Gemeinsam und geteilt mobil
Auch in Österreich gibt es eine wachsende Anzahl alternativer Mobilitätsangebote für Urlaub, Freizeit und Alltag.
Die 12-jährige Saskia wohnt in Wien und ist ein großer Fan von CarSharing. Seit ihr Vater kein Auto mehr hat, wünscht sie sich manchmal zum Geburtstag Gutscheine, die sie einlösen kann, wenn sie mal nicht mit der U-Bahn fahren möchte. Dabei geht aber nicht nur um die Vermeidung der Gehwege bis zur Station, sondern auch um den Spaß, unterschiedliche Autos auszuprobieren und kennenzulernen. Und wer weiß, vielleicht ist es ja diesmal wieder ein hübsches Cabrio oder ein Auto mit Elektroantrieb.
Teilen ist das neue Besitzen
Dieser Formel begegnet man seit einigen Jahren immer öfter und die Mobilität ist eines jeder Felder, in denen sie auch in der Praxis wohl am häufigsten erprobt wird. Der Gedanke dahinter ist klar: Nicht alles was wir zeitweise nützen, müssen wir auch besitzen. Und gerade beim Thema Verkehr ist bekannt, dass die meisten Autos in erster Linie ungenützt stehen. Da ist es doch besser, wenn diese auch von anderen genützt werden können. Andere Plattformen versuchen das Verborgen von Werkzeug, das oft ebenso häufig ungenutzt herumliegt, zwischen Nachbarn zu organisieren.
Nachbarschaftliche Hilfe
Die grundsätzliche Idee nachbarschaftlicher Hilfe ist sehr alt – etwa in der Landwirtschaft, wo sich Betriebe Geräte und Maschinen teilen. Im Privatbereich hat die Digitalisierung der Idee in den letzten Jahren neuen Auftrieb gegeben: Es ist nun viel leichter zu organisieren, wer etwas wann braucht und wann es noch frei ist. Von der Reservierung bis zur möglichen Abrechnung ist digital alles besser nachvollziehbar und dank Handy lassen sich die Dienste auch mobil nutzen. Es ist nicht nur einsehbar, was gerade frei ist, sondern mit dem Smartphone lässt sich auch der eigentliche Zugriff freischalten. Das allgemeine Ziel ist es nicht nur, als einzelner und als Familie mögliche Kosten zu senken und nur für die tatsächliche Nutzung zu bezahlen, sondern auch, der Umwelt etwas Gutes zu tun: Wenn mehrere gemeinsam ein Verkehrsmittel benutzen, brauchen wir am Ende einfach weniger Autos – zumindest in der Theorie.
Freies fließen
Einer der größten Bereiche für die neuen geteilten Dienste sind Mietwagen in Städten, die nicht mehr reserviert und an bestimmten Standorten abgeholt und zu diesen zurückgebracht werden müssen. Sie werden mittels Smartphone gefunden und dürfen überall im Geschäftsgebiet abgestellt werden. Das Konzept nennt sich free floating. Car2Go (Smart und Mercedes) und DriveNow (BMW und Mini) hießen die großen Anbieter, die mittlerweile zu ShareNow fusioniert sind. Dieser ist zwar in mehreren europäischen Ländern verfügbar, in Österreich aber nur in Wien. Verschiedene Untersuchungen haben dabei bereits klare Ergebnisse gezeigt: Sind Angebote wie Share Now in einer Stadt verfügbar, gibt es tatsächlich einige Familien und Haushalte, die ihr Auto verkaufen. Doch manche fahren auch öfter mit dem Auto, als sie es tun würden, wenn es das Angebot nicht gäbe. Es gibt insgesamt also vielleicht weniger Autos, aber es steigt die Nutzung. Elektromobilität könnte hier zumindest die Umweltbelastung durch das Fahren reduzieren.
ShareNow-Nutzern stehen in Wien derzeit 1.200 Fahrzeuge zur Verfügung – davon sind 120 Elektrofahrzeuge. ShareNow gibt an, dass seine Technologie auch von den Mobilitätsunternehmen Reach Now, Charge Now, Park Now und Free Now genutzt wird: „Das gemeinsame Ziel der fünf Unternehmensbereiche ist es, die Mobilitätsbedürfnisse von Millionen Menschen zu erfüllen. Alle fünf Mobilitätsdienstleistungen stehen dabei für eine nachhaltige, vernetzte und zukunftsfähige urbane Mobilität.“
Spürbare Echtkosten
Und während sich derlei Angebote für spontane Fahrten durchaus eignen, merken gerade Familien auch deren Nachteile: Gerade dann, wenn Familien einmal ein Auto brauchen – etwa für den Wochenendausflug oder den Kurzurlaub – kommt zu tragen, dass diesen Angeboten die Echtkosten zugrundeliegen und genau diese Nutzung scheint auf den ersten Blick teuer. Während beim eigenen Auto für einzelne Fahrten nur Benzin und vielleicht noch Versicherung und Steuern einberechnet werden, neigen wir dazu, andere Kosten nach der Anschaffung zu vergessen. Es kommt uns teuer vor, wenn wir ein Auto für einen Tag ab rund 60 Euro und für ein Wochenende für vielleicht 200 Euro aufwärts mieten. Immerhin wurden die Angebote hier in den letzten Jahren in verschiedenen Richtungen flexibler: CarSharing-Anbieter haben begonnen, nicht nur minutenweise Abrech-betreunung anzubieten, sondern auch Tarife für Stunden, ganze Tage oder noch längere Zeiträume.
Klassische Autovermieter gehen zu Modellen über, bei denen Fahrzeuge für ganze Monate gemietet werden. Die Angebote von Herstellern wie BMW Mini oder auch Volvo, die die gemeinsame Nutzung von Autos und das Teilen von Besitz organisieren, sind in Österreich hingegen noch nicht erhältlich. Mit Insta-Drive gibt es in Österreich einen Anbieter von Abo-Modellen für Elektroautos. Getaround ist eine Plattform mit der das eigene Fahrzeug anderen Nutzern zur Miete angeboten werden kann oder das Auto einer nahe wohnenden Person gemietet werden kann.
In den Städten gibt es etwa noch die Anbieter elektrischer Roller – dieses Trendthema scheint aber bereits wieder auf dem Rückzug. Die Roller stören oftmals das Stadtbild, werden unsachgemäß abgestellt und auf verschiedene Weise zum Problem.
Dabei könnten sie durchaus eine Lösung für die so genannte letzte Meile sein, gleichzeitig bleiben alle mit den neuen Gefährten verbundenen Sicherheitsbedenken bestehen.
Außerhalb der Großstadt
Sharing Mobility ist dabei nicht nur ein Thema von (Groß-)Städten, sondern auch für Regionen und ländlicheren Gebieten. Und auch hier wachsen die Angebote sowohl für den Berufs- als auch den Freizeitverkehr. In Vorarlberg ist einer dieser Anbieter Caruso Carsharing: „Egal ob man im Alltag zu Fuß, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad unterwegs ist, es gibt immer wieder Situationen, wie eine schlechte Anbindung oder schlechtes Wetter, bei denen man gerne auf ein Auto zurückgreift. Dabei muss es heutzutage aber nicht mehr zwingend ein eigenes Auto sein – denn bei Bedarf kann man in vielen Gemeinden und Städten auch auf Carsharing zurückgreifen“, erklärt Natascha Huber vom Carsharinganbieter. Caruso Carsharing bietet ein standortbasiertes Carsharing-Netzwerk mit über 40 Fahrzeugen.
Das Netzwerk besteht hauptsächlich aus Elektrofahrzeugen und wird laufend durch Eigenanschaffungen sowie Kooperationen mit Vorarlberger Gemeinden und Unternehmen erweitert. Zusätzlich setzt Caruso Carsharing auf eine enge Zusammenarbeit mit Wohnanlagen oder auch mit dem Verkehrsverbund Vorarlberg, um eine einfache Kombination von öffentlichen Verkehrsmitteln und Carsharing zu ermöglichen. „So kann Caruso als Modul auf die Jahreskarte VMOBIL gebucht werden. Dadurch dient die Jahreskarte zusätzlich als Zugangsschlüssel für die CARUSO Fahrzeuge und die Jahreskartenbesitzer profitieren von einer reduzierten Monatsgebühr“, gibt Huber Einblick. Für Gelegenheitsfahrer oder auch Familien bietet Carsharing somit eine kostengünstige Alternative zum eigenen Auto oder zum Zweitauto.
Vorbildliche Beispiele
Dies ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Angebote, die Regionen gerade entwickeln. Einen guten Überblick über diese bietet der VCÖ, eine auf Mobilität und Transport spezialisierte, gemeinwohlorientierte Organisation, mit dem Ziel eines ökologisch verträglichen, ökonomisch effizienten und sozial gerechten Verkehrssystems. Der VCÖ betreibt eine Online-Datenbank mit vorbildlichen Mobiltätsprojekten, die dem FloMobil, einem Gemeindeübergreifenden Carsharing-System in mittlerweile 15 Gemeinden in Tirol und Osttirol, Angeboten an Bahnhöfen in Lienz oder an der Badner-Bahn-Station Griesfeld oder auch Ist-Mobil, die mehrere Regionen mit eigenen, gut vernetzten und in den öffentlichen Verkehr integrierten Systemen betreunung en. Die Gemeinde Werfenweng (in Kooperation mit den umliegenden Gemeinden) in Salzburg ist seit vielen Jahren Vorreiter im Bereich autofreie Tourismus-Mobilität. Beim VCÖ-Mobilitätspreis 2020 hat die Gemeinde ein Projekt namens „wir samo Werfenweng“ eingereicht, mit dem für die lokale Bevölkerung viele Anreize geschaffen wurden, die Mobilitätsdienstleistungen mehr zu nutzen. Einen anderen Ansatz verfolgt das Forschungsprojekt „Digibus“ – in der Salzburger Gemeinde Koppl wurde ein vollautomatisierter Kleinbus als Zubringer zum öffentlichen Verkehr getestet.
Wichtige Knotenpunkte
Eine entscheidende Rolle bei Shared Mobility als Knotenpunkte spielen die Stationen der großen Verkehrsbetriebe und der ÖBB. Diese bietet mit Rail&Drive bereits an 33 Stationen in 29 Städten eine Autovermietung für die letzten Kilometer – aktuell sind 40 von 350 Fahrzeugen E-Autos. Um die Reisen und die letzte Meile bestmöglich organisieren zu können, bieten die ÖBB die Wegfinder-App an. Über die App soll die beste Route zum gewünschten Ziel gefunden, die Tickets gekauft beziehungsweise die Fahrzeuge – unter anderem E-Scooter, Fahrräder, Car Sharing – gemietet und bezahlt werden können. An ihren Bahnhöfen baut die ÖBB die Parkmöglichkeiten für Autos, aber auch Fahrräder aus und kooperiert mit dem E-Scooter-Anbieter Tier, um attraktive Abstellplätze zu schaffen.
Es ist offensichtlich: Es gibt heute ein vielschichtigeres Angebot, das auch Familien zahlreiche Möglichkeiten bietet, bequem voranzukommen. Es lohnt sich, die regionalen Angebote zu recherchieren und sich in Hotels, Tourismusbüros oder auch in der eigenen Alltagsumgebung zu informieren.
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