Mein Mann schlägt mich und die Kinder!
Häusliche Gewalt hat sich in Zeiten des Lockdowns noch verstärkt. Trotzdem schaffen es viele Frauen nicht, ihren Mann zu verlassen. Was können sie tun, um sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen?
Irena war einkaufen. Als sie heimkommt, fehlt die Auto-Zeitung. Ohne ein Wort schlägt ihr Mann Roland zu. Lisa traf ohne Wissen ihres Mannes eine Freundin. Als er davon erfährt, bricht er ihr die Nase.
Petra sagt, dass sie gerne wieder arbeiten würde. Ihr Partner Kurt schleudert sie daraufhin gegen die Heizung und reißt ihr ein Büschel Haare aus.
Männer stoßen ihre Frauen die Stiegen hinunter. Meistens reden sie dann von einem Unfall. Andere erleiden Verbrennungen durch ein Bügeleisen. Oft war da nicht einmal Wäsche in der Nähe. Frauen werden mit Pfannen geschlagen. Häufig kochen sie kurz darauf wieder damit. Ihre Männer sperren sie ein oder isolieren sie von ihrem Bekanntenkreis. Und das kann lange dauern. In vielen Fällen werden die Kinder nicht nur Zeuge der Vorfälle, sondern ebenfalls vom Vater misshandelt– geschlagen, getreten, weggesperrt, gedemütigt. Diese Erfahrungen sind nicht nur seelisch und körperlich schmerzhaft, sondern prägen oft für ein ganzes Leben.
Corona verschärft die Situation gewaltbetroffener Frauen und Kinder
Die Zahl an Gewalttaten gegen Frauen und Kinder war bereits vor der Pandemie und dem Lockdown alarmierend hoch. Doch häusliche Gewalt hat seither noch zugenommen. Die Frauen-Helpline gegen Gewalt registrierte 40 % mehr Anrufe hilfesuchender Frauen. Ebenso haben sich die Betretungsverbote österreichweit um 22 % erhöht.
Beim Kindertelefon Rat auf Draht gibt es sogar eine hundertprozentige Zunahme an Kontaktaufnahmen. Die Flucht in ein Frauenhaus war für viele Frauen schon vor Corona gefährlich. Im Lockdown ist es noch erheblich schwerer, weil der Gewalttäter stets anwesend ist. Auch das Rufen der Polizei ist kaum möglich, weil die Kontrolle des Mannes sich noch massiver auswirkt als sonst. Es ist also davon auszugehen, dass die Dunkelziffer an häuslichen Gewalttaten noch viel höher ist. All die Einschränkungen und Unsicherheiten verlangen oft gerade gewaltbereiten Männern viel ab. Eventuelle Trinkgelage mit ihren Freunden oder vorher übliche Besuche im Bordell sind nicht möglich. Das steigert die Aggressionen.
Gewalt in der Familie ist traurige Realität. So wird jede fünfte Frau in Österreich Opfer von physischer und sexueller Gewalt. 2020 gab es bis Anfang Dezember laut Frauenministerium 20 Frauenmorde. Die meisten Opfer wurden von ihren Partnern oder Ex-Partnern umgebracht.
Was passiert seitens der Regierung, um häusliche Gewalt einzudämmen
Anlässlich des Gewaltschutzgipfels im September 2020 präsentierten Frauenministerium und Innenministerium ein Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen: Durchschnittlich werden in Österreich mehr als 1000 Betretungsverbote pro Monat(!) verhängt. Ab dem 1.1.2021 gibt es eine gesetzliche Verpflichtung für jeden Weggewiesenen, eine mindestens sechsstündige Beratung für Gewaltprävention zu absolvieren. Beratungsstellen sollen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um auch die Opfer von sexueller Gewalt zu betreuen. Außerdem wird das Hilfsangebot für Frauen ausgebaut, die von Zwangsheirat und Genitalverstümmelung betroffen sind. Das sind in Österreich rund 8.000 Frauen. Außerdem ist geplant, die Zusammenarbeit zwischen Beratungsstellen und Polizei zu verbessern. Gewaltschutzfolder sollen in Supermärkten, Apotheken und Arztpraxen aufliegen und online abrufbar sein, um Frauen eine Übersicht über Anlaufstellen zu geben.
Was kann eine Frau tun, die von ihrem Mann misshandelt wird?
Expertin Barbara Stekl: „Rufen Sie im akuten Notfall unbedingt die Polizei. Wenn das nicht möglich ist, schicken Sie eine SMS. Das gilt besonders auch für gehörlose oder hörbehinderte Frauen. Dafür gibt es eine spezielle Nummer (siehe Rat und Hilfe). Die Frauen-Helpline gegen Gewalt bietet ebenfalls rasche Hilfe in Krisensituationen. Warten Sie grundsätzlich nicht zu bis die Situation wieder einmal eskaliert, sondern suchen Sie Hilfe bei einer Frauenberatungsstelle. Beginnen Sie auch eine Therapie – wenn nötig heimlich. Je selbstbewusster Sie sich fühlen, desto eher werden Sie eine für Sie und die Kinder zerstörerische Beziehung verlassen.“
Finden Sie sich nicht aus Hilflosigkeit mit körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt in der Beziehung ab. Ihr Mann begeht damit eine Straftat und muss dafür zur Verantwortung gezogen werden. Suchen Sie sich jede Unterstützung die nötig ist, damit Sie und Ihre Kinder wieder ohne Angst leben können.
RAT UND HILFE
Polizei: 133
Frauen-Helpline gegen Gewalt: 0800/222 555
Österreichweit rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr erreichbar, anonym und kostenlos, auch mehrsprachig!
Helpline für hörbehinderte Frauen per sms: 0800/133 133
Rat auf Draht, Helpline für Kinder und Jugendliche: 147
Frauenberatungsstellen österreichweit:
www.netzwerk-frauenberatung.at
Mareike R., 41 (Carolin,7 & Richi, 5, geschieden von Erich, 45)
„Er hat mich halb tot geschlagen!
Als ich Erich kennenlernte war er mein absoluter Traummann – höflich, lustig und voller Ideen für gemeinsame Unternehmungen. Auch mit meinen Kindern aus erster Ehe verstand er sich hervorragend. Es dauerte nicht lange und wir heirateten. Ich arbeitete als Assistentin des Geschäftsführers einer kleinen Firma und er in einem Malerbetrieb. Schon kurz nach der Hochzeit musste ich erkennen, dass mein Mann ein zweites Gesicht hatte, das ich bis dahin nicht kannte. Er verlor schnell die Fassung, wurde dann laut und warf auch mal Gegenstände durch die Wohnung. Die Auslöser dafür waren jedes Mal minimal. Das Essen war fünf Minuten später am Tisch als vereinbart, Carolin folgte nicht sofort oder Richi hatte ein Spielzeugauto im Vorzimmer liegen gelassen. Als ich ihn darauf ansprach, entschuldigte er sich und schwor, dass das nicht mehr vorkommen würde. Doch es wurde immer schlimmer. Er begann mich als „dumme Schlampe“ zu beschimpfen und die Kinder als „räudige Bastarde“. Außerdem war er überzeugt davon, dass ich mit meinem Chef ein Verhältnis hätte, was absolut nicht der Wahrheit entsprach. Als ich einmal später von der Arbeit heimkam, wartete er hinter der Türe. Er schleifte mich ins Schlafzimmer, nannte mich „Hure“ und prügelte wie wild auf mich ein. Die Kinder standen leichenblass daneben und schrien vor Angst. Daraufhin schlug er auch sie. Ich schäme mich zu gestehen, dass ich nicht sofort die Konsequenzen zog, sondern sein Verhalten mit zu viel Stress entschuldigte. Im Krankenhaus sagte ich, ich sei gestürzt. Obwohl er immer wieder mich und die Kinder misshandelte, schaffte ich es nicht, ihn zu verlassen. Erst als er Carolin immer wieder ins Gesicht schlug und Richi mit dem Fuß trat, wurde mir klar, dass ich unser aller Leben retten musste. Als er einmal kurz wegfuhr, zog ich mit den Kindern in ein Frauenhaus. Wir sind seither in Therapie und ich hoffe, die Kinder können mir eines Tages verzeihen. Ich kann mir noch nicht vergeben.“
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