„Kinder stellen sich Fragen wie: ‚Warum mag mich der Papa nicht mehr?‘“
Ulrike Berger ist akademische psychosoziale Beraterin und Enspannungstrainerin. Sie ist in der Kinder-, Jugendlichen- und Elternberatung tätig.
Was löst es bei Kindern aus, wenn der Vater das Kontaktrecht nicht oder nur sporadisch wahrnimmt?
Das kommt auf das Alter des Kindes an. Ältere Kinder ab dem sechsten oder siebenten Lebensjahr sind kognitiv so gut, dass sie die Situation ausschließlich auf sich beziehen. Es kommen sofort die Angst und Fragen wie „Was habe ich falsch gemacht?“, „Warum mag mich der Papa nicht mehr?“ oder „Was habe ich an mir, das dem Papa nicht gefällt?“ Wenn man mit den Kindern nicht reflektiert und Gespräche führt, kommen sie gar nicht auf die Idee, dass es unter Umständen Gründe haben könnte, die mit ihnen in Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun haben. Dann gibt es natürlich auch dieses „Zieht der Papa jemand anderen mir vor?“ Einerseits, wenn es eine neue Beziehung gibt, der anderen Frau oder, aus der Sicht des Kindes noch viel schlimmer, wenn andere Kinder da sind. „Sind die mehr wert?“, „Sind die wichtiger als ich?“, „Warum dürfen die mehr Zeit bei ihm sein und ich nicht so viel?“
Wie ist das bei kleineren Kindern?
Kleinere Kinder erfassen das noch nicht so. Die sind traurig und verärgert, weil sie sich auf etwas eingestellt haben, das nicht funktioniert – wie ein Spielzeug, das sie dann nicht bekommen. Das verraucht und verpufft eher und hinterlässt nicht ganz so große Nachdenkspiele. Kleinere Kinder haben auch noch nicht dieses Zeitgefühl. Ein Schulkind weiß schongenau, wie lange eine Woche oder wie lange zwei Wochen sind.
Wie erklärt man seinem Kind die Situation?
Das oberste Gebot ist, dass die Mutter entgegen all ihrem Frust, Zorn und Ärger möglichst neutral und mitfühlend bleibt. Möglichst ruhig über die Sache spricht. Vor allem sollte sie nicht entwürdigend über den Vater sprechen. Sätze wie „Das habe ich mir eh erwartet“ oder „Das war ja eh klar, das hat er früher auch schon so gemacht“ sollte man unterlassen. Das Wichtigste ist, dass man sich in dieser Situation als emotionaler Beistand des Kindes sieht und vor allem in diesem Sinne handelt. Die Situation wirklich erklären sollte man erst einem Kind, das es auch kognitiv versteht, also frühestens mit fünf Jahren. Dann kann man aber auch schon auf die Gefühle des Kindes eingehen und beim Kind explorieren. Das heißt: Fragen stellen, wie „Was macht das jetzt mit dir?“, „Wie fühlst du dich jetzt?“, „Bist du sehr traurig?“ Einfach darüber reden, wie es dem Kind geht. Und auch fragen: „Was wünscht du dir? Was hättest du gerne?“ Wichtig ist, dass man das Kind begleitet und stützt in dieser Situation und irgendwann dazu übergeht zu sagen „Das kennen wir eh schon. Schauen wir einmal ob er heute kommt. Pack dich halt zusammen und mach dich fertig. Wenn es nicht stattfindet, dann fällt uns schon was anderes ein“ Älteren Kindern sollte man zutrauen, selbst zu urteilen, das können sie sehr gut. Sie können auch die Situation selbst einschätzen.
Wie kann man die Enttäuschung abfangen, die das Kind empfindet?
Man sollte auch einen Plan B haben, ein Alternativprogramm, das auch lustig und schön ist. Vielleicht mit einem Onkel, einer Tante, einem Freund oder mit der Mutter selbst. Nicht gut ist, das Kind dann allein zu lassen oder es irgendwohin abzuschieben, wo es gar nicht hin will, weil man sich selber etwas vorgenommen hatte.
Wenn das Kind nach den Gründen fragt, warum der Vater nicht oder immer wieder mit großer Verspätung kommt?
Wenn das Kind selbst fragt, kann es passieren, dass der gefragte Elternteil, weil er das Kind gerade nicht sehen will, da seine eigenen Emotionen und verletzten Gefühle zu dem Thema im Vordergrund stehen, dem Kind eine verstörende Antwort gibt. Daher ist es ganz wichtig, überlegt zu antworten. Wenn das Kind fragt: „Warum?“, dann könnte die Antwort lauten: „Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung, aber ich sehe, dass es dich beschäftigt. Ich denke, dass du gerade traurig und vielleicht sogar ärgerlich bist. Das ist okay.“ Wichtig ist, dass man eine ehrliche Position dem Kind gegenüber einnimmt und dem Kind signalisiert, dass man seine Not versteht beziehungsweise was diese Situation für das Kind bedeutet, und ihm zuhört.
Wie soll man als Mutter diese Dinge mit dem Expartner klären?
Wenn vereinbarte Dinge oder Termine vom Vater nicht eingehalten werden, sollten diese nicht vor dem Kind, sondern im Nachhinein, etwa per E-Mail, in ruhiger Atmosphäre geklärt werden.
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