Ganzheitliche Therapien für herzkranke Kinder
Jedes hundertste Kind in Österreich wird mit einem Herzfehler geboren. Auf die speziellen Herausforderungen für junge Betroffene und ihre Familien machen Organisationen Jahr für Jahr am Tag des herzkranken Kindes am 5. Mai aufmerksam – und sie machen Mut.
Die ExpertInnen der Kinder- und Jugendreha kokon, die am Standort Rohrbach-Berg einen ausgewiesenen Herz-Kreislauf-Schwerpunkt hat, wissen genau, welchen Schock etwa die Diagnose Herzfehler für viele Eltern bedeutet und wie das für Familien zur Belastungsprobe werden kann. Oft sind – abhängig von der Diagnose – viele lange Krankenhausaufenthalte notwendig, um sich korrigierenden und damit lebensrettenden Operationen zu unterziehen. Doch trotz großer medizinischer Fortschritte in den letzten Jahren und Jahrzehnten begleiten ein angeborener Herzfehler oder später auftretende Herz-Kreislauf-Erkrankungen die meisten Betroffenen bis ins Erwachsenenalter.
Ganzheitliche rehabilitative Versorgung
Ein großes Stück Lebensqualität können junge Menschen im Alter von 0 bis 18 Jahren auch durch eine entsprechende altersgerechte und ganzheitliche rehabilitative Versorgung,
wie sie kokon bietet, erhalten. „Die meisten unserer jungen Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben bereits eine Herzoperation hinter sich und starten ihre Rehabilitation etwa zwei bis drei Monate danach. Idealer Zeitpunkt für den Antritt der Reha wäre sechs bis acht Wochen nach einem solchen Eingriff“, betont Prim.a Dr.in Evelyn Lechner, Ärztliche Direktorin im kokon Rohrbach-Berg und Kinderfachärztin mit den Spezialgebieten Kinderkardiologie, Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. „In Einzelfällen übernehmen wir Patientinnen und Patienten aber auch direkt aus dem Krankenhaus.“
Regulär dauert ein Reha-Aufenthalt drei Wochen, im Bedarfsfall kann er verlängert werden. Und was viele nicht wissen: „Mit einem chronisch herzkranken Kind können Familien sogar einmal im Jahr auf Rehabilitation gehen, was wir auch unbedingt empfehlen“, so die Expertin. „Wir sind sehr froh, dass wir mit kokon am Standort Rohrbach-Berg die österreichweit einzige Herz-Reha für junge Menschen anbieten können. Die große Nachfrage und die vielen tollen Erfolgsgeschichten von Familien zeigen uns, dass der Bedarf absolut gegeben ist und wie viele Kinder, Jugendliche und ihre Familien wir auch in Zukunft unterstützen können“, freut sich kokon-Geschäftsführer Mag. Stefan Günther. „Seit der Eröffnung konnten wir bereits mehr als 1.200, davon knapp 200 jungen Patientinnen und Patienten mit HerzKreislauferkrankung helfen, ihren Alltag wieder besser zu meistern.“
Stärkung für das Herzkind und die ganze Familie
Schon vor Beginn der Reha achtet das kokon-Team darauf, die PatientInnen möglichst nach Altersgruppen einzuteilen. Nicht nur verstärken homogene Gruppen den Reha-Erfolg vor allem bei älteren Kindern zusätzlich, auch haben beispielsweise Säuglinge und Kleinkinder andere Bedürfnisse und Voraussetzungen als schulpflichtige Kinder und ugendliche.
Der heute zweijährige Paul Allmer beispielsweise ist mit einem hypoplastischen Linksherz zur Welt gekommen und musste zu Beginn seines Lebens schon mehrere Operationen inklusive langer Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen. Zwar zeigten die Operationen Wirkung, doch Paul war anfangs noch sehr schwach, musste über eine Sonde ernährt werden und seine motorische Entwicklung war deutlich verzögert.
Zur ersten Reha war die Familie hauptsächlich gekommen, um Paul von der Sonde zu entwöhnen, doch dann machte nicht nur er deutliche Fortschritte, sondern die gesamte Familie profitierte merkbar. „Von den Therapien bis zur Umstellung der Medikamente hat sich für uns alle in diesen Wochen so viel bewegt“, erinnert sich Mutter Monika Allmer. „Durch die ganzheitliche Betreuung und das kompetente und sensible Team ist uns erst bewusst geworden, dass Paul gar nicht so ein schwaches Kind ist, wie wir anfangs dachten, sondern dass er sich mit der richtigen Unterstützung wirklich gut entwickeln kann.“ Auch Pauls nur ein Jahr ältere Schwester Anna durfte als Geschwisterkind an der Reha teilnehmen und erfuhr dadurch ebenfalls sehr viel Stärkung. So wie ihre Eltern und ihr Bruder konnte auch sie mit professioneller Unterstützung u. a. durch die Mental-Health-ExpertInnen die belastende Zeit gut verarbeiten und Ängste abbauen. Und noch etwas freute Martina Allmer besonders: „Das Eingewöhnen zu Hause nach der Reha hat dank der vielen Tipps und Tricks und unser aller Stärkung richtig toll funktioniert.“
Unermesslicher Mehrwert der stationären, altersgerechten Reha
Solche und ähnliche Rückmeldungen erhält auch Michaela Altendorfer, Präsidentin von „Herzkinder Österreich“, einem Verein zur Unterstützung von Familien mit herzkranken
Kindern. „Es ist für Familien mit herzkranken Kindern wesentlich, nach einem Krankenhausaufenthalt wieder neue Energie zu finden – vor allem für das Herzkind“, betont Altendorfer. „Die Kinder- und Jugendreha kokon Rohrbach-Berg ist hier eine sehr wichtige und wertvolle Anlaufstelle für Herzfamilien. Die Kinder und Jugendlichen haben in drei Wochen die Chance, nicht nur kardiologisch, sondern auch ganzheitlich von speziellen Kindertherapeuten und -therapeutinnen betreut und behandelt zu werden, ganz nach dem
Motto: Reha mit Herz.“ Für die Zukunft würde sich die „Herzkinder“-Präsidentin noch eine familienorientierte Reha für Herzfamilien wünschen, sagt sie. „Denn nicht nur das Herzkind benötigt nach einem Krankenaufenthalt eine Rehabilitation, sondern die gesamte Familie mit Vater, Mutter und Geschwisterkindern. Ein oftmals Wochen dauernder Krankenhausaufenthalt verlangt nämlich allen Familienmitgliedern sehr viel ab. Diese brauchen danach gemeinsam eine familienorientierte Rehabilitation.“
Im Fokus steht immer der ganze junge Mensch
Die Ganzheitlichkeit, der altersgerechte Zugang und die maßgeschneiderten Therapien zeichnen die Herz-Reha im kokon aus. Aus der großen Vielfalt an Therapiemöglichkeiten wird anhand von Parametern wie Indikation, Alter und individuellen Bedarfen ausgewählt, womit die Kinder und Jugendlichen die gemeinsam festgelegten Reha-Ziele am besten erreichen können. Kombiniert werden immer mehrere Therapien wie Physiotherapie, Atemtherapie, Ergotherapie, Sportwissenschaften und Psychologie in unterschiedlich gewichteter Intensität. Viele Kinder und Jugendliche plagen nach einer Herzoperation beispielsweise auch weiterhin Schmerzen, und ihre großen Narben im Thoraxbereich machen ihnen körperlich wie seelisch zu schaffen. „Oft versuchen die jungen Menschen, die Narbe zu schützen beziehungsweise zu verstecken. Dadurch neigen sie zu einer eher gebeugten Haltung und viele entwickeln sogar einen Rundrücken“, weiß Prim.a Dr.in Lechner. „Auch daran arbeiten wir gemeinsam, unter anderem mit viel Physio- und Ergotherapie, Bewegung und Sport wie etwa therapeutischem Klettern zur Mobilisierung des Brustkorbs. Bei Bedarf gibt es auch psychologische Unterstützung, um das Körperbild zu
verbessern und das Selbstbewusstsein zu stärken, sowie Atemtherapie, um die Lungenfunktion zu festigen.“
Lösungen auch für individuelle Probleme
Die MitarbeiterInnen sind sehr sensibel im Umgang mit den jungen PatientInnen und alle Berufsgruppen, darunter (Fach-)ÄrztInnen, TherapeutInnen, Pflegefachkräfte, Sozial- und FreizeitpädagogInnen, SozialarbeiterInnen und LehrerInnen, tauschen sich auch laufend multiprofessionell aus, um noch bessere Lösungen selbst für ganz individuelle Probleme zu finden. Ein Vorteil ist auch der Unterricht für schulpflichtige Kinder und Jugendliche in der hauseigenen Heilstättenschule, wodurch sie den Anschluss an ihre Klasse nicht verlieren. Dazu kommt der Faktor Zeit, denn vor allem jüngere Kinder brauchen oft eine Weile, bis sie Vertrauen fassen. Dass sich die jungen PatientInnen im kokon in ihrem eigenen Tempo und selbstbestimmt entwickeln und entfalten können, ist ebenfalls wichtig für einen nachhaltigen Reha-Erfolg. „Bei jeder Reha sind es für uns immer die schönsten Momente, wenn wir die kleinen und auch größeren Fortschritte der jungen Patientinnen und Patienten unmittelbar sehen und wissen, dass sie die neuen Erfahrungen und das Gelernte zu Hause eigenständig umsetzen können“, betont Prim.a Dr.in Lechner.
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