Erziehung

Mehr gute Laune, bitte!

Die gute Nachricht: Miese Stimmung in der Familie ist ganz normal und darf sein. Die bessere: Für gute Laune kann man sich entscheiden.

An manchen Tagen braut sich die graue Wolkenfront bereits vor dem Frühstück zusammen. Gezanke beim Zähneputzen. Stinkige Kommentare beim Müsli essen. Ein Kind plärrt, weil kein Joghurt mehr da ist, das andere sucht übellaunig nach seiner Federschachtel. Und die Eltern? Sie Stolpern im Vorzimmer über herumliegende Schultaschen und dreckige Gummistiefel, motzen einander wegen Kleinigkeiten an, suchen – genauso übellaunig wie das Kind – wieder einmal den Autoschlüssel. Und fragen sich: Was stimmt eigentlich nicht mit uns? Familie geht doch ganz anders: Einander lächelnd die Butter am Frühstückstisch reichen, die Kinder liebevoll an der Haustür verabschieden und später fröhlich die Köpfe über dem Mensch-ärgere-dich-nicht-Brett zusammenstecken. Auf Instagram, in der Waschmittelwerbung, in der Facebook-Timeline strahlen uns glückliche Familien entgegen, während bei uns zu Hause miese Stimmung herrscht. Gleich nach dem Aufstehen, im Auto, beim Abendessen, und, besonders schlimm, am Wochenende oder im Urlaub. Wenigstens an den freien Tagen könnte die Laune in der Familie doch besser sein!

Keine Gegenleistung

Die Wahrheit ist: Einen Anspruch auf gute Laune in der Familie gibt es nicht. Nicht am Wochenende, nicht einmal zu Weihnachten oder am Geburtstag. Und im ganz normalen Alltag wechseln einander gute und schlechte Tage erst recht ab. Das ist völlig normal, sagt die Familienberaterin Claudia Umschaden. „Schlechte Laune darf sein. Das kann ich auch meinen Kindern vermitteln: Es ist okay, wenn du heute nicht so gut drauf bist.“ Eltern, sagt Umschaden, könnten mit den Launen und Gefühlsausbrüchen ihrer Kinder vor allem dann schlecht umgehen, wenn sie ihnen ganz bewusst eine schöne Zeit ermöglicht haben: „Theater beim Schlafengehen machen, und das, obwohl wir heute Nachmittag im Schwimmbad waren und sogar zweimal Eis gegessen haben? Das geht gar nicht!“ Eine verständliche Reaktion, die sich Eltern trotzdem verkneifen sollten. „Für den Dienst von uns Eltern dürfen wir keine Gegenleistung erwarten“, sagt Umschaden. Ein Kind kann sein Verhalten in der Regel nicht so steuern wie Erwachsene und wird leicht nach einem langen, schönen Tag von seinen Emotionen oder schlicht von seiner Müdigkeit übermannt.

Hungrig, durstig, müde?

Die Gründe für unleidliches Verhalten bei Kindern sind häufig banal und lassen sich ebenso einfach mit etwas Obst, Butterbroten oder einem Glas Wasser beheben. „Oft haben grantige Kinder einfach Hunger oder Durst. Bereitet man ihnen einen Obstteller zu, ist die Atmosphäre auf einmal eine ganz andere“, sagt Claudia Umschaden. Auch langes, konzentriertes Arbeiten, zu viele Eindrücke beim Medienkonsum oder Müdigkeit können hinter schlechter Laune stecken. Oder ein unbefriedigtes, tieferes Bedürfnis. „Da gilt es, das Kind genau zu beobachten und zu schauen, ob es nicht vielleicht nach Aufmerksamkeit schreit“, weil es mehr Nähe braucht oder Sorgen hat. Auch das Temperament hat einen großen Einfluss darauf, wie man mit seinen Gefühlen umgeht. Prallen in einer Familie unterschiedliche Temperamente aufeinander, kann das die familiäre Stimmung stark beeinflussen. „Da ist jede Familie anders“, sagt Umschaden, „deswegen soll man nicht auf die anderen schauen.“

Wir Erwachsene haben gelernt, unsere Gefühle zu kontrollieren und können uns bewusst gegen schlechte Laune entscheiden.

Claudia Umschaden, Familientrainerin, www.familientrainerin.com

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Eltern für die Stimmung verantwortlich

Für den verstorbenen dänischen Familientherapeuten Jesper Juul waren es immer die Eltern, die für die Atmosphäre in der Familie die Verantwortung tragen. Was für eine Mammutaufgabe! Müssen Eltern mit Dauergrinsen gute Laune verbreiten? Ist es ihre Schuld, wenn ihr Kind grantig aus der Schule kommt? Nein, sagt Claudia Umschaden. „Aber wir Erwachsene haben gelernt, unsere Gefühle zu kontrollieren und können uns bewusst gegen schlechte Laune entscheiden.“ Einem patzigen Neunjährigen muss Papa nicht genauso patzig Kontra geben. Ins Gemecker auf der Rückbank bei der Autofahrt muss Mama nicht mit einstimmen. Denn eines ist klar: Die elterliche Stimmung wird zum Orientierungspunkt für alle Familienmitglieder. „Die Chance, dass es den anderen in der Familie gut geht, wenn es mir als Mama gut geht, ist relativ groß“, sagt die Familientrainerin. Umgekehrt gilt das sogar verstärkt. An der Unausgeglichenheit von Mama und der Unzufriedenheit von Papa stecken sich garantiert alle anderen an.

Happiness is a choice

Manchmal bleibt den Erwachsenen in einer Familie nichts anderes übrig, als sich für die gute Laune zu entscheiden. „Happiness is a choice“, sagt Claudia Umschaden. Selbst wenn der Himmel grau, der Job gerade mühsam, die Fußböden daheim schon wieder klebrig sind: Wie man sich dazu verhält, hat man selbst in der Hand. „Das klingt zwar einfach. Ich weiß aber selbst, wie schwer das ist. Umso wichtiger ist es, dass man gut für sich sorgt und schaut, was man braucht, damit es einem gut geht.“ Nur mit gefülltem Tank kann man die Stimmungen der anderen Familienmitglieder gut aushalten und abfangen. Und auch das mit Humor nehmen, was einem normalerweise die Laune vermiesen würde: Dreckige Fußspuren auf dem frisch gewischten Boden, streitende Geschwisterkinder, einen verpassten Bus.

Zeit für Schönes nehmen

Was sonst noch hilft: Die schlechte Laune der eigenen Kinder nicht persönlich nehmen. „Meistens richten sich die Kinder gar nicht bewusst gegen Mama oder Papa, sondern sind wegen einer ganz anderen Sache unzufrieden“, sagt Umschaden. Eltern kriegen dann das ab, was ihre Kinder nirgends sonst abladen können oder wollen. Nicht immer muss man das dann zum Thema machen. Manchmal genügt es, souverän drüber zu stehen und freche Bemerkungen auch mal zu überhören. Das Ruder herumzureißen, wenn alle schon unzufrieden sind, ist übrigens viel schwieriger als in den guten Zeiten an der Grundstimmung in der Familie zu arbeiten. Das kann man tun, indem man ganz bewusst Raum für schöne Dinge im Alltag schafft: sich morgens ein paar Minuten zusammen unter die Bettdecke kuscheln, auf dem Nachhauseweg vom Kindergarten Eis essen, eine Runde Federball spielen oder abends ein Buch mehr vorlesen. So hebt sich der „gute-Laune-Grundwasserspiegel“. Und die Zeiten, in denen graue Wolken aufziehen, sind etwas leichter zu ertragen.

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