GEWALT IM INTERNET: Spannend und verstörend
Unterwegs im Internet stolpern Kinder und Jugendliche auch über Inhalte, die sie nicht sehen wollen und die sie ängstigen. Und manchmal klicken sie ganz bewusst drauf. Wichtig: Mit ihnen darüber reden und klares Feedback geben.
Die schlechte Nachricht zuerst: Kinder und Jugendliche, die im Internet unterwegs sind, werden höchstwahrscheinlich irgendwann auch auf verstörende Inhalte stoßen. Gewaltdarstellungen, angstmachende Videos und pornographische Bilder sind oft nur einen Klick entfernt. Sie tauchen im Klassenchat auf, machen auf den Smartphones im Fußballverein die Runde oder kommen über das Tablet direkt ins Kinderzimmer. Und zack sieht das Kind Dinge, die es weder sehen möchte noch sehen sollte. Manchmal klicken Kinder und Jugendliche auch gezielt auf einen Link, von dem sie wissen, dass sich dahinter etwas Ungutes verbirgt. Das kann verschiedene Gründe haben: Es ist spannend, etwas Verbotenes zu tun, man will dazu gehören oder sieht es als eine Art Mutprobe an. Matthias Jax, Projektleiter bei Saferinternet, sieht darin kein völlig neues Phänomen, das erst mit dem Internet aufgekommen ist: „Ich habe selbst in meiner Kindheit Fotos angeschaut, vor denen es mich gegruselt hat. Wir wissen, dass es einen emotionalen Kick geben kann, wenn man solche Grenzen überschreitet.“
Gutes familiäres Umfeld schützt
Das Tückische an Bildern und Videos ist: Sie können sich nachhaltig im Gedächt- nis festkrallen und Ängste auslösen oder verstärken. „Ich erinnere mich daran, dass ich als 12-Jähriger ‚Der weiße Hai‘ angeschaut habe. Bis heute habe deswe- gen ich beim Schwimmen im offenen Wasser Angst“, sagt Matthias Jax. Haben Kinder und Jugendliche Menschen, mit denen sie das Gesehene besprechen können, ist der erste Schritt der Verarbeitung getan. „Experten sind sich einig, dass Kinder angstmachende Videos und Bilder in einem gesunden familiären Umfeld relativ gut verkraften können“, sagt Jax, „wenn sie dort die Möglichkeit haben, mit jemandem darüber zu reden und gemeinsam zu reflektieren.“ Kinder, die sich ihren Bezugspersonen nicht anvertrauen möchten – etwa weil sie Sorge haben, diese nehmen ihnen dann das Smartphone ab – schleppen das, was sie gesehen haben, eher mit.
Fake oder real?
Ob es sich bei der gezeigten Gewalt im Internet oder anderen Medien um echte oder gestellte Gewalt handelt, macht übrigens einen erheblichen Unterschied. Wissen Kinder und Jugendliche, dass dem vermeintlichen Opfer keine Schmerzen zugefügt wurden, verkraften sie das Gese- hene leichter. Gehen sie davon aus, dass wirklich jemand gelitten hat, kann ihnen das schwer zu schaffen machen. Nur: Zwischen Fake und Realität lässt sich nicht immer so leicht unterscheiden. Denn genau darauf zielen die Produzenten solcher Videos ab, weil die Unsicherheit, was wirklich hinter einem Gewaltvideo steckt, den Nervenkitzel steigert. Umso wichtiger ist es, Kriterien parat zu haben, die helfen, gestellte und echte Szenen auseinander zu halten. Eine hilfreiche Richtlinie: Echte Gewalt sieht eher unspektakulär aus.
Unbedingt Feedback geben
Junge Menschen sind im Internet aber nicht nur unfreiwillige und passive Konsumenten. Sie können auch aktiv Mediengewalt ausüben und produzieren. Indem sie andere durch Cybermobbing schikanieren, kompromittierende Fotos verbreiten oder Prügelvideos ins Netz stellen. Beim ‚Happy Slapping‘ zum Beispiel werden gestellte oder reale Prügelszenen gefilmt und online verbreitet. Die Macher solcher Filme erhoffen sich Anerkennung, häufig verschwimmen dabei die Grenzen zwischen Spaß und Ernst. Vielen Jugendlichen ist nicht bewusst, dass bereits das Verbreiten der Videos strafrechtlich relevant sein kann. Erstellt ein Kind ein solches Video, braucht es von Erwachsenen eine klare Rückmeldung, dass das nicht in Ordnung ist. Überhaupt spielt das Feedback von Eltern, Lehrern und anderen erwachsenen Bezugspersonen eine große Rolle, wenn es um das Anschauen, Verbreiten und Produzieren von gewaltverherrlichenden Videos und Bildern geht. Nachfragen, warum sich das Kind das gerne anschaut und rückmelden, dass man das selbst verstörend findet, hilft jungen Menschen Inhalte besser einordnen und in Folge klar ablehnen zu können.
Wie schütze ich mein Kind?
Gezielt Nachrichten konsumieren. Kinder und Jugendliche wollen Bescheid wissen, was in der Welt passiert. Die Informationen, die sie über Kriege oder Krisen im Internet bekommen, sind allerdings nicht immer passend oder ausgewogen. Sendungsformate wie zum Beispiel die ZIB Zack Mini hingegen bieten altersgerechte Informationen zu aktuellen Themen.
Filter als Ergänzung. Filter und Sperren helfen, jüngere Kinder vor problematischen Inhalten zu schützen. Jugendliche umgehen diese leicht. Je älter Kinder werden, umso wichtiger wird, mit ihnen darüber zu reden, sie zu sensibilisieren und zu stärken.
Keine Verbote. Berichtet ein Kind von verstörenden Inhalten, über die es im Internet gestolpert ist oder die es sogar bewusst angeklickt hat, sollten Eltern nicht mit Vorwürfen oder Verboten reagieren. Die Gefahr besteht, dass es das nächste Mal gar nichts mehr erzählt.
Problematische Inhalte melden. Seitenbetreiber löschen Inhalte, wenn sie gegen das Gesetz oder gegen Nutzungsrichtlinien verstoßen.
Rechtliche Konsequenzen kennen. Kinder und Jugendliche, die selbst gewalttätige Inhalte produzieren und verbreiten, sollten über das Recht am eigenen Bild und strafrechtliche Konsequenzen von Mediengewalt Bescheid wissen.
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