Engpass bei Kindermedikamenten bleibt bestehen
Die derzeit grassierende Grippewelle hat zu einem Engpass bei Antibiotikasäften für Kinder und anderen Kindermedikamenten geführt. In vielen Apotheken sind diese Medikamente gar nicht oder nur in geringen Mengen verfügbar. Eine rasche Besserung der Situation ist nicht in Sicht.
In vielen Kindergärten und Schulen Österreichs grassieren derzeit Infektionskrankheiten, etwa die Grippe. Doch im ganzen Land herrscht ein eklatanter Magel an Breitbandantibiotikasäften für Kinder. Und das schon seit Jahren. Der Grund sind die Lieferengpässe bei Medikamenten und Grundstoffen, vor allem aus China. Mittlerweile, so Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlymayr, gibt es Wartelisten bei Kindern und Erwachsenen für mehr als 23.000 Packungen. Die Apothekerkammer wollte den Medikamentenengpass durch die Herstellung von in der Apotheke manuell gefertigten Arzneimittel beseitigen, doch das Gesundheitsministerium hat das als nicht umsetzbar abgelehnt.
Staat soll Rohstoffe kaufen, Apotheken verarbeiten ihn vor Ort
Die Idee der Apothekerkammer klingt einfach: Der Staat kauft die für die Herstellung der Breitbandantibiotikasäfte notwendigen Rohstoffe im Ausland und gibt Herstellern eine Abnahmegarantie. Der Pharmagroßhandel verteilt die Rohstoffe an die Apotheken, diese stellen die Medikamente her. Für die Patienten falle nur die Rezeptgebühr an. Dieser Forderung erteilte das Gesundheitsministerium am 8. März allerdings prompt eine klare Absage. „Der Vorschlag der Apothekerkammer ist aus Sicht des Gesundheitsministeriums kurzfristig leider nicht umsetzbar. Es fehlt die gesetzliche Grundlage, damit der Bund Wirkstoffe ankauft“, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums. Und überhaupt gäbe es so gut wie keine Rohstoffe auf dem Weltmarkt, da die Pharmaindustrie diesen für die eigene Produkten laufend aufkaufen würde. bei der Industrie erfolge auch „die nötige Qualitätssicherung, also die Prüfung der Wirkstoffe auf Reinheit, damit dann Medikamente hergestellt werden können“. Eine kurzfristige Änderung dieses Systems sei daher „nicht möglich bzw. zielführend“, teilte das Ministerium in einem Statement mit.
Pharmaindustrie zweifelt an Durchführbarkeit
Zweifel an der Durchführbarkeit äußerte auch die Pharmig, der Verband der pharmazeutischen Industrie. Die Apotheken verfügen nur über das Potenzial, kleine Mengen der benötigten Medikamente herzustellen. Dazu kommen Probleme bei der Herstellung von Antibiotika, da, so die Pharmig, dazu „teilweise hochexplosive Zusatzstoffe“ notwendig sind, deren Verabreitung in den Apotheken nicht so ohne weiteres durchzuführen seien.
Der eigentliche Hintergrund des derzeit besorgniserregenden Mangels an wichtigen Medikamenten ist aber ein seit Jahren tobender Streit um die sogenannte Wirkstoffverschreibung. Nach der würden Ärzt:innen in Zukunft keine Medikamentennamen, sondern nur den Wirkstoff verschreiben. Die Apotheker:innen können dann ein passendes Medikament oder ein entsprechendes Generikum abgeben oder das Mittel selbst herstellen. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), das Gesundheitsministerium, die Patientenanwaltschaft und die Apotheker sind für dieses Modell, Ärztekammer und Pharmaindustrie sind dagegen. Dabei ist Österreich innerhalb der EU das letzte Land, in dem es die Wirkstoffverschreibung noch nicht gibt.
Aufbau eines nationalen Medikamentenlagers stockt
Trotz mehrer Vorstoße verschiedenster Stellen, etwa der Ärztekammer, kommt auch der Ausbau eines nationalen Notfalllagers für rund 200 für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbare Medikamente, etwa Antibiotika, nicht voran. Das Gesundheitsministerium beharrt hier auch einen EU-weiten gemeinsamen Beschluss der Mitgliedsstaaten – und der läßt auf sich warten. Darunter leiden in diesen tagen vor allem die Jüngsten.
Denn, so Apothekerkammer-Präsidentin Mursch-Edlmayr, haben sich die Lieferengpässe seit den Vorjahren nochmals verschäft. Wurden 2019 noch etwa 130.000 Packungen an Antiobiotikasäften für Kinder ausgegeben, waren es heuer nur mehr rund 80.000 Einheiten. Mehr standen nicht zur Verfügung. Kinderärztin Lucia Kautek: „Antibiotika benötigen wir nur bei bakeriellen Infektionen, diese sind aber die schlimmeren, die gefährlicheren.“ Derzeit könne man nicht einmal mehr alle bakeriellen Infektionen behandeln. Kinder müssen daher unnötig oft ins Spital überwiesen werden, damit sie mittels Infusionen mit den nötigen Antibiotika behandelt werden können. Kautek: „Diese Situation ist unerträglich.“
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