieten viele neue Chancen für Lehrende und Schüler:innen. Gerade die Unterrichtsmethodik, sei es in der Erarbeitung von Unterrichtsinhalten oder deren Präsentationen, kann mithilfe digitaler Medien variabler gestaltet werden. Eine multimediale Aufbereitung von Lerninhalten, interaktive sowie individualisierte Lernprozesse können den Unterricht anschaulicher und praxisorientierter gestalten. Außerdem sollten die Schultaschen aufgrund der digitalisierten Schulbücher nicht mehr gefühlte hundert Kilo auf die Waage bringen.

 

Achtung Ablenkung!

Trotz der vielen Vorteile von digitalen Medien im Schulalltag gibt es vermehrt Erziehungsberechtigte sowie auch Wissenschaftler:innen und Pädagog:innen, die die Digitalisierung an Schulen auch mit kritischen Augen betrachten. Weniger aus einer Skepsis der Digitalisierung gegenüber heraus. Einer der größten negativen Aspekte digitalen Lernens ist bekanntlich das hohe Risiko der Ablenkung. Es gilt als erwiesen, dass Kinder und Jugendliche digitale Medien zum überwiegenden Teil zur Unterhaltung nutzen. Die Kinder kommen in diesem Alter bekanntlich auch erstmals mit einem Smartphone in Berührung – dass Kinder ab dem Ende der Volksschulzeit ein Handy bekommen, gilt mehr oder weniger als selbstverständlich. Für die Kinder ist das Smartphone oft schlichtweg ein Unterhaltungsger.t, von dem sie sich meist sehr schwer trennen können. Ähnliches gilt in weiterer Folge oft für den Schul-Laptop bzw. das Tablet. In der Regel haben die Kinder nämlich die Möglichkeit, die schulischen Geräte auch privat zu nutzen. Sogar während des Unterrichts finden die Kids nicht selten Gelegenheiten bzw. Schlupflöcher, um unbemerkt durch Social  Media zu scrollen, zu chatten, zu shoppen oder Videos zu schauen. Kein Wunder, dass es gerade für Eltern mitunter immer schwieriger wird, sozusagen „gegen den Bildschirm“ – gemeint sind sinnbefreites Chatten, Zocken & Co – zu argumentieren. Im Zweifelsfall wird von den Kids behauptet, dass sie „etwas für die Schule machen müssen“. Konflikte und Streitereien rund um Bildschirmzeiten bzw. Zeitlimits stehen längst am Tagesprogramm vieler Familien. Mit leidigen Wortgefechten, bei denen der Nachwuchs Mama und Papa als die einzigen „bösen Eltern weit und breit“ beschimpft, die zum Beispiel ein Fortnite-Verbot über den Laptop verhängen oder auf bestimmte Admin-Einstellungen bzw. Kontrollmechanismen bei den Kommunikationsplattformen bestehen. Und spätestens sobald sich Englisch- oder Matheübungen, die auf einem simplen Zettel wohl oft in wenigen Minuten erledigt sind, am Laptop oder Tablet oft ganze Nachmittage dahinziehen, stellt sich bei vielen Eltern das Gefühl ein, dass Laptop & Co mehr Schaden als Nutzen bringen.

 

 

Qualität geht vor Quantität

Das Thema sei laut Gerhard Brandhofer durchaus zweischneidig. Zum einen könne man nicht davon ausgehen, dass mehr Bildschirmzeit automatisch auch mehr Lerneffekte nach sich ziehe und zum anderen greife die Frage nach dem Nutzen digitaler Medien versus dem Risiko des Schadens zu kurz: „Wir leben in einer Kultur der Digitalität und können sie nicht mehr außer Acht lassen. Deshalb ist es unumgänglich, Schüler und Schülerinnen im Umgang mit digitalen Medien kompetent und mündig zu machen“, sagt der Professor für Medienpädagogik und Digitale Bildung an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich. „Natürlich setzt das voraus, dass die Geräte so genutzt werden, dass diese Kompetenzen tatsächlich gefördert werden“, so Brandhofer. Wenn die Kinder ein Smartphone in der Hand haben, ist das nicht grundsätzlich schlecht, weil es könne ja der Fall sein, dass sie sich weiterbilden. Zum Beispiel mit einer mobilen App eine neue Sprache lernen oder Vokabeln trainieren. „Die Erwachsenen sind da sicher stark gefordert, denn letztendlich liegt es in ihrer Verantwortung darauf zu schauen, dass die Nutzung digitaler Medien qualitativ hochwertig ist. Ich denke, dass sowohl Erziehungsberechtigte als auch Lehrkräfte kontrollieren sollten bzw. dass wir womöglich insgesamt nachvollziehbare und umsetzbare Regeln brauchen und auch Altersbeschränkungen neu definieren und sanktionieren sollten“, meint der Medienforscher. Man wisse aus der Forschung, dass die Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen insgesamt ziemlich hoch ist, während jedoch die qualitative Bildschirmzeit eher niedrig ausfällt. Und genau da müsse man laut Gerhard Brandhofer ansetzen.

 

Fit für die digitale Zukunft

Angesichts digital geprägter Arbeits- und Kommunikationswelten sollte jedenfalls nicht die Diskussion „ja oder nein zu digitalen Medien“ geführt werden. Vielmehr müsste gegenwärtig die Überlegung im Vordergrund stehen, wie Medienkompetenzen im Grunde so früh wie möglich erworben werden: „Wir stehen als Gesellschaft vor der großen Herausforderung, Kompetenzerweiterung in Richtung informatischem Denken durchzuführen. Schulkinder müssen wissen, wie digitale Medien funktionieren, welche Prozesse und Prinzipien dahinter stecken“, erklärt Medienforscher Brandhofer. Medienpädagogische Inhalte seien umumgänglich, um die Kinder schrittweise zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet sowie Künstlicher Intelligenz vertraut zu machen und vor allem auch auf die Gefahren von Social Media, wie etwa Cyber-Grooming oder Cyber-Mobbing vorzubereiten oder vor Fake News, also Falschnachrichten, zu schützen. Für den Schulunterricht plädiert Brandhofer für ein verstärktes Verbinden von Digitalität mit kreativen Prozessen sowie einem intensiveren Einsatz von problemorientiertem Lernen. Zum Beispiel durch Projektarbeiten, die aus unterschiedlichsten Fachbereichen kommen, bei denen die Kinder selbst überlegen müssten, wie sie dieses Projekt mit digitalen Medien umsetzen. Auch das Thema Social Media sollte – im Grunde bereits ab der Volksschule – altersgerecht an die Kinder herangeführt werden. „Basiskompetenzen können bereits im Volksschulalter gefördert werden, indem sie gezielt eingesetzt und auch mit nicht digitalen Lernaktivitäten verknüpft werden“, versichert Gerhard Brandhofer. Um den Kindern informatisches Wissen n.her zu bringen, brauche es teilweise weder Handy noch Laptop. „Es gibt viele spielerische Zugänge, die wir in der Aus- und Fortbildung fördern, denken wir zum Beispiel an die Educational Robotics oder Computer Science Unplugged. So können informatische Prinzipien, zum Beispiel das Funktionieren von Algorithmen oder KI, ganz ohne Computer, sondern beispielsweise mit Zettel und Stift erarbeitet werden“.

 

 

Bildungsgerechtigkeit & Erwachsenenbildung

Warum wir möglichst früh mit der Vermittlung von informativem Wissen sowie medienpädagogischen Inhalten beginnen sollten? „Wir sind nach wie vor eine bildungsungerechte Gesellschaft und verlieren sehr, sehr viele Talente im Laufe der Schul- und Studienzeit. Im Kindergarten und in der Volksschule können wir noch die ganze Breite erreichen, was ab der Sekundarstufe II schon nicht mehr der Fall ist“, sagt der Experte. Laptops oder Tablets an alle auszuhändigen, sei bereits ein riesen Schritt in Richtung mehr Chancengleichheit in der Bildung. Im Übrigen müsse laut Gerhard Brandhofer unbedingt auch das Thema Erwachsenenbildung stärker in den Fokus gestellt werden. „Will man Medienbildung wirklich umfassend fördern, müssen wir nicht nur bei den Kindern ansetzen, sondern auch bei den Eltern. Da brauchen wir sicher noch mehr Intitiativen und Aufklärung, um noch mehr Zielgruppen – vor allem auch aus bildungsferneren Schichten – zu erreichen“. Wie so oft bei Erziehungsthemen kommen Erwachsene schliß.lich auch in der Medienerziehung nicht an der viel zitierten Vorbildwirkung vorbei. Und wohl auch nicht an der Erkenntnis, dass es zwischen der stumpfen, totalen Ablehnung von Digitalisierung und der euphorischen, kritiklosen Zustimmung sehr viel Spielraum dazwischen gibt. Spielraum, den wir als Erwachsene für unsere Kinder verantwortungsvoll gestalten sollten – insbesondere mit Spielregeln, die Rücksicht auf Alter, ausgewogene Nutzungsdauer sowie hochwertige Inhalte nehmen.

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