Gürtelrose: Steigende Zahlen, teure Impfung
Bis zu 40.000 Österreicherinnen und Österreicher erkranken jährlich an Herpes Zoster (Gürtelrose), jede/r Dritte ist im Lauf seines Lebens davon betroffen – und das zumeist mit schwerwiegenden Folgen.
Jede/r Dritte erkrankt im Laufe des Lebens an Gürtelrose – und das teils mit schwerwiegenden Folgen. Für Österreich geht man von 30.000-40.000 Fällen pro Jahr aus. Eine Impfung gegen Gürtelrose ist seit fast zwei Jahren in Österreich verfügbar und sogar im österreichischen Impfplan für alle Erwachsenen ab 50 Jahren sowie Menschen mit bestimmten Grunderkrankungen ab 18 Jahren empfohlen. Doch im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland, Schweiz, Italien und Spanien werden die Kosten in Österreich nicht von den Krankenkassen übernommen. Ein Umstand, der viele von der Impfung abhält, wie eine Umfrage zeigt. Und das führt zu gravierenden Auswirkungen und steigenden Belastungen für das heimische Gesundheitssystem, wie eine Economica-Studie zeigt.
Economica-Studie: Belastung des Gesundheitssystems durch Gürtelrose-Fälle zu erwarten
Die jüngst publizierte Studie „Ökonomische Effekte der Herpes-Zoster-Impfung in Österreich“ des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt klar auf, dass der demographische Wandel einen Anstieg von Gürtelrose-Erkrankungen sowie steigende Gesundheitskosten mit sich bringen wird: Zwischen 2022 und 2040 erhöht sich die Zahl der Personen im Alter von über 50 Jahren voraussichtlich um 509.000. Das bedeutet, dass die Risikogruppe für Herpes Zoster um +13,5 % wächst. Zudem nimmt bis dahin die Personengruppe im pensionsfähigen Alter um 43 % zu, während die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter um 4 % abnimmt. „Angesichts der Schwere der Erkrankung ist mit deutlich mehr Hospitalisierungen zu rechnen“, warnt Wirtschaftsforscher Univ.-Prof. Dr. Christian Helmenstein. „Das Gesundheitssystem stößt jetzt bereits an seine Grenzen. Durch die steigenden Fallzahlen an Gürtelrose- Erkrankungen und das gleichzeitige Schrumpfen auf der Finanzierungsseite ergibt sich eine Doppelbelastung für das Gesundheitsbudget. Dementsprechend relevant ist, sich die Kosteneffizienz einer Schutzimpfung anzusehen.“ Im internationalen Vergleich wird ein generelles Muster für Impfempfehlungen gegen Herpes Zoster deutlich. Diese werden in der Regel ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren für die breite Bevölkerung ausgesprochen und die Impfung der Zielgruppen wird mehrheitlich als kosteneffektiv bewertet.
Fast 20.000 Spitalstage durch Herpes Zoster
„Welchen Nutzen eine Impfung für Österreich hätte, lässt sich nicht zuletzt aus den Kosten ableiten, die Herpes Zoster in den heimischen Krankenhäusern verursacht“, so Helmenstein. Laut Krankenhausdaten von Statistik Austria wurden im Jahr 2019 über 2.400 Patient*innen stationär mit einer Hauptdiagnose aus dem ICD B02 (Herpes Zoster) behandelt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 8,3 Tage. Somit verursacht Gürtelrose fast 20.000 Spitalsbelagstage. Dazu kommen die (nicht erfassten) Kosten der ambulanten Behandlung und der Krankenstände.
„Das könnte durch gezielte Prävention verhindert werden“, meint Helmenstein, „also konkret durch eine Übernahme der Kosten für die Gürtelrose-Impfung. Aus Sicht der Bevölkerung ab 50 Jahren würde eine solche Kostenübernahme eine ähnliche finanzielle Entlastung bedeuten, wie jene für die summierten Influenza-Impfungen. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass die Gürtelrose-Impfung nicht jährlich aufgefrischt werden muss.“
Herpes Zoster erhöht das Schlaganfallrisiko
Als weiteren Aspekt führt Molekularbiologin Priv.-Doz. Dr. Andrea Pitzschke, Senior Researcher bei Economica, Ergebnisse internationaler Fachliteratur an: „Das Virus schädigt hirnversorgende Gefäße und begünstigt Thrombosen. Das Schlaganfallrisiko ist aufgrund einer Gürtelrose-Erkrankung vorübergehend erhöht (Faktor 1,78 im ersten Monat nach Herpes Zoster, 1,2 nach einem Jahr).“ Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Österreich und betrifft primär die Generation 50+. „15 % der Überlebenden werden pflegebedürftig und verschärfen somit das Problem mangelnden Pflegepersonals. Würden heute alle über 50-Jährigen Österreichs geimpft, wären dadurch kumulativ über 10 Jahre rund 340 Schlaganfälle vermeidbar“, so die Studienautorin.
Prävention in Österreich schwach ausgeprägt
„Um die Prävention ist es in Österreich jedoch vergleichsweise schlecht bestellt“, unterstreicht Helmenstein. Die Ausgaben pro Kopf in Kaufkraftparitäten lagen in Österreich (im Vor-Pandemiejahr 2019) zwar für stationäre, ambulante, medikamentöse und pflegebedingte Sach- und Dienstleistungen mit zusammen 3.718 Euro deutlich über dem EU27-Schnitt (3.279 Euro). Für Prävention hingegen lagen Ausgaben in Österreich mit 83 Euro pro Kopf klar unter dem EU-27-Schnitt (102 Euro).
„Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Schutzimpfung gegen Herpes Zoster einen vorteilhaften präventiven Ansatz darstellt, vor allem, wenn die vielfältigen Aspekte im Umfeld auch unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Zielgruppen nicht gegen Gürtelrose zu impfen, verursacht hohe Kosten für Krankenversicherungen, Krankenhäuser, Arbeitgeber und Patient*innen.“
Umfrage von Peter Hajek: Gürtelrose bekannt – hohe Kosten als Impf-Barriere
Ein Gutteil der heimischen Bevölkerung zeigt jedenfalls Interesse an einer Schutzimpfung gegen Gürtelrose, wie eine repräsentative Umfrage von Peter Hajek, Public Opinion Strategies, belegt. Demnach haben neun von zehn Österreicher*innen bereits von Gürtelrose gehört, zwei Drittel kennen die Symptome, und immerhin rund 50 % wissen auch, dass die Nervenentzündung große Schmerzen verursachen kann.
Mehr als ein Drittel der Befragten ist bekannt, dass es eine Impfung gibt. Darüber, den Schritt selbst zu setzen, hätten aber über 70 Prozent noch nicht angedacht, so Hajek. „Für ein Drittel der Befragten sind die hohen Kosten die ausschlaggebende Ursache. Die Gürtelrose-Impfung ist derzeit – plakativ formuliert – eine Zwei-Klassen-Medizin.“
Ein wichtiger Ansatzpunkt im Sinne der Volksgesundheit wäre demnach die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse. „Dann würde auch die Bevölkerung mitziehen“, analysiert Hajek, „denn 47 % der Befragten wären bereit, einen Selbstbehalt zu bezahlen – und zwar in der Größenordnung von rund 20 Euro.“
Wachsende Unterstützung
Zahlreiche Gespräche mit Politik, Verwaltung und Sozialpartnern in den letzten Monaten haben gezeigt, dass alle die Erstattung grundsätzlich befürworten bzw. sogar fordern.
Diese Unterstützung beginnt sich nun auch zu formieren: Ein Dutzend renommierter Vertreter*innen aus Medizin und Politik haben kürzlich eine gemeinsame Erklärung verfasst (siehe Beilage). Sie fordern darin konkrete Maßnahmen, wie die Kosten-Übernahme der Impfung für alle Menschen ab 50 Jahren, gezielte Programme über den Betriebsärztlichen Dienst sowie die Senior*innen- und Selbsthilfeorganisationen sowie eine umfassende Aufklärungskampagne.
Auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit wären dies längst überfällige Schritte. Speziell bei der Gürtelrose ist das relevant, weil 99% der über 50-jährigen das Virus auf Grund einer Windpocken-Infektion in der Kindheit bereits in sich tragen. Ein Schutz vor der Ansteckung – z.B. durch Abstandhalten, Händewaschen etc., wie wir das von anderen Infektiosnkrankheiten kennen – ist bei der Gürtelrose nicht möglich. Es sollen daher alle Bürger*Innen Zugang zu dieser Schutzmöglichkeit haben und zwar unabhängig vom sozialen Status.
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