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Heikle Themen: Wie sag ich’s meinem Kind?

Heikle Themen: Wie sag ich’s meinem Kind?

Mutter spricht mit Kind

Von kleinen Unwahrheiten wie dem Osterhasen bis zu größeren Tabuthemen wie vertuschten Verwandtschaftsverhältnissen oder einer bevorstehenden Trennung – in jeder Familie gibt es Themen, an die wir uns nicht herantrauen. „Erwachsene hoffen oft, dass ein besserer Zeitpunkt kommt um über schwierige Themen zu sprechen, und wollen das Kind schonen. Aber das Geheimnis wirkt bereits: es trennt“, so René Huber, Leiter der Ambulanten Familienarbeit von SOS-Kinderdorf in Tirol. Er und sein Team haben Tipps, wie schwierige Gespräche mit dem Nachwuchs gelingen.

#1 Gute Vorbereitung

Seien Sie ehrlich zu sich selbst: Warum habe ich das noch nicht angesprochen? Wie fühle ich mich bei der Vorstellung, es zu tun? Was wäre das Schlimmste, das geschehen könnte? Was das Beste? Bereiten Sie sich sorgfältig auf das Gespräch vor. Überlegen Sie, wann, wo und wie Sie es angehen. Achten Sie darauf, dass sich Ihr Kind zurückziehen oder eine Pause machen kann. Schreiben Sie auf, was Sie erzählen wollen, warum Sie es jetzt tun und bislang nicht die Kraft dazu hatten. Legen Sie Dinge bereit, die man angreifen kann: Fotos, Briefe, Zeitungsartikel oder Erinnerungsstücke helfen Kindern, das Gesagte zu „be-greifen“.

#2 Der perfekte Zeitpunkt ist JETZT

Es wird nie den richtigen Zeitpunkt geben. Aber es wird immer schwerer, je länger man wartet. Je länger das Geheimnis aufrecht bleibt, desto mehr Folgelügen werden aufgebaut und mit ihnen vergrößert sich die Distanz zu Ihrem Kind. Also: Geben Sie sich einen Ruck und machen Sie sich das Leben etwas leichter.

#3 Fakten sind fad

Es sind die Fakten, also das bislang Verschwiegene, die uns schwer im Magen liegen. Dabei sind diese für Kinder gar nicht das Wichtigste. Kinder brauchen die ganze Geschichte. Erinnern Sie sich, wie Sie damals Ihre Eltern zur Verzweiflung getrieben haben, als Sie die immer-gleiche Geschichte in den immer-gleichen Worten hören wollten? Zwei Dinge sind noch wichtiger als die faktische Wahrheit: das Warum und das Wozu. Betten Sie alle Infos, die Sie Ihrem Kind geben, also gut ein und erzählen Sie die Geschichte inklusive Ihrer Beweggründe und Gefühle.

#4 Wahrheit befreit

Kinder haben feine Antennen. Sie haben schon lange vor einem Gespräch bemerkt, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Aber gerade sensible Kinder fragen selten von sich aus nach. Sie merken, dass ihre Eltern besorgt und angespannt sind. Also ziehen sie sich zurück und schotten sich ab. Bei der Ambulanten Familienarbeit in Tirol sehen wir immer wieder, wie Kinder und deren Eltern aufblühen, wenn ein schwieriges Thema besprochen wurde. Die Stimmung in der Familie wird besser, die Kinder werden ruhiger und sicherer. Sie haben mehr Vertrauen, fragen mehr nach – nicht nur zum ursprünglichen Familiengeheimnis. Sie sind gelöster und haben neuen Mut, die Welt zu erkunden. Vorher wurde die Energie zum Stillhalten gebraucht. Jetzt wird sie frei für den Entdeckungsgeist. Das beeinflusst auch den Schulerfolg und andere Ziele.

#5 Dran bleiben & eigene Gefühle ansprechen

Sie haben die Kraft gefunden, das schwierige Thema anzusprechen? Gratulation, das war ein großer Schritt! Jetzt heißt es Dranbleiben. Lassen Sie die neue Wahrheit im Alltag immer wieder einfließen. So zeigen Sie, dass es Ihnen mit der Offenheit ernst ist. Stehen Sie zu Ihren Gefühlen, auch den Ängsten. Sprechen Sie diese von sich aus an und erklären Sie, wie Sie damit umgehen. Das hilft Ihrem Kind, seine eigenen Emotionen einzuordnen und einen inneren Kompass zu entwickeln.

#6 Rückzugsmöglichkeiten schaffen & in Kontakt bleiben

Enthüllungen können verschieden gewichtig sein. Lassen Sie sich und Ihrem Kind Zeit, alles zu verarbeiten. Oft lösen schwierige Themen gleichzeitig Trauer, Unverständnis, Wut, Sehnsucht aber auch Zuneigung und Hoffnung aus. In diesem Wirrwarr fühlt sich Ihr Kind schnell ohnmächtig. Unterstützen Sie es, in dem Sie ihm Rückzugsmöglichkeiten lassen. Das hilft Ihrem Kind, ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle aufzubauen. Denken Sie daran, dass Sie durch Ihre Vorbereitung einen Vorsprung haben. Fragen Sie nicht frontal: „Und? Wie geht es dir damit?“ Halten Sie Pausen aus und geben Sie Hilfestellungen: „Ich kann mir vorstellen, dir geht es …“, „Als ich so alt war wie du, habe ich mich oft … gefühlt.“, „Ich kenne da die Martha. Die baut sich in solchen Situationen gerne eine Kuschelhöhle.“

René Huber_SOS-Familientipps
René Huber, Leiter der Ambulanten Familienarbeit, SOS-Kinderdorf Tirol

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