Kinder da, Freunde weg
Mädelsrunden und schier endlose Telefonate mit der besten Freundin über Schuhe oder Lover. Das war vor den Kindern. Ist erst das Baby da, dreht sich alles um Windeln, Stillen und Co. Und am Feierabend siegt meist die Müdigkeit. Wie überstehen Freundschaften die kritischen Babyjahre?
Wie war das noch mal damals, vor gefühlten hundert Jahren, als wir noch keine Kinder hatten? Frau verabredete sich mit den Mädels ihres Vertrauens und stöckelte zum fröhlichen After-Work-Drink. Unsere Freizeit verbrachten wir oft stundenlang am Sofa knotzend. Die beste Freundin an der Strippe – im Endlos-Talk über diverse Widerlinge am Arbeitsplatz, jüngste Seelenwehwehchen und natürlich die allerneuesten Eroberungen: die im Schuhschrank genauso wie jene männlicher Natur. In unserem Vor-Mama-Dasein bewegten wir unseren Allerwertesten auch zu fortschreitender Abendstund mit Leichtigkeit dorthin, wo die beste Freundin samt Cosmopolitans wartete. Bei Mamis siegt abends in der Regel die Müdigkeit.
Stillkränzchen statt „Sex and the City“
Prosecco-Runden im „Sex and the City“-Stil waren einmal. Sobald wir Mütter sind, gestalten sich Feierabende und Freizeit anders. Nachmittägliche Babytreffs mit Kaffee, Kids und Kuchen stehen auf dem Freizeitprogramm ebenso wie unzählige Spielplatzabenteuer. Schlafen, Essen, Klogehen: unsere Gespräche und Sorgen kreisen meist um die banal alltäglichen Kleinkind-Kleinigkeiten. Am Wochenende laden wir Paare mit Kindern zum Brunch ein, und auch wenn wir sonst Feste feiern, fühlt es sich meist so an, als wäre Kindergeburtstag. Und vor lauter Familienalltag vergessen wir fast, dass es ja auch noch unsere Freundinnen gibt. Die zum Beispiel, die (noch) keine Kinder haben. Oder diejenigen, die (noch) Single sind. Leider müssen wir uns häufig eingestehen, dass sich gemeinsame Treffen zusehends schwieriger gestalten. Erstens weil sie terminlich oft nicht so recht reinpassen zwischen allabendlicher Zubettbringzeit und dem eigenen Insbettkippmoment. Und zweitens weil der Themenwechsel nicht so recht gelingen will. Jener nämlich zwischen Babytratsch und Nicht-Mama-Welt, in der vielleicht gerade der neue Job, Mann oder Tinder und Co. ganz oben auf der Plauderliste stehen.
Freundschaften mit Ablaufdatum
„Mit der Familiengründung verändern sich meist auch unsere Freundschaften. Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir bei einschneidenden Lebensveränderungen Altes loslassen“, weiß Familienberaterin Andrea Eder. Und dazu gehören nun mal auch Freundschaften. So traurig das vielleicht klingen mag, so lebenswichtig ist es aber in Wahrheit. Nur durch dieses Loslassen und „Aussortieren“, wie Eder auch sagt, schaffen wir wieder Platz für Neues. Denn ONLYmit den neuen Lebensumständen ändern sich nun einmal auch die Gelegenheiten für Freundschaften. Möglicherweise auch die Erwartungen, die man an Freundschaften hat. Psychologische Studien belegen, dass Freundschaften bereits ab dem jungen Erwachsenenalter kontinuierlich abnehmen. Was daran liege, dass wir unsere Freundinnen und Freunde sorgfältiger auswählen und die Beziehung zu ihnen so gestalten, dass sie zu uns passt. Kein Wunder also, dass junge Eltern dazu tendieren, sich mit anderen jungen Eltern anzufreunden, weil sie sich über wichtige Themen in der Familie und Erziehung austauschen können. Plötzlich wird die Mami, der man täglich auf dem Spielplatz oder in der Babyabteilung der Lieblingsdrogerie über den Weg läuft, zum potenziellen neuen Seelenmenschen. Und auch der morgendliche Smalltalk mit so machen Eltern im Kindergarten wird vielleicht früher oder später beim Freundschaftsbier vertieft.
Auf Biegen und Brechen
Doch was, wenn wir unsere oftmals langjährigen Freundschaften nicht aufgeben wollen? Kinder, Haushalt, Job, Sport, Freunde, Ausgehen und so weiter – es entspricht ein bisschen dem Zeitgeist, zu glauben, dass wir das alles locker im Alltag unterkriegen. „Ein großer Irrtum“, behauptet Andrea Eder. Frau belüge sich so in Wahrheit selbst. Keine Frage: Ein launiger Abend mit den besten Freundinnen kann eine wohltuende Abwechslung zum intensiven Familienalltag sein. Aber was, wenn ich mich zum Ausgehen zwingen muss? Oder gar dafür entschuldigen, dass ich zu spät bin, weil ich vorher noch die Kinder zu Bett bringen musste? „Stoßen wir in der Runde auf wenig Verständnis oder empfinden wir Treffen mit bestimmten Freundinnen gar als energieraubend, müssen wir uns eingestehen, dass diese Beziehungen möglicherweise ein Ablaufdatum haben“, sagt Eder.
Doch freilich haben Freundschaften auch gute Chancen, zu bestehen. Dann nämlich, wenn sie trotz veränderter Lebensumstände von gegenseitigem und nicht einseitigem Austausch getragen werden – eigentlich egal wie regelmäßig. Solange jede noch am Leben der anderen teilnimmt, spielt es im Grunde keine Rolle, ob jemand in der Runde Kinder hat oder nicht. Und die gute Nachricht für alle Mamis mit Kleinkindern: Die Ausgehzeit mit Freunden kommt schneller wieder, als man denkt. Wer weiß, vielleicht regt sich gleich nach dem Abstillen die Lust auf das erste Glas Prosecco, und schon werden angespuckte Schlabberleiberl wieder gegen schickere Teile ausgetauscht.
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