Erziehung

Empathie – Basis des Miteinanders

Freude, Trauer, Mitgefühl, Vertrauen und Liebe sind Gefühle, die als Brücke zu uns selbst führen, aber auch die Verbindung zu unseren Mitmenschen sind, wenn wir sie an anderen wahrnehmen und deuten können.

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Sich in andere hineinversetzen und erspüren, was andere empfinden. Mitgefühl und emotionale Wärme zeigen – Empathie ist ein Begriff mit vielen Facetten. Sie ist das Wahrnehmen und Verstehen von Gedanken, Empfindungen und Erfahrungen eines anderen. Es geht darum, offen zu sein für die feinen Schwingungen, die in zwischenmenschlichen Situationen eine entscheidende Rolle spielen. Die Grundlage der Empathie ist sicher die Wahrnehmung der eigenen Gefühle, denn je offener man für die eigenen Emotionen ist, desto besser kann man auch die Gefühle anderer deuten. Eine Fähigkeit, die schon für Kinder sehr wichtig ist.

Empathie: Erlernen oder in die Wiege gelegt?

Zoe und Lenny sind wie die meisten Geschwisterpaare. Ist alles rund um sie in Ordnung, sind sie oft wie Hund und Katz. Doch die beiden haben ein tiefes Empfinden dafür, wann es dem anderen schlecht geht, er Hilfe braucht oder er sich über etwas freut. „Die Kinder erfassen die Gefühle des anderen ganz instinktiv und gehen darauf ein“, so Nicole, die Mutter der beiden. „Natürlich versuchen wir, ihnen ein gutes Vorbild zu sein und ihnen zu zeigen, wie man mit den eigenen Gefühlen und denen des anderen umgeht“, so die junge Mutter weiter. „Und natürlich auch, dass es keine Schwäche ist, Gefühle zu zeigen.“ Auch im Umgang mit der Urgroßmutter, die im Rollstuhl saß, zeigten die beiden großes Mitgefühl und Verständnis. „Obwohl wir ihnen nicht explizit gesagt haben, dass sie auf die Uroma Rücksicht nehmen müssen, weil sie krank ist, haben sie sich ihr gegenüber ganz anders verhalten.“ Die beiden munterten die alte Dame auf, machten ihre Späße, sangen Lieder für sie und freuten sich, wenn sie sich freute.

Kein Wunder, erklärt Psychologin Sandra Velásquez: „Wir sind gemacht, um uns zu beziehen. Unser ganzes Wesen ist beziehungsorientiert. Wir sind, was wir sind, durch die Beziehung zu den Menschen, die uns empfangen und großgezogen haben. Wir werden das, was wir aus dieser Beziehung in all diesen Jahren von Geburt an erleben. Das verkabelt sich in unserem
Körper und ergibt jene Muster, auf denen unsere Reaktionen auf die Außenwelt basieren. Es beginnt mit der Geburt eines Kindes und seinen Eltern, die von Beginn an selber mitfühlend sind. Wenn die Eltern nicht mitfühlend sind, werden sie die Signale dieses Kindes nicht gut deuten, und dieses Kind wird unnötigen Stress erleben. Zum Beispiel: Das Kind weint, und die
Eltern sind leicht reizbar, sie haben Streit untereinander oder sie sind in einer schlechten wirtschaftlichen Situation, und sie sind so in ihrem eigenen Schmerz und in innerer Sorge verstrickt, dass das Weinen des Kindes als lästig empfunden wird. Dann reagieren sie entweder grob zum Kind oder sie sagen, das Kind soll ruhig weinen und einmal lernen, dass wir nicht kommen, sonst verhätscheln wir das Kind. Was lernt der Körper dieses Kindes? Es ist unerträglich, ich werde großen Schaden nehmen, das heißt, ich darf nichts erwarten, wenn ich weine. Das Kind empfindet also diese große innere Spannung, und irgendwann dissoziiert es die Erwartung vom Schmerz, und das ist dann schon eine Blockade. Wenn ich aber das Gefühl habe, es ist jemand da für mich, entspanne ich mich und erlebe, ich darf fühlen, was ich fühle.“

Mag. Sandra Velásquez, Psychologin

8 Tipps von der Expertin

Mag. Sandra Velásquez, Psychologin

„Kinder lernen am Modell, richtige Erziehung beginnt bei sich selbst.“

  1. Schaffen Sie Grundvertrauen: Selbstbewusstes, empathisches Verhalten ist das Ergebnis von Wertschätzung, Zuneigung und gesunden Grenzen.
  2. Märchen und Geschichten: Schaffen Sie Empathie bei ihren Kindern durch Erzählen von mitfühlenden Geschichten.
  3. Kein Stress bei Eltern: Wer selbst unter Stress steht und bei sich erzeugt, kann kein empathisches Verhalten vorleben.
  4. Enttäuschungen leben: Helfen Sie Ihrem Kind beim Umgang mit altersgerechten Enttäuschungen. Geben Sie ihm Raum, Probleme selbst zu lösen, und räumen Sie nicht alles aus dem Weg.
  5. Helfen Sie Kindern, über ihre Gefühle zu reden: Stellen Sie Ihrem Kind offene Fragen (Wer? Was? Wie? Wo?), um kreative Denkprozesse anzuregen.
  6. Gesunde Grenzen: Vermeiden Sie sowohl einen zu nachlässigen Erziehungsstil als auch eine rigide autoritäre Haltung dem Kind gegenüber.
  7. Besuchsspielzeug: Suchen Sie mit Ihrem Kind gemeinsam zum Beispiel Besuchsspielzeug aus und vermeiden Sie so vorprogrammierten Streit.
  8. Weg mit Smartphone: Wirklich empathische Kommunikation braucht das spiegelnde Gegenüber.

Empathie spielerisch lernen

Das grundsätzliche Aussprechen von Gefühlen ist für die Entwicklung der Empathie besonders wichtig. Eltern sollten ihre Kinder auch direkt nach deren Gefühlen fragen: Was hat dich heute glücklich gemacht? Worüber hast du gelacht? Wann warst du traurig? Wann hast du geweint?

Sind beide Elternteile berufstätig, können sie oft nur wenig Zeit mit dem Kind verbringen und fallen als direkte Vorbilder aus. Natürlich wäre es ungerecht, zu sagen, dass sich die Eltern nicht genug um die Kinder kümmern. Doch das moderne Leben lässt einem wenig Zeit. Und der Fernseher ist hier kein Ersatz. Eine Situation, die auch Theaterpädagogin und Kindergartenhelferin Sonja Strohmeier aus ihrem beruflichen Alltag kennt.

„Grundsätzlich ist Empathie etwas, das man von den Eltern lernt. Unsere Aufgabe in der Tagesbetreuung ist es, das aufzufangen. Wir achten darauf, dass die Kinder zuerst ihre eigenen Gefühle kennenlernen, diese ausdrücken können, am Körper empfinden können. Erst dann sind sie bereit, das auch bei anderen wahrzunehmen. Ich gehe hier theaterpädagogisch ran, wir beginnen zuerst, den Körper wahrzunehmen. Dann gehen wir zu den Gefühlen über und schauen, was welches Gefühl mit unserem Körper macht. Wenn wir uns freuen, dann strahlen wir, unser Körper geht auf. Die Hände gehen nach oben, das Gesicht ist nach oben gerichtet. Genauso beobachten wir, was die negativen Emotionen machen. Diese Gefühle arbeiten wir mit den Kindern durch, auch mit Übungen vor dem Spiegel, bei denen sich die Kinder selbst anschauen.“

Die Kinder sind an den Übungen sehr interessiert und machen gerne mit, denn spielerisch lernt es sich am leichtesten. Und selbst die Jüngsten in der Kindergruppe sind schon mit von der Partie. „Ich glaube, in dem Moment, da es ein Ich-Bewusstsein gibt, gibt es auch ein Bewusstsein für ein Du. Da kann man bereits ansetzen und es ihnen vorleben. Wenn ich erst bei
einem Schulkind beginne, ihm Empathie beizubringen, ist es meines Erachtens nach schon zu spät. Das muss viel früher passiere, das ist etwas, das man schon von klein auf mitnimmt“, so die Theaterpädagogin.
Das grundsätzliche Aussprechen von Gefühlen ist für die Entwicklung der Empathie besonders wichtig. Eltern sollten ihre Kinder auch direkt nach deren Gefühlen fragen: Was hat dich heute glücklich gemacht? Worüber hast du gelacht? Wann warst du traurig? Wann hast du geweint? Das hilft dem Kind, dauernd mit seinem Gefühlsleben in Kontakt zu bleiben und, was es empfindet, auch auszusprechen. Und damit auch zu lernen, das man sich nicht für seine Gefühle schämen muss.

Weg mit dem Smartphone

Empathie – Basis des Miteinanders
Wenn wir zum Beispiel SMS schreiben, blenden wir die nonverbalen Signale, die unsere Spiegelneuronen, unser empathisches System aktivieren, komplett aus. Deswegen sagt die Forschung, wir haben durch die neuen Medien an Mitgefühl verloren.

In die gleiche Kerbe schlägt Psychologin Sandra Velásquez im Gespräch mit familiii: „Dass jemand da ist, in einer konsequenten Art und Weise, ist wesentlich. Stellen Sie sich vor, Sie schreien, Sie weinen, Sie haben noch keine andere Ausdrucksmöglichkeit, und wie das Amen im Gebet, nicht immer sofort, aber verlässlich, kommt jemand, dann wird dieses Gefühl Teil der Verkabelung des Nervensystems. Und das nennen wir Grundvertrauen. Das heißt, von meinem ersten Grundgefühl an weiß ich, spüre ich: Ich bin gut aufgehoben. Und wenn ich Hunger habe, wenn mir kalt ist, wenn ich Sorgen habe, kann ich sogar ein bisschen warten, weil ich weiß, es kommt jemand.“ Besonders entscheidend wirkt das Fehlen des Grundvertrauens, wenn auch noch Stress dazukommt: „Deswegen sagen wir: Stress macht dumm. Wenn wir in Beziehungen leben, die uns bedrohlich vorkommen, wo wir nicht gehört werden, wo wir verurteilt, ignoriert, attackiert werden, ist nur dieser Überlebensteil aktiv – und zwar auf Kosten der Fähigkeit, zu lernen und empathisch zu agieren, und auf Kosten der Fähigkeit, sich Ressourcen anzueignen, um im Leben bestehen und Beziehungen führen zu können.“

Genauso negativ ist die Entwicklung hinsichtlich neuer Medien, meint Velásquez: „Es ist wie eine Epidemie. Handys, Computer, Spielekonsolen sind die Geißel unserer Zeit. Wenn wir zum Beispiel SMS schreiben, blenden wir die nonverbalen Signale, die unsere Spiegelneuronen, unser empathisches System aktivieren, komplett aus. Deswegen sagt die Forschung, wir haben durch die neuen Medien an Mitgefühl verloren. Die Kommunikation geschieht nicht mehr in Echtzeit, es gibt keine Interaktion, und die Menschen erleben nicht wie bei Echtzeit-Kommunikation, wie sich das Gegenüber fühlt, ob es sich dafür interessiert, ob es gelangweilt ist. Die Herausforderung mit den neuen Medien ist enorm. Sie sind nicht nur negativ, sie schaffen auch die Möglichkeit, dass Kinder viel miteinander erleben können, ohne dass sie großartige Ausflüge machen müssen. Erziehung ist eine Frage des Mixes, ein bisschen Sport, Gespräch, Kunst, Leistung, Verantwortung, neue Medien etc. Alles gehört zusammen. Wenn ich auf mich selbst aufpasse, mir Zeit gebe, dem Kind sage: ‚Jetzt bin ich müde, jetzt kann ich nicht spielen‘, lernt das Kind: ‚Meine Mutter, mein Vater haben auch Bedürfnisse.‘ Empathie erfahren wir auch mit gesunden Grenzen, und wenn wir lernen, mit Enttäuschungen
umzugehen, das heißt, wenn die Eltern alle Enttäuschungen und unangenehmen Gefühle wegräumen, lerne ich nie, meine Emotionen zu steuern.“

Empathie lernen: Übungen mit Kindern

Sich seiner Atmung bewusst werden: Atmung  beobachten, ohne sie zu verändern

Die Atmung erfolgt automatisch. Richte deine Aufmerksamkeit auf sie und ihren jeweiligen Rhythmus. Spüre, wie du einatmest – Pause – und wieder ausatmest – Pause. Beobachte, wie dein Bauch beim Einatmen immer größer wird und beim Ausatmen wieder kleiner.

 

Sich seines Bewusstseins bewusst werden: Das Strömen aller Sinne und seine Gedanken beobachten

Setz dich bequem hin. Spüre deinen Körper von innen, wie wir es schon versucht haben. Spüre deinen Körper dort, wo der Stuhl oder Boden ihn trägt und stützt. Spüre, dass dein Körper mit Leben erfüllt ist, selbst wenn du ganz still sitzt. Spüre den Schwerpunkt deines Körpers, der sich etwa fünf Zentimeter unterhalb deines Nabels befindet. Lege kurz deine beiden Hände dahin. Spüre, wenn du Luft holst, wie in deinem Körper eine schwache Bewegung entsteht. Spüre sie und lass sie sein, wie sie ist. Horch auf die Geräusche außerhalb von dir. Hör nur hin, lass sie sein, wie sie sind. Spüre, wie du vielleicht Gedanken hast, die kommen und gehen. Lass sie kommen und gehen, ohne dich einzumischen. Sieh auf deine Gedanken genauso, wie du zum Himmel siehst und die Wolken vorbeiziehen lässt. Vielleicht bemerkst du die kleinen Pausen zwischen den Gedanken. Konzentriere dich einmal auf sie und lass sie einfach sein, wie sie sind. Vielleicht spürst du, wie ruhig dein Körper ist, während du hier sitzt und ganz wach bist.

 

Sich seines Herzens bewusst werden: Sein Herz körperlich spüren

Leg deine Hand dorthin, wo dein Herz schlägt. Vielleicht kannst du deinen Herzschlag spüren. Denke nun an etwas, das du gerne hast. Das kann deine beste Freundin oder dein bester Freund sein. Oder deine Eltern oder dein Bruder oder deine Schwester. Oder ein Haustier oder vielleicht auch ein Kuscheltier. Egal, was, du kannst dir selber aussuchen, wen oder was du besonders gerne magst. Merkst du, wie es sich anfühlt? Du kannst dieses wunderschöne Gefühl in deinem ganzen Körper ausbreiten lassen, bis in die Handflächen, die Füße, hoch in den Nacken und ins Gesicht. Bleib ganz ruhig sitzen und spüre dieses wunderschöne Gefühl in deinem ganzen Körper. Steh auf und gehe ganz leise durchs Zimmer. Denk daran, deinen Körper zu spüren und deinen Atem, wenn du einen anderen triffst. Sieh ihm in die Augen und begrüße ihn mit einem kleinen Nicken. Wenn du alle begrüßt hast, setz dich wieder auf deinen Platz.Bleib nun ruhig sitzen.

 

Sich seines Körpers bewusst werden: Den Körper spüren, indem man ihn systematisch durchwandert

Setze dich gerade und bequem auf einen Stuhl. Spüre nach, wie du vom Stuhl getragen wirst. Spüre deinen Rücken, spüre deinen Po, versuche, beide auf einmal zu spüren. Wandere jetzt mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Füßen. Spüre, wie der Boden die Fußsohlen stützt. Spüre alle deine Zehen. Krümme sie und strecke sie dann wieder aus. Bewege deine Füße und spüre von Neuem den Kontakt zwischen dem Boden und den Füßen. Spüre die Haut und die Socken, wie sie deine Füße ganz umschließen. Spüre sie jetzt von innen. Wandere zu deinen beiden Händen. Balle sie langsam zur Faust und strecke dann alle Finger aus, so fest du kannst. Spüre, wie die Haut die Hände umgibt. Spüre sie jetzt von innen. Wandere zu deinem Gesicht. Spüre deine Stirn, die Umgebung deiner Augen und um deinen Mund. Mach ein paar Grimassen und lass dein Gesicht sich danach ganz entspannen.

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