Gesundheit

Drinnen lassen oder raus? Wann eine Mandeloperation notwendig ist

Mandeloperationen gelten als Routineeingriff. Anders als früher werden sie aber nur durchgeführt, wenn es unbedingt nötig ist. Denn die OP birgt Risiken.

 

Manches will man sich nicht in allen Details vorstellen. Zum Beispiel, dass man schon vor über 2700 Jahren Menschen bei wiederkehrenden Halsentzündungen die Mandeln verkleinerte. Laut historischen Quellen verwendete man dazu entweder ein Messer oder die Fingernägel. Eher nichts für zimperliche Patienten. Das Verfahren, bei dem ein Teil der Gaumenmandeln entfernt wird, nennt sich ‚Tonsillotomie‘. Es ist heute – zusammen mit der vollständigen Entfernung der Mandeln – eine der häufigsten Operationen bei Kindern. Wenn auch mit weit weniger brachialen Mitteln und unter gänzlich anderen hygienischen Bedingungen als vor über zwei Jahrtausenden. „Der Eingriff wird hauptsächlich bei Kindern zwischen drei und acht Jahren vorgenommen“, sagt Peter Franz, Leiter der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung an der Klinik Landstraße und Generalsekretär der österreichischen HNO-Gesellschaft. „Operationen sind aber bis zur Pubertät sehr häufig, also einem Alter, in dem sich die Mandeln wieder verkleinern.“

 

Infektanfälligkeit und Vergrößerung

Es gibt zwei Hauptgründe für eine Mandeloperation bei Kindern: Die Hyperplasie, also Vergrößerung der Mandeln, und eine stark erhöhte Infektionsanfälligkeit. Was passiert, wenn die Gaumen- oder Rachenmandeln massiv vergrößert sind? Atmungsprobleme können die Folge sein. Wenn die Atemwege durch große Mandeln verlegt sind, atmen Kinder nicht durch die Nase, sondern durch den Mund. Dadurch ist die  Zungenlage gestört, was wiederum Störungen der Kiefer- und Zahnstellung begünstigen kann. Auch wiederkehrende Infektionen der Nase und der Nebenhöhlen sind möglich, sowie nächtliche Atemaussetzer und Schlafstörungen und damit erhöhte Müdigkeit und Gedeih- und Entwicklungsstörungen. Bei manchen Kindern sind die Mandeln so stark vergrößert, dass sie sich in der Mitte berühren. Dieses Phänomen nennt man ‚kissing tonsills‘. Klingt putzig, angenehm ist das aber nicht. Als zweite Indikation gelten wiederholte Entzündungen der Mandeln. Dass Kinder immer wieder an Infektionen der oberen Atemwege, auch an den Mandeln, leiden, ist lästig. Bis zu einer bestimmten Häufigkeit ist es aber nicht ungewöhnlich. Kommt es im Laufe eines Jahres zu mehr als sieben Entzündungen bzw. innerhalb von zwei Jahren zu mehr als fünf Entzündungen pro Jahr, können Ärzte empfehlen, die Mandeln entfernen zu lassen.

 

 

Sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung

Mandeloperationen sind im modernen Krankenhausalltag also Routine. Sie stehen allerdings viel seltener am OP-Plan als noch vor vierzig, fünfzig Jahren. Viele aus der heutigen Elternoder Großelterngeneration werden sich erinnern: Früher wurden Kinder fast schon standardmäßig an den Mandeln operiert. „Das änderte sich ab dem Jahr 2006. Damals starben einige Kinder nach der Operation an einer Nachblutung“, sagt HNO-Arzt Peter Franz. Das Risiko einer postoperativen Blutung ist bei der vollständigen Entfernung der Mandeln relativ hoch. Denn die Gaumenmandel wird von mehreren Arterien mit Blut versorgt. Löst sich der Wundschorf von der Rachenwand kann sogar eine Woche nach der Operation noch eine Nachblutung entstehen. Besonders bei Kleinkindern kann eine solche Blutung im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. Beim Anzeichen einer Blutung müssen die Patienten deshalb sofort mit der Rettung ins Krankenhaus. Deshalb wägen Ärztinnen und Ärzte heute sehr genau Risiko und Nutzen einer Operation ab. Und es gilt: Wenn eine Entfernung nicht unbedingt notwendig ist, bleiben die Mandeln drinnen.

Für die Zeit nach der OP bedeutet das: mindestens eine Nacht oder länger im Krankenhaus bleiben, kein Kindergarten- oder Schulbesuch für zwei Wochen und keine körperliche Anstrengung. Was die Kinder freuen wird: In den Tagen nach der Operation sollen sie weiche, kühle Nahrungsmittel essen, um die Wunde nicht zu reizen. Eis eignet sich da besonders gut.

 

Kleines ‚Mandelglossar‘

Spricht man von den Mandeln (Tonsillen), sind meistens die Gaumenmandeln gemeint. Sie befinden sich paarig angelegt im Mund-Rachen-Raum. Sie sind gut sichtbar, wenn man in den Mund schaut. Eine Operation, bei der die Mandeln  vollständig entfernt werden, hei.t ‚Tonsillektomie‘. Bei einer Teilentfernung, ‚Tonsillotomie‘, werden sie verkleinert. Das Risiko einer Nachblutung ist dabei deutlich geringer als bei einer vollständigen Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie). Darüber hinaus gibt es die Rachenmandeln (umgangssprachlich ‚Polypen‘ genannt), die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Auch können vergrößert sein oder zu Entzündungen neigen und in einer Operation entfernt werden (Adenotomie).

Eine Mandeloperation dauert in der Regel 15-30 Minuten.

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