Ernährung

Lebensmittel-Neophobie

Die Angst, etwas Unbekanntes zu kosten. Wie Eltern betroffener Kinder am besten damit umgehen.

 

Im Gasthaus gibt es gebratene Kartoffelgnocchi. Sie sehen anders aus als gekochte Gnocchi, duften intensiver und haben ein festeres Mundgefühl. Und damit ist es für das Kind bereits vorbei: DAS SIND KEINE GNOCCHI, WIE ES SIE KENNT. Die geschmacklich großartigen Gnocchi bleiben unangetastet.

Warum eigentlich?

Wir Eltern tun uns meist leichter, wenn wir die Gründe hinter einer Verhaltensweise verstehen. Wir fühlen uns besser, wenn wir wissen, dass das Ablehnen unbekannter Speisen einem biologischen Programm geschuldet ist, das zwar unpraktisch, aber auch nützlich ist. Die Angst, ein neues Lebensmittel erstmals zu kosten nennt man Lebensmittel-Neophobie. Sie kommt vorwiegend bei Kindern vor und beginnt im Alter von etwa zwei Jahren. Mit ca. sechs Jahren ist das Maximum erreicht, danach sinkt sie wieder ab. Das macht Sinn: Kleinkinder erkunden ihre Umgebung, und Neophobie hilft ihnen dabei, sich selbst vor Gefahren – z.B. vor dem Verzehr einer giftigen Zimmerpflanze – zu schützen. Ein Kleinkind muss erst lernen, welche grünen Blätter essbar sind, es ist nicht offensichtlich, warum Spinat oder Vogerlsalat genusstauglich sind, die Zimmerpflanze hingegen nicht. Eine wissenschaftliche Studie zeigte, dass bereits 7-15 Monate alte Kleinkinder länger warten, bevor sie eine ausschließlich grüne Pflanze überhaupt berühren als eine ähnliche Pflanze, die Früchte trägt. Schlau, denn auch das Berühren einer giftigen Pflanze und das anschließende Hand-in-den-Mund-stecken könnte gefährlich sein. Blätter enthalten häufiger pflanzliche Giftstoffe als Früchte – und Gemüse ist viel öfter von Neophobie betroffen als Obst.

Die Ablehnung von Gemüse kann aber auch andere Ursachen haben. Einige Gemüse schmecken bitter, eine Geschmacksrichtung, die wir Menschen angeborener Weise ablehnen und die wir erst im Laufe des Lebens akzeptieren oder sogar lieben lernen. Auch eiweißreiche Lebensmittel sind von Neophobie betroffen, während stärkehaltige Produkte auch von neophoben Kindern gerne gegessen werden. Wie viele Kinder wirklich von Neophobie betroffen sind, ist schwierig zu beantworten, weil es unterschiedliche Arten gibt, sie zu messen. Sicher ist: ein verbreitetes Phänomen ist es allemal.

 

Was können Eltern tun?

Es gibt keine Generalrezepte, aber Tipps, die einen Versuch wert sind:

Vorbilder: Erwachsene oder die eigenen Freund:innen, die ein Lebensmittel mit Genuss verzehren, können den kindlichen Willen, das unbekannte Lebensmittel zu probieren, erhöhen. Kinder akzeptieren eine Speise eher, wenn auch die Mutter sie mag. Der Einfluss der Mutter ist Untersuchungen zufolge stärker als jener des Vaters.

Auf Mischungen verzichten: Kleine Kinder bevorzugen häufig einzelne Lebensmittel anstelle von Mischungen – also gerne Karotte und Kohlrabi nebeneinander, aber nicht durcheinander auf dem Teller. Auf die Konsistenz achten: 3- bis 6-jährige Kinder mit ausgeprägter Neophobie bevorzugen Lebensmittel ohne Partikel, also Orangensaft lieber ohne Fruchtfleisch und Fruchtjoghurt ohne Stücke. Ältere Kinder in dieser Alterskohorte mögen weichere Texturen lieber als jüngere, was vermutlich mit dem beginnenden Verlust des Milchgebisses zusammenhängt.

Auch bei Schulkindern ist die Konsistenz entscheidend: Forellenfilet mit knusprigen Mandelbröseln ist beliebter als der gleiche Fisch in Sauce oder in Burgerform. Wiederkehrendes, aber zwangloses Anbieten erhöht die Chance auf Akzeptanz. Wichtig zu wissen: es macht auch Sinn, neue Lebensmittel anzubieten, wenn das Kind diese gar nicht kostet, denn auch das wiederholte Sehen einer Speise kann die spätere Bereitschaft zum Verkosten fördern.

Good News: in den meisten Fällen wächst sich Neophobie aus, bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen ist sie am niedrigsten ausgeprägt. Die Zeit arbeitet also mit am Abbau der Neophobie.

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