Ernährung

Naschen lernen – muss das sein?

Keine Süßigkeiten als Belohnung

Marguerite Dunitz-Scheer, Kinderärztin und Psychotherapeutin, ist eine Mutter mit Prinzipien. Ihre Kinder durften stets selbst  entscheiden, wie viel oder wenig sie von den aufgetischten Speisen essen wollten. Süßigkeiten kamen jedenfalls nicht ins Haus.

Frau Dr. Dunitz-Scheer, Sie haben sechs (inzwischen erwachsene) Kinder. Wie kann man da noch dafür sorgen, dass alle gesund essen?
Marguerite Dunitz-Scheer: Gesund essen hat nichts mit der Familiengröße zu tun, sondern mit der Koch- und Esskultur. Schon das Einkaufen und Kochen kann eine attraktive Familienaktivität sein. Plus: Es gibt einfach keine Süßigkeiten zuhause,  schon gar nicht als Belohnung. Maximal selbstgebackene Kekse oder einen selbstgemachten Nachtisch. Süßigkeiten dürfen  grundsätzlich gerne außerhalb gegessen werden, aber zuhause existieren sie nicht. Damit erspart man sich 99 Prozent aller Diskussionen zu dem Thema. Alle meine sechs Kinder sind ausgezeichnete Köche geworden, und das ist in der heutigen Zeit schon ein wunderbares Mitbringsel aus der Kindheit!

Man hört, dass das Interesse an neuen Lebensmitteln im Kleinkindalter phasenweise schwankt. Worauf können sich Eltern einstellen?
Das ist absolut keine Altersfrage. Verweigert wird immer dann, wenn der Druck, die Erwartung oder der Zwang zu groß werden oder zu unsensibel gefüttert wird. Eltern sollten selbst gerne und gut essen, dann wächst das Kind ganz natürlich und gerne in diese Welt mit hinein. Neues wird nur dann verweigert, wenn man es thematisiert. Wenn es aber normal ist, dass viele verschiedene Lebensmittel auf den Tisch kommen, dann wird das vom Kind als positiv und attraktiv und eben normal erlebt.

Kinder, die freiwillig zum Apfel greifen und die Schokolade links liegen lassen – ist das nicht zu schön, um wahr zu sein?
Einzige Lösung: viel gutes Obst und keine Schokolade zuhause haben! Ich meine das ernst, und es ist absolut leicht, wenn man selbst dazu steht! Kinder müssen nicht mit Süßigkeiten belohnt werden, das wäre ja absurd.

Kann häufiger Süß-Hunger ein Alarmzeichen für eine Erkrankung sein?
Nein! Auch die sogenannte Zuckerkrankheit, der Diabetes Typ I, der erblich bedingt ist und oft schon im Kindesalter beginnt, macht sich nicht durch Süß-Hunger bemerkbar, sondern durch Gewichtsverlust, exzessiven Durst, häufigeres Urinieren und insgesamt vermehrten Hunger.

Wie lange soll man mitspielen, wenn ein Kind regelmäßig nach Süßem verlangt?
Bei allem Respekt vor der Autonomie und Selbst- bzw. Mitbestimmung von Kindern liegt es immer noch in der elterlichen Verantwortung, was zuhause auf den Tisch kommt. Süßes gibt es eben nur außerhalb des Zuhauses. Punkt. Sonst lässt man sich ja noch mit dem Thema erpressen und hat den Stress den ganzen Tag lang. Und erst recht in Zeiten wie Weihnachten.

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