Mein Papa schafft das schon
Immer mehr Männer teilen sich nach einer Trennung die Kinderbetreuung mit der Ex-Partnerin. Rund 8.000 österreichische Väter sind sogar komplett alleinerziehend und alleine für ihre Söhne und Töchter verantwortlich.
Dass es an diesem Jännertag nebelig-trüb ist, stört Maya gar nicht. Ausgelassen spielt sie mit ihrem Papa Sébastien im Park fangen, läuft wieder und wieder rund um das Klettergestell des Spielplatzes und ruft laut „Papa, fang mich!“ Als Sébastien seine Tochter schließlich in den Armen hält, wirft er die Siebenjährige immer wieder hoch in die Luft – und Maya strahlt vor Glück. „Mit Papa kann man so toll laufen und klettern“, sagt Maya, die heute, wie jede Woche, ihren Papa-Montag hat. Seit der Trennung ihrer Eltern vor vier Jahren, lebt Maya die Hälfte der Woche bei ihrem Vater, die andere bei der Mutter – und an den Wochenenden wechseln sich die Eltern ab. „Es war sofort klar für mich“, sagt Sébastien, „dass wir uns die Betreuung von Maya gleichwertig aufteilen. Ich habe mir im ersten Jahr nach ihrer Geburt Bildungskarenz genommen und bin dann noch ein Jahr in Elternkarenz gegangen. Denn ich möchte erleben wie es ist, wenn meine Tochter groß wird – und sie nicht nur ab und zu am Wochenende sehen.“
Ein neues Vaterbild
Sébastien ist einer von immer mehr Vätern, die so denken. Rund 25.000 Kinder und Jugendliche sind in Österreich jährlich von der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern betroffen – Tendenz steigend. In 103.000 Familien lebt zumindest ein unter 15-jähriges Kind mit nur einem Elternteil. War es früher die Norm, dass die Kinder nach einer Trennung bei der Mutter wohnen und oft nur jedes zweite Wochenende beim Vater sind, hat sich das gewandelt: Immer mehr Männer wollen sich intensiv einbringen und haben die Kinder mehrere Tage die Woche oder machen halbe-halbe in Sachen Kinderbetreuung, wie Eva Maria Nadler von der Kontaktstelle für Alleinerziehende weiß: „Die Väter möchten sich aktiv am Alltag der Kinder beteiligen – und nicht nur der ,Besuchspapa‘ vom Wochenende sein. Denn es entwickelt sich eine ganz andere Vater-Kind-Beziehung, wenn man den Alltag mit seinem Kind lebt und erlebt – auch, wenn der nicht immer nur angenehm und lustig ist.“
Eva Maria Nadler, Kontaktstelle für Alleinerziehende, www.alleinerziehende.at
Sébastien, 40 und Maya, 7
Innige Beziehung. Montag, Dienstag und jedes zweite Wochenende lebt Maya bei Papa. Sie gehen dann gerne in den Zoo, auf den Spieplatz oder basteln etwas: „Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis und ich weiß immer wie es Maya gerade geht.“
„Für mich war von Anfang an klar, dass ich Maya die Hälfte der Zeit betreuen möchte.“
Hilfe und Beratung
Sich Hilfe von außen zu holen, fällt vielen Männer dennoch nach wie vor schwer. Das merkt man auch bei der Kontaktstelle für Alleinerziehende, einer Einrichtung der Erzdiözese Wien. Seit mehr als 40 Jahren berät man hier Alleinerziehende, Eltern in Patchwork-Konstellationen oder anderen Betreuungsformen, in allen Belangen, die die neue Lebenssituation mit sich bringt. Neben Einzelberatung gibt es auch Gruppenangebote wie einen monatlichen Sonntagsbrunch und zweimonatige Samstagstreffen. Dort können Eltern gemeinsam mit den Kindern etwas unternehmen – oder auch Seminare absolvieren während die Kleinen betreut werden. „Ich glaube, dass es für Männer schwieriger ist“, so Eva Maria Nadler, „sich emotional zu öffnen, weil das für viele nach wie vor als unmännlich gilt. Frauen sind eher bereit, sich auszutauschen und sich Hilfe zu holen.“ Die Expertin sagt, dass es jedoch auch Vätern sehr gut tut, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen auszutauschen. „Es entlastet deutlich, wenn man merkt, dass man mit seiner Lebenssituiation nicht alleine ist.“
Vollzeit-Papas
Besonders herausfordernd ist es, wenn es keinen Partner gibt mit dem man sich die Betreuung teilen kann. Rund 8.000 Männer ziehen in Österreich alleine ein Kind unter 15 Jahren auf. Entweder ist die Mutter verstorben bzw. will oder kann die Obsorge aus verschiedensten Gründen nicht wahrnehmen. Auch Zoe lebt seit vier Jahren bei Papa Manfred S. und Familienhund Steve. Nach der Trennung der Eltern im Jahr 2012 teilte man sich die Betreuung und Zoe lebte abwechselnd bei den Eltern. Nach der Scheidung gab es jedoch, so Manfred S., immer mehr Probleme mit der Mutter. Die hielt sich, sagt der 56-Jährige, nicht an die Trennungsvereinbarung kam ihren Betreuungspflichten nicht nach. 2016 schließlich zog Zoe ganz zu ihrem Vater und seit Juli 2018 gibt es keinen Kontakt mehr zur Mutter.
Manfred S. über die innige Beziehung zu seiner 13-jährigen Tochter. „Unser Verhältnis ist sehr eng. Wir sind ein leicht chaotisches, aber sehr gutes Team. Wir spielen oft Gesellschaftsspiele und gehen gerne gemeinsam mit unserem Hund spazieren“, sagt der. Für ihn die größte Herausforderung? „Man stößt als Mann bei Mädchen in der Pubertät durchaus an seine Grenzen, denn man möchte nicht über alles mit dem Papa reden. Da ist eine weibliche Bezugsperson, wie Zoes Psychotherapeutin, sehr wichtig.“ Eine weitere Herausforderung für viele Alleinerzieher, wie der Vater sagt: Die oft langen Wartezeiten auf gerichtliche Entscheidungen, etwa beim Kindesunterhalt.
Manfred S., 56 und Zoe, 13
Ein gutes Team. Ab August 2016 lebte Zoe großteils bei ihrem Papa, seit Juli 2018 nur mehr bei ihm. „Es ist nicht leicht, als Alleinerzieher eine neue Partnerin zu finden. Denn klar ist: Meine Tochter ist und bleibt in meinem Leben die Nummer eins.“
Zeitnot und Geldsorgen
Eva Maria Nadler sagt, dass neben der Frage nach leistbarem Wohnraum und ebensolcher Betreuung auch die alleinige Verantwortung für den Nachwuchs eine Rolle spielt. „Wir versuchen, die Mütter und Väter zu entlasten und darin zu bestärken, dass sie das, was sie leisten, sehr gut machen. Denn alle bemühen sich, das Bestmögliche für ihre Söhne und Töchter zu tun.“ Das gilt auch für Papas, die die Betreuung nach dem geteilten Obsorge-Modell geregelt haben – was laut Eva Maria Nadler „immer auch eine besonders gute Kommunikation mit dem Ex-Partner erfordert. Es funktioniert nur, wenn es auch die Bereitschaft gibt, miteinander zum Wohle des Kindes den Alltag zu handeln. Wenn hingegen eine noch nicht aufgearbeitete Vorgeschichte im Raum steht, belastet das die Situation.“ Psychologin und Psychotherapeutin Christa Schirl erinnert daran, wie wichtig der Kontakt zu beiden Elternteilen ist, sofern dies machbar ist: „Günstig für Kinder von getrennt lebenden Eltern ist es, wenn diese möglichst nahe beieinander wohnen. Jener Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammen lebt, sollte sich trotzdem bewusst in den Erziehungsalltag einbringen. Positiv wirkt sich außerdem aus, wenn der zweite Elternteil weiterhin als zur Familie gehörend betrachtet wird und sich die getrennt lebenden Eltern regelmäßig über die Kinder austauschen. Es hilft auch, wenn man Schulveranstaltungen, Freizeitaktivitäten oder Familienfeste zumindest zum Teil gemeinsam verbringt.“ Die Expertin betont, dass entscheidend ist, wie gut es dem Vater gelingt, die Bedürfnisse seines Kindes zu erkennen und darauf einzugehen. „Um das zu erlernen braucht er – genau wie die Mutter – Zeit und Erfahrung im Umgang mit dem Kind.“
Eine gute Gesprächsbasis
Sébastien Hansen sagt, dass er seiner Ex-Freundin sehr dankbar ist, dass die beiden so eine gute Gesprächsbasis haben. Denn auch wenn es nach einer Trennung Konfliktpotenzial gibt, für beide Elternteile war klar, dass es für Maya so leicht wie möglich sein soll. „Uns hat geholfen, bewusst das Gespräch zu suchen und eine Ebene zu finden, wo man über das Kind sprechen und die persönlichen Dinge ausklammern kann.“ Dennoch ist das Jonglieren zwischen Job, seinem Hobby – dem Spielen bei seiner Theatergruppe „Quintessenz“ – und der Betreuung von Maya für ihn nicht leicht. Der IT-Experte arbeitet 32 Stunden wöchentlich bei der Non-Profit-Organisation Licht für die Welt. „Auch wenn meine Arbeitgeberin verständnisvoll und flexibel ist, was meine Arbeitszeiteinteilung betrifft: Die Betreuung während der Sommerferien ist eine Herausforderung für mich.“ Manfred und Zoe planen derweil ihren Sommerurlaub. Die 13-Jährige möchte am allerliebsten nach Mailand, „weil man dort toll shoppen gehen kann.“ Manfred S. würde es in den Ferien eher nach Rom oder Barcelona ziehen. Doch gleich, wie immer die beiden sich auch entscheiden, was für Vater und Tochter am allerwichtigsten ist: dass sie eine schöne Zeit mit vielen gemeinsamen Erinnerungen verbringen können.
„Das Kind muss wissen, dass Mutter und Vater weiterhin seine Eltern bleiben, auch wenn diese nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben.“
Mag. Christa Schirl
Psychologin und Psychotherapeutin
christa-schirl.at
Kontaktstelle für Alleinerziehende
Individuelle Beratung und Gruppenveranstaltungen für alleinerziehende Mütter und Väter. Außerdem bietet die Kontaktstelle ein Leihoma-Service. Aktuell sucht man wieder nach Freiwilligen, die einmal die Woche Alleinerzieher in der Kinderbetreuung unterstützen.
www.alleinerziehende.at
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