Bildung

Holt die Umwelt in die Schule!

Klimafragen und Nachhaltigkeit beschäftigen die Jugend. Neben Mathe, Deutsch und Englisch bringen deswegen immer mehr Schulen auch wichtige Zukunftsfragen auf den Stundenplan. Das Erleben von Natur, Teilhabe an der Gesellschaft und nachhaltige Alltagsgestaltung stehen dabei im Fokus. Das passende Programm heißt Ökolog.

In der Kiste, die hinten in der Klasse steht, leben Würmer. Was gemeinhin durchaus auch Ekel auslösen könnte, sorgt hier für anhaltende Faszination. Jeden Tag sammeln die Schüler nach der Jause hier Obst- und Gemüsereste ein, um sie in die Kiste zu leeren. Denn was die Kinder übrig lassen, bekommen die Würmer. Und der Kompost, der dabei unweigerlich entsteht, wandert anschließend in den Schulgarten. Wie nebenbei wird dabei etwas über natürliche Kreisläufe gelernt – für die meisten Kinder sind diese nicht unbedingt und von vornherein selbstverständlich. Die Wurmkiste ist nur eines von insgesamt zwölf Projekten, die in der Volksschule Vereinsgasse im vergangenen Jahr stattgefunden haben.

Denn in der kleinen Schule in Wien Leopoldstadt wurde auch fleißig gegärtnert und upgecycelt, aber auch debattiert und demonstriert. Das hat einen guten Grund: Die Vereinsgasse ist eine Ökolog-Schule. „Bei Ökolog geht es darum, den Schülern und Schülerinnen zu vermitteln, wie man den Alltag möglichst nachhaltig gestalten kann. Das umfasst verschiedene Bereiche, beispielsweise Partizipation, Mobilität, ökologische Alltagsgestaltung und vieles mehr“, erklärt Schulleiterin Gabi Lener. Und weiter: „Bei uns spielen das Schülerparlament und politische Bildung etwa eine große Rolle, und es gibt darüber hinaus natürlich auch viele, viele pädagogische Projekte.“

Knapp 600 Schulen haben sich mittlerweile österreichweit zum Netzwerk Ökolog zusammengeschlossen. Im Zuge von Initiativen und einzelnen Projekten sollen den Schülern dabei Kompetenzen vermittelt werden, die über den normalen Lehrstoff hinausgehen. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, etwa, den Alltag nachhaltig zu denken und die Gesellschaft aktiv mitzugestalten.

Kompetenz statt Angst

Ausgestattet mit diesem Rüstzeug lassen sich die Herausforderungen der Zukunft einfach besser meistern, ist auch Lener überzeugt: „Das Thema Klimawandel ist so präsent, dass es den Kindern durchaus auch Angst macht. Uns geht es darum, ihnen das Gefühl der Handlungsmächtigkeit zu geben und somit auch die Angst zu nehmen.“ Ein Balanceakt, denn: „Sie sollen sich natürlich auch nicht von der Verantwortung erschlagen fühlen Deswegen geht ökologische Bildung auch mit politischer Bildung einher. Denn es geht auch darum, Druck auf die Politik zu machen, Handlungen einzufordern, während man gleichzeitig natürlich schaut, was man selbst im Alltag besser machen kann.“ Diese Vernetzung verschiedener Betätigungsfelder gehört beim Thema Umweltbildung auch für Franz Rauch ganz klar dazu. Rauch leitet das Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und hat sich dabei unter anderem auf den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung spezialisiert. Seit immerhin 15 Jahren verbindet er seine Forschungen nun im Rahmen des Ökolog-Programms, dessen wissenschaftlicher Leiter er ist, mit der Praxis.

Wissen über den Kreislauf der Natur und Verständnis für natürliche Ressourcen lassen sich angewandt am besten vermitteln.

Ein Netzwerk für die Umwelt

Dass das Thema nun von größerem öffentlichen Interesse ist, begrüßt Rauch, die Initiative von „Fridays for Future“ hält er für „einen wichtigen Impuls“. Aber: „Man muss tiefer gehen. Angst kann zwar motivierend wirken, gleichzeitig aber auch blockieren. Da braucht es eine gute Balance. Neben Ökologie, stehen bei uns deswegen auch soziale Themen (z. B. Diversität), neue ökonomische Gedanken und Zukunftsmodelle im Fokus. Im Idealfall werden den Schülerinnen und Schülern die Kompetenzen vermittelt, die sie brauchen, um ihre Zukunft zu gestalten.“ Den thematischen Schwerpunkt legt dabei jede Schule selbst. Wie etwa die Lernwerkstatt Mittelpunkt in Vorarlberg, die den Fokus weniger auf politische Partizipation legt, dafür aber auf Energietechnik. Hier werden die Heizungen und Lichtquellen im Rahmen von täglichen Schülerdiensten kontrolliert und beaufsichtigt, die Kinder messen regelmäßig die Luft im Raum, erstellen sogenannte „Lüft-Raster“, die dafür sorgen sollen, dass zwar frische Luft in den Klassen herrscht, dabei aber keinesfalls Energie verschwendet wird. Und auch Reparaturen, Verbesserungsarbeiten und Modernisierungen werden stets mit den Schülern besprochen und im Unterricht durchgenommen. Allesamt Maßnahmen, die der Schule in Ludesch immerhin das Österreichische Umweltzeichen eingebracht haben. Denn das zertifiziert nicht nur Produkte, sondern eben auch Schulen, sofern sie sich mit besonders innovativen Umweltkonzepten hervor tun. Etwa 100 Bildungseinrichtungen tragen österreichweit das Umweltzeichen.

Und unabhängig davon, welchen Schwerpunkt eine Schule nun setzt, gemeinsam haben sie alle, dass sie das Thema Ökologie wirklich in den Schulalltag integrieren wollen, es dadurch lebendig wird und nicht bloß zum trockenen Unterrichtsgegenstand verkommt. „Inhalte können am besten vermittelt werden, wenn man fächerübergreifend ansetzt“, ist auch Rauch überzeugt. „Man muss das ganze Schulumfeld mitdenken. Dabei geht es zwar auch um konkrete Lerninhalte, vor allem aber darum, Bewusstsein zu schaffen, um Handlungskompetenz bei den Schülern und Schülerinnen zu fördern. Wissen ist wichtig, allein greift es aber zu kurz.“ Noch wichtiger sei es nämlich, dieses Wissen auch einordnen zu können, abzuwägen und zu reflektieren.

Natur erleben.

Was dabei hilft, ist vor allem auch die praktische Erfahrung. Die wird in der Volksschule Gleisdorf in der Steiermark etwa bei regelmäßigen Bauernhof-Besuchen sammeln. Hier packen die Kinder wirklich mit an, erleben die Natur und den Umgang mit ihr hautnah. Zurück in der Schule kommt das Gelernte schließlich beim Pflanzen und Gärtnern im Schulhof zum Einsatz.

Auch in der Wiener Vereinsgasse ist das nächste große Projekt bereits in vollem Gange. Im Austausch mit gleich drei Partnerschulen (einer in Wien, zwei in Berlin) soll im Zuge der nächsten zwei Schuljahre nämlich ein Kinderbuch entstehen. Die inhaltliche Kernfrage dabei lautet: Was sind die großen Herausforderungen für eine lebbare Zukunft? Für die Schüler geht es neben der Gestaltung vor allem darum, die richtigen Fragen zu stellen. Das fertige Buch wird schließlich in Brüssel an politische Entscheidungsträger übergeben, damit sie sich schließlich um die Antworten kümmern. Ein Paradebeispiel für angewandte Umweltbildung, sozusagen.

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