„Mein Mann sagt, ich hätte ein Alkoholproblem“
Alkoholismus bei Frauen ist ein Tabuthema unserer Gesellschaft und kommt doch sehr häufig vor. Meist merken es die anderen irgendwann, doch die Betroffene leugnet. Wie kann der Frau, aber auch ihrer Familie geholfen werden?
„Ich bin doch keine Alkoholikerin!“ Das ist der erste Satz, den der Partner einer Frau hört, die irrtümlich glaubt, dass sie über ihr Trinkverhalten noch die volle Kontrolle hat. Das mag zu einem Zeitpunkt sein, an dem der sichere Boden für die Kinder schon lange nicht mehr hält, sie extrem unter dem Alkoholkonsum ihrer Mutter leiden, und die Partnerschaft aufs Äußerste belastet ist.
Es wird geschätzt, dass es in Österreich circa 350.000 Alkoholikerinnen gibt. Aber natürlich existiert gerade in dem Bereich eine hohe Dunkelziffer.
Was sind die Gründe, warum Frauen zu Alkoholikerinnen werden?
Die klinische Psychologin Christiane Ehrenzweig arbeitete 25 Jahre als Psychotherapeutin auf einer Station für Alkoholkranke im Therapiezentrum Ybbs. Sie sagt: „Frauen werden alkoholabhängig, weil Trinken für sie eine Problemlösungsstrategie darstellt. Dahinter können Schwierigkeiten in der Partnerschaft, Einsamkeit, ein Mangel an Selbstbewusstsein, unbewältigte Erlebnisse aus der Kindheit, Stress, psychische Erkrankungen, aber auch eine allgemeine Überforderung stehen.“ Dr. Ehrenzweig unterscheidet zwischen Spiegeltrinkerinnen und Quartaltrinkerinnen. Frauen, die einen bestimmten Alkoholspiegel im Blut benötigen, um ihr Leben zu bewältigen, fallen in ihrer Umgebung länger nicht auf. Sie sind anfänglich meist in der Lage, sich um die Kinder und die Familie zu kümmern. Doch die Dosis wird immer höher, und dann funktionieren sie irgendwann weder beruflich noch privat.
Die wichtigste Frage lautet: „Wie kann ich Alkohol besorgen?“ Quartaltrinkerinnen zeigen oft ein auffälliges Benehmen wie Aggressivität, Lallen oder Gangstörungen. Oder sie schlafen ihren Rausch aus und können sich später an nichts mehr erinnern. In diesem Zustand sind sie „unerreichbar“, was besonders für die Kinder sehr beängstigend sein kann.
Der Weg einer alkoholkranken Frau ist meist vorgezeichnet.
Leber, Niere und Magen sowie die Konzentrations- und Merkfähigkeit können stark beeinträchtigt sein. Durch den verstärkten Konsum von Alkohol werden auch Entzugserscheinungen schlimmer. Das kann schon am Morgen beginnen, wenn sie zittert, Schweißausbrüche hat, zur Übelkeit neigt, Kreislaufbeschwerden entwickelt oder große Angst spürt. Dann greift sie wieder zum Alkohol. In der Gesellschaft ist es immer noch so, dass alkoholkranke Frauen viel stärker stigmatisiert werden als Männer. Daher ist auch die Scham größer. Wenn der Partner, Freunde oder Familienangehörige das Problem ansprechen, wird es heftig verleugnet. Therapeutin Ehrenzweig: „Dabei hat die Frau schon begonnen, mit unglaublicher Fantasie Alkoholreserven daheim zu verstecken. So verbarg eine Patientin von mir Flaschen im Spülkasten der Toilette.“
Dr. Christiana Ehrenzweig, Klinische Psychologin, 0043(0)699-12341946
Wie soll sich der Partner verhalten?
Dr. Ehrenzweig: „Auch wenn die Versuchung groß ist – gießen Sie den Alkohol nicht weg und betätigen Sie sich auch nicht als der große Kontrollor. Sie können Ihre Frau nicht 24 Stunden überwachen. Die Vorräte werden ja doch wieder aufgefüllt und das Versteck gewechselt. Und Sie entwickeln eine Co-Abhängigkeit. Sprechen Sie das Problem besser direkt an. Vermitteln Sie Ihrer Frau, dass Sie zu ihr stehen, dass Sie aber nicht bereit sind, diesen Weg der Selbstzerstörung mitzugehen. Und suchen Sie auch für sich und die Kinder Unterstützung.“
Die meisten Frauen sind allerdings erst dann zur Veränderung bereit, wenn der Leidensdruck zu groß geworden ist.
Was können Sie als betroffene Frau tun, wenn Sie bereit sind, Ihre Sucht zu bewältigen?
Zuerst einmal: Gratulation zu diesem Entschluss! Aber vielleicht haben Sie erkannt, was Sie sich, Ihren Kindern und dem Partner antun, wenn Sie weitertrinken. Das was jetzt vor Ihnen liegt, ist nicht leicht, aber es führt Sie aus dem Dunkel der Zerstörung, der Scham, und dem Gefühl des völligen Versagens ans Licht. Die erste Anlaufstelle kann ein Arzt des Vertrauens sein oder eine Ambulanz für Alkoholkranke, um einen ambulanten Entzug und eine Therapie zu beginnen. Wenn das nicht möglich ist, können Sie sich auch in einer Klinik stationär behandeln lassen. Eine großartige Möglichkeit durch Hilfe zur Selbsthilfe bieten die Anonymen Alkoholiker (AA).
Was ist AA?
Das ist eine weltweite Gemeinschaft von Frauen und Männern, die sich zu einem einzigen Zweck treffen – nüchtern zu werden und zu bleiben. AA wurde 1935 von einem alkoholkranken Arzt und einem ebensolchen New Yorker Börsenmakler gegründet. Heute gibt es circa 114.000 Gruppen in 170 Staaten der Welt. Zunächst geht es dort darum, „nur heute das erste Glas stehenzulassen“. Gehen Sie zu einem Treffen und erfahren Sie Kraft und Hoffnung durch das empfohlene Zwölf-Schritte-Programm. Geben Sie nicht auf und verhindern Sie damit, dass Ihre Beziehung zerbricht, Ihnen die Kinder vom Jugendamt weggenommen werden und Sie selbst vielleicht sogar Ihr Leben verlieren. Sie sind nicht allein.
Rat und Hilfe
• Ärztin/Arzt des Vertrauens
• www.suchthilfekompass.goeg.at/presentationg – österreichweit Beratungsstellen
• www.anonyme-alkoholiker.at – Info für Betroffene und Angehörige, österreichweite Meetings
• Alateen – Hilfe für Kinder – www.al-anon.at
• Rat auf Draht – 147 – Hilfe für Kinder und Jugendliche
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