Kids im Netz: Wege zur digitalen Verantwortung
Warum chattet und zockt das Kind den ganzen Tag und postet Dinge, die vielleicht später zum Verhängnis werden? Wie wir unsere Kinder in die digitale Verantwortung begleiten, um Medien gut und sicher zu nutzen.
Für unsere Teenager sind Bildschirme das Tor zur Welt. Die Kids verbringen einen großen Teil ihrer Freizeit auf Online-Plattformen. Es wird gesurft, gechattet und gezockt. Mittlerweile wissen schon Vierjährige, auf welche Buttons und Tasten es bei Handy & Co ankommt. In Sachen Bedienung sind die Kinder und Jugendlichen von heute unbestrittene Medienprofis. Doch die Reflexion des eigenen Medienhandelns steckt in diese jungen Jahren und auch im Jugendalter noch buchstäblich in den Kinderschuhen. „Weil Kinder die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrundprozesse nicht in ihrer gesamten Komplexität durchdringen – dazu benötigen sie immer wieder Hinweise und Anregungen von Menschen mit mehr Lebenserfahrung“, schreibt Jessica Wawrzyniak. In ihrem Buch „Screen Teens – Wie wir Jugendliche in die digitale Verantwortung begleiten“ gibt die Medienpädagogin und Datenschutzexpertin leicht umsetzbare Tipps für einen sicheren Umgang mit Social Media, Smartphone und Internet. Schließlich ginge es darum, dass unsere Kinder, die jetzt vorsichtig ihre Fühler Richtung Online-Welt ausstrecken, später mündige Erwachsene werden sollen. Sie seien nämlich diejenigen, die in Zukunft in Behörden und Ämtern sitzen, die technische, politische und gesellschaftliche Entscheidungen treffen und über Ethik und Werte bestimmen. Umso wichtiger sei es, dass sie schon im Kindesalter schrittweise lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen – online genauso wie offline.
Faszination teilen, Gefahren erkennen
Viele Eltern kennen es: Wieder kommt eine neue App raus. Irgendein neues Spiel. Ein neuer Hype um eine Influencerin, der die Kids dabei zuschauen, wie sie beispielsweise ihre Spielzüge auf „Minecraft“ kommentiert. Als Vater oder Mutter versteht man häufig nur mehr Bahnhof und hat auch einfach keine Lust dazu, sich mit jedem neuen Digital-Trend auseinanderzusetzen. Gar nicht so selten neigen Erwachsener dazu, der Digital-Welt der Kids samt ihren Angeboten von vornherein einen negativen Stempel aufzudrücken und an der Sinnhaftigkeit einzelner Online-Inhalte zu zweifeln. Weil sinnloser Zeitvertreib eben, pädagogisch nicht wertvoll oder „die totale Verblödung“ ist. Dabei dürfe laut Online-Expertin Jessica Wawrzyniak vor allem eins nicht vergessen werden: „Ihr Kind wächst heute in dieser Welt auf, muss sich in ihr zurechtfinden und kann sich der Medienwelt, so wie sie jetzt ist, nicht entziehen“. Für die Medienpädagogin geht es daher – eigentlich nicht anders als in der analogen Welt – nicht so sehr darum, Spaß bringende Dinge wegen potenzieller Gefahren zu verteufeln, denn das sei nicht zielführend. Im Gegenteil: „Online-Medien sollten nicht als gefährliche Baustelle, sondern als riesengroßer Spielplatz für Menschen jeden Alters begriffen werden, der unendliche spannende Möglichkeiten bereithält, auf dem aber auch Unfälle passieren können“, sagt die Expertin. Im Fokus ihres Ratgebers stehen daher auch das Verständnis für die Bedürfnisse und Motive der Kinder, mit dessen Hilfe man sich in das Mediennutzungsverhalten der Teenies besser hineinversetzen kann. Dabei wird die Anziehungskraft Sozialer Medien mit den Selbstdarstellungsmechanismen rund um Likes und Posts ebenso beleuchtet wie die Risiken rund um Online-Aktivismus. Zum Beispiel Challenges, die Gefahren im Zusammenhang mit Fake News, Hassrede und Cybermobbying sowie etwa die Tücken von (Algorithmus-)gesteuerten Social-Media-Inhalten. Außerdem ziehen sich die Themen Datenschutz und Privatsphäre durch das ganze Buch.
Gaming – Ab wann ist es Sucht?
Gerade was das Zocken betrifft, sind viele Eltern oft ratlos. „Jetzt leg`doch mal das Handy weg und geh`raus“ – diese Sätze kennen wohl viele Mütter und Väter, wenn es darum geht, die Kids vom stundenlangen Gamen wegzubringen. Medienpädagogin Jessica Wawrzyniak nimmt in ihrem Buch hier erstmal Wind aus den Segeln: „Nur weil ein Kind stundenlang zockt, ist es noch lange nicht süchtig. Um generell von einer Mediensucht zu sprechen, muss eine Kombination mehrerer – unter anderem auch physischer – Faktoren gegeben sein“. Dazu zählt etwa, dass die Kontrolle über die Häufigkeit und die Dauer des Spielens verloren geht. Dass das Spielen (bzw. auch generell der Social Media Konsum) zunehmend anderen Aktivitäten vorgezogen wird, indem zum Beispiel Freund*innen und Familie vernachlässigt werden. Körperliche Leiden durch das ewige Sitzen, Schlafmangel oder auch ein Leistungsabfall in der Schule könnten Anzeichen für eine Sucht sein. Ebenso äußere Entzugserscheinungen wie leichte Reizbarkeit, Nervosität oder auch Schweißausbrüche. Die Ursachen für eine tatsächliche Computer- oder Videospielsucht liegen erwiesenermaßen sehr selten beim Spielen an sich. Vielmehr sind es einschneidende oder belastende Erlebnisse im Leben, Probleme in der Familie oder psychische Faktoren, die letztlich dazu führen, dass die Kids der Realität entfliehen möchten. Entgegen des meist schlechten Images des Gamens betont die Expertenwelt, dass es auch viele gute Gründe für das Spielen gibt, wie etwa Vergnügen, Gruppenzugehörigkeit, sozialer Anschluss oder Rückzug aus dem Alltag. „Gerade bei der Nutzung von Konsolen-, Bildschirm- und Onlinespielen liegen die Vorteile – abgesehen vom Spaßfaktor – nicht immer auf der Hand. Dabei sind die Spiel-Genres sehr vielfältig und im Grunde fordern und fördern alle Spiele in irgendeiner Form Fähigkeiten und Wissen“, weiß Medien-Expertin Jessica Wawrzyniak.
Mehrere Forschungsstudien weltweit kommen zum Ergebnis, dass gerade auch die vielfach verpönten Ballergames bestimmte wahrnehmungsgebundene und kognitive Fähigkeiten verbessern. So operieren Chirurgen, die regelmäßig gamen, bei Bauchspiegelungen schneller und zuverlässiger als ihre nichtspielenden Kolleg*innen. Wawrzyniak empfiehlt allen Eltern, ihr Kind grundsätzlich immer bei den Spielen zu begleiten und Interesse am Hobby des Kindes zu zeigen: „Erziehungsberechtigte sollten zwischendurch mal mit reinschauen, Fragen zum Ablauf des Games stellen und nach einer Weile prüfen, ob die Alters-Empfehlung für Ihr Kind tatsächlich passt“. Schließlich sei auch Medienerziehung im Grunde nichts anderes, als in Beziehung bleiben mit dem Kind und das Vermitteln von Werten als Rüstzeug fürs ganze Leben – offline wie online.
KLEINES NETZ-LEXIKON FÜR GROSSE
C wie Cybermobbing:
Social Media und Online-Games sind die Spielplätze von heute. Entsprechend finden verbale Angriffe und Hänseleien zusehens auch online statt. Das Schlimme dabei: Der Eingriff in die Privatsphäre kann rund um die Uhr etfolgen, weil auch Kinder und Jugendliche oft durchgehend online sind.
C wie Cybergrooming
Beschreibt die Vorbereitung auf sexuelle Übergriffe in Sozialen Netzwerken, Chats und Online-Games auf Minderjährige. Täter*innen bemühen sich, vertrauensvolle Gespräche aufzubauen. Niemand kann überprüfen, ob der 11-Jährige Ben in Wahrheit nicht der 55-jährige Dieter ist.
F wie Fediverse
Das Fediverse (auch Fediversum) besteht aus verschiedenen, dezentral organisierten, Kommunikationsnetzwerke, die weniger Nutzerdaten speichern. Anstelle von Instagram gibt es dort den fotobasierten Dienst Pixelfed, die mit Facebook vergleichbaren Plattformen Friendica und Diaspora, die Youtube-Alternative PeerTube sowie den Twitter ähnlichen Blogging-Dienst Mastodon.
F wie Filterblasen
Mit Filterblase sind durch Algorithmen gebündelte Interessengruppen in Sozialen Netzwerken und darüber hinaus gemeint. So werden beispielsweise durch Cookies und Tracking-Methoden Daten über das eigene Surfverhalten gespeichert. Filter- und Sortier-Algorithmen bringen dann Personen, Inhalte und Meinungen zusammen, die sich ähneln, und andere (unpassende) Inhalte ausgeblendet.
F wie FOMO
Der Ausdruck kommt von „Fear of Missing Out« (Die Angst, etwas zu verpassen). Also das unbehagliche Gefühl, dass man spannende Events verpassen könnte, an denen andere aus den Social-Media-Kanälen teilnehmen.
P wie Phishing:
Damit sind E-Mails gemeint, die den Emp- fänger zu überzeugen versuchen, auf einen schädlichen Link zu klicken oder einen infizierten Anhang zu öffnen. Werden Textnachrichten eingesetzt, spricht man vom Smishing.
M wie Memes
Gemeint sind lustige Bilder, die Menschen oder Situationen auf die Schippe nehmen und meist mit kurzen Sätzen oder Wortwitz versehen. Sie sollen oft Sarkasmus oder auch Satire transportieren.
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