„Manchmal hasse ich mein Kind“
Überforderung, Probleme in der Partnerschaft, Eifersucht oder ein Zuviel an Verantwortung, die alleine getragen werden muss, führt manchmal dazu, dass Mütter dieses Gefühl empfinden. Wie kann der Mutter, aber auch den Kindern geholfen werden?
„Ich habe Alessa schon gehasst, als sie noch in meinem Bauch war. Jeden Tag musste ich mich übergeben und ich fühlte mich elend. Dazu kam, dass mein Mann diesem ungeborenen Kind Gefühle entgegenbrachte, die er mir nie gezeigt hatte. Das wurde noch intensiver, als sie auf der Welt war. Plötzlich gab es nur noch sie. Er verbrachte seine gesamte Freizeit mit ihr und ich war wie das fünfte Rad am Wagen. Ich weiß, es klingt schrecklich, aber ich hasste meine Tochter aus vollstem Herzen.“
Marion S. ist eine von den Frauen, die das schlimmste Gefühle hat, das eine Mutter empfinden kann: Hass auf das eigene Kind. Kaum etwas löst bei anderen mehr Abscheu aus.
Carina T. lehnt ihren Sohn Georg ab, weil er optisch dem Mann gleicht, der ihr das Herz gebrochen hat. Susanne T. ist alleinerziehende Mutter von Marlies und Conrad. Das Geld ist knapp, Zeit für sich selbst hat sie nie und die Einsamkeit ist ständiger Gast. Immer häufiger muss sie sich eingestehen, dass sie ihre Kinder nicht mag und nur wünscht, sie mögen einfach verschwinden.
Was empfinden betroffene Mütter, wenn sie sich eingestehen müssen, dass sie Hassgefühle gegen ihr Kind haben?
Lebensberaterin Mag. Ulrike Kriegler: „Die Emotionen fallen da sehr unterschiedlich aus. Manche Mütter schämen sich, manche sind innerlich so verbittert, dass sie sich keine Emotionen erlauben, andere rechtfertigen sich mit Sätzen wie ‚Meine Mutter konnte mich auch nie lieben‘.“
Spontane Gefühle der Wut dem eigenen Kind gegenüber sind absolut normal. Expertin Kriegler: „Ich kann mich noch gut erinnern, als meine damals 4-jährige Tochter mir drei Mal ins Gesicht gespuckt hat. In mir schoss blanker Zorn hoch, den ich kaum beherrschen konnte. Ein ähnliches Gefühl hatte ich, als sie als Achtjährige die Auto-Türe gegen die Stange eines Verkehrsschildes gedroschen hat und frech meinte: „So, jetzt ist die Tür kaputt“. Eigentlich habe ich in diesem Moment ihr Verhalten gehasst, aber nicht die ganze Person meiner Tochter.“
In solchen Situationen gibt es keinen Grund, Schuldgefühle zu haben. Anders sieht es aus, wenn Ablehnung und Hass ein Dauerzustand sind. Dann sollte die Mutter professionelle Unterstützung suchen. Denn die Auswirkungen auf das Kind können ausgesprochen traumatisch sein.
Wenn Sie das Kind einer solchen Mutter sind, machen Sie sich klar, dass Sie schweren seelischen Misshandlungen ausgesetzt waren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch Ihr jetziges Leben beeinträchtigen. Wenn Sie ein Mutter sind, die ihr Kind hasst, gestehen Sie sich ein, dass Sie Hilfe brauchen. Denn kein Kind verdient es, auf diese Weise abgelehnt zu werden.
"Ich hasste meinen Stiefsohn!"
Nina, 43 (verheiratet, Stiefsohn Micki)
Ich muss es leider zugeben: Ich habe Micki von dem Augenblick an gehasst, als klar war, dass er fix bei uns leben würde, da ich nun nicht mehr so viel Zeit alleine mit meinem Mann hatte. Wir waren damals gerade erst ein Monat verheiratet. Dazu kam, dass sich seine Mutter aus dem Staub gemacht hatte. Ich war mit der Situation sehr überfordert, weil da plötzlich ein „fix fertiges“ Kind war, das natürlich von seinem damaligen Umfeld geprägt war. Zusätzlich zeigte mein Stiefsohn Verhaltensweisen, die mich an meine Grenzen gebracht haben. Mittlerweile ist es die Pubertät, seine Antriebslosigkeit, seine Schlappheit, viele Lügen, und dass er sich immer alles so richtet, wie er es möchte. Rückblickend war ich wohl nicht sehr angenehm. Ich wurde oft laut, war ungeduldig und habe meine negativen Gefühle sehr deutlich gezeigt. Außerdem musste ich noch verarbeiten, dass mein
eigener Kinderwunsch nicht in Erfüllung ging.
Micki hat anfangs still bis gar nicht auf mein Verhalten reagiert. Mittlerweile entstehen große Streitereien, mit Geschrei von beiden Seiten und sehr viel Wut. Dennoch schaffen wir es früher oder später, uns zu versöhnen. Mein Mann hat einerseits versucht mich zu verstehen, andererseits hat er mir auch Grenzen gesetzt. Schließlich ging es ja gegen sein Kind. Das hatte viele Streitereien zwischen uns zur Folge, was meine Hassgefühle gegen Micki noch verstärkte. In den letzten 10 Jahren habe ich mich mit der Situation arrangiert und sie akzeptieren gelernt. Sehr schwierig ist es jetzt wieder, da er eben in der Pubertät ist. Aber da hadert mein Mann mindestens genauso damit wie ich. Prinzipiell liebe ich meinen Stiefsohn und ich würde alles für ihn tun, ihn unterstützen, begleiten und mich für ihn einsetzen. Aber in Konfliktsituationen, wo er sehr massiv werden kann, kommt auch manchmal noch der Hass hoch. Wir waren alle von Beginn an in diversen Therapien. Geholfen hat es anfangs weniger, mit der Zeit konnte ich mein Verhalten reflektieren und kontrollieren. Ich hadere jetzt sehr mit meiner damaligen Art. Ich wusste, dass ich unfair zu Micki war, aber in der Situation, war es mir nicht anders möglich.
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