Gestörter Schlafrhythmus kann zur Depression führen
Ein verzögerter Schlafrhythmus, zirkadianer Rhythmus genannt, scheint nach den Ergebnissen einer australischen Studie mit schwereren Symptomen einer Depressionserkrankung junger Betroffener zusammenzuhängen.
Den Tag-Nacht-Rhythmus, auch zirkadianer Rhythmus genannt, kennt man schon lange im Bereich der psychischen Erkrankungen. Bei Depressionen ist oft alles etwas durcheinander, der Schlaf kommt nicht, die Energie fehlt, und der Tag hat keine Struktur. Eine Störung im Tagestakt ist also ein Symptom der Erkrankung. Forscher haben nun aber den Rhythmus von der anderen Seite her betrachtet: wie wirken sich Unterschiede im normalen Tagesprogramm und Schlaf-Wach-Rhythmus, ob Frühaufsteher oder Langschläfer, auf junge Menschen mit depressiven Symptomen aus?
Der zirkadiane Rhythmus oder Schlaf-Wach-Rhythmus kann bei Depressionen aus dem Rahmen fallen
An dieser Untersuchung in Australien nahmen insgesamt 50 junge Erwachsene zwischen 18 und 31 Jahren teil. 35 der Teilnehmer waren in der Studien-Klinik in Behandlung wegen einer Depressionserkrankung. Zum Vergleich nahmen auch 15 gesunde Menschen in leicht höherem Alter an der Studie teil. Die depressiven Symptome wurden mit der HAM-D-Skala (Hamilton rating scale for depression) eingeschätzt, eventuelle manische Symptome wurden mithilfe der Young Maniebewertungsskala ermittelt. Alle Teilnehmer erhielten einen Schlafmonitor, der auch ein Aktigramm aufzeichnete, für 12 Tage vor einer Laborphase der Studie. Ein Aktigramm ist eine Aktivitätsmessung, bei der aufgezeichnet wird, wie viel sich ein Mensch zu jeder Zeit bewegt. Zu Schlafenszeiten zeigt sich dabei eine sehr niedrige Aktivität, wache Menschen bewegen sich dagegen viel mehr und häufiger. Anschließend an die 12 Tage mit dem Messgerät wurden die Teilnehmer im Schlaflabor untersucht. Dabei wurden Speichelproben genommen, aus denen die Menge an Melatonin ermittelt werden konnte. Dieses ermüdende Schlafhormon wird besonders dann produziert, wenn es dunkel ist: diesen Zeitpunkt des Anstiegs des Dämmerlicht-Melatonins nennt man DLMO (vom engl. dim light melatonin onset). Die Körpertemperatur der Teilnehmer wurde kontinuierlich mit einem verschluckbaren Thermometer gemessen, um auch die typischen nächtlichen Tiefpunkte der Temperatur analysieren zu können.
Vermessung des zirkadianen Rhythmus: Schlafenszeiten, Schlafhormon Melatonin und Körpertemperatur
Ganz ähnlich zu dem Prinzip der Langschläfer und Frühaufsteher fanden die Forscher zwei größere Gruppen von Teilnehmern. Die einen hatten eine ‚konventionelle‘ zirkadiane Phase (33 Teilnehmer), die anderen waren im Vergleich dazu verzögert (17 Teilnehmer). Sie hatten also später einen Anstieg des Schlafhormons (konventionell: 22.10 Uhr, verzögert: 01.49 Uhr), schliefen später ein (konventionell: 24.09 Uhr, verzögert: 02.28 Uhr), und hatten auch verzögert die typische Nachtabsenkung der Körpertemperatur (konventionell: 03.58 Uhr, verzögert: 06.59 Uhr). In der genaueren Analyse zeigte sich, dass die späten Schläfer ungewöhnliche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Abschnitten und Messungen des Schlaf-Rhythmus hatten. Beispielsweise lagen in der konventionellen Gruppe fast zwei Stunden zwischen Anstieg des Schlafhormons und Einschlafen. Bei der verzögerten Gruppe war der Schlaf dagegen im Schnitt eine halbe Stunde nach Anstieg des Melatonins da – wobei dieser Werte individuell stark schwankte. Auch der Zeitpunkt der Absenkung der Körpertemperatur war im Vergleich zum gesamten Schlafzeitraum anders bei konventionellen und verzögerten Schläfern.
Die Kernfrage war aber nun, ob solche zeitlichen Muster von Schlaf und biologischem Rhythmus auch mit der psychischen Erkrankung zusammenhingen. Tatsächlich waren Teilnehmer mit verzögertem Schlaf-Rhythmus von stärkeren depressiven Symptomen betroffen und litten häufiger unter hypomanischen Symptomen, als die Teilnehmer, deren Schlafmuster der konventionellen Rhythmik folgte.
Betroffene mit spätem Schlaf und verzögertem Rhythmus litten unter stärkeren depressiven Symptomen
Ein verzögerter Schlaf-Wach-Rhythmus, zirkadianer Rhythmus genannt, scheint demnach mit schwereren Symptomen einer Depressionserkrankung junger Betroffener zusammenzuhängen. Damit bietet sich womöglich ein Weg, stärker erkrankte Patienten besser zu identifizieren. Es könnte sich aber auch lohnen, im Rahmen der Depressionsbehandlung stärker auf eine Behandlung des zirkadianen Rhythmus einzugehen, beispielsweise im Rahmen einer kognitiven Therapie. Zusätzlich kann auch im Alltag Schlafhygiene, frühes Ausschalten aller hellen Lichtquellen wie Monitore und Smartphones, und ein frühes Lichtsignal am Morgen jungen Menschen helfen, ihren Rhythmus in gesündere Bahnen zu lenken.
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