Nie mehr Maske?
Die Schule beginnt und Kinder unter 12 Jahren sind nicht gegen COVID-19 geimpft. Wie sich die Kleinen dennoch bestmöglich schützen können.
Die vierte Welle kommt bestimmt, da sind sich die Experten mittlerweile einig. Wie stark die Delta-Variante durchschlägt, hängt zwar zu allererst von der allgemeinen Impfrate ab. Die herbeigesehnte Herdenimmunität gibt es – je nach Berechnungen – erst wenn 85 oder 90 Prozent der Bevölkerung immun sind.
Das heißt: wenn annähernd 9 von 10 Menschen entweder geimpft oder aber nach einer Erkrankung bereits wieder genesen sind. Für Kinder über 12 Jahren empfiehlt die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde eine Impfung. Kinder ab 12 Jahren, für die bislang auch noch keine Impfstoffe zugelassen wurden und die deshalb noch gar nicht geimpft sein können, dürfte die Delta-Variante aber besonders treffen. Denn: „Wer sich nicht impfen lässt, wird sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit infizieren und seine Immunität auf diesem Weg holen“, meinte die Epidemiologin Eva Schernhammer von der Med Uni Wien Mitte August im Interview mit der Presse. Während das Risiko für schwere Krankheitsverläufe bei ungeimpften Erwachsenen allerdings um ein Vielfaches höher ist, besteht aber – bei aller berechtigter Sorge und nötiger Sorgfalt – kein Grund zur Panik, dass die Kleinen (noch) ungeimpft sind.
Long COVID: die große Unbekannte
Erkrankte Kinder sind in der Regel nach rund sechs Tagen mit leichtem Krankheitsverlauf – meist Fieber und Durchfall – wieder gesund. Die große Unbekannte bleibt allerdings Long COVID: Spät- und Folgeschäden wie starke Müdigkeit, Erschöpfung und Schlappheit, die oft erst Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten – und das auch nach leichten Krankheitsverläufen. „Bis zu 14 Prozent der Kinder und Jugendlichen hatten auch einen Monat nach der Infektion noch Beschwerden. 7 Prozent auch noch nach 3 Monaten“, weiß Michael Sprung-Markes, Kinderarzt in Wien-Ottakring, aus einer noch unveröffentlichten Guideline zum Umgang mit Long COVID. In die Guideline flossen die Erfahrungen und Daten einer Vielzahl medizinischer Verbände und Gesellschaften ein. Sie soll laufend erweitert werden, weil es nach wie vor wenig Wissen gibt.
Michael Sprung- Markes, Kinderarzt in Wien-Ottakring www.gesund-wachsen.wien
Gefahr PIMS
Als gravierender wird das sogenannte „Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“ (PIMS) eingeschätzt, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Dafür beträgt die Inzidenz laut Sprung-Markes bei Kindern und Jugendlichen 0,14%. Gefordert sieht er hier besonders seinesgleichen: „Nach Covid-Infektionen passen wir Kinderärzte besonders auf, wenn plötzlich hohes Fieber, Durchfall und ein genereller, schlechter Allgemeinzustand auftreten. Dann müssen wir an PIMS denken und schnell reagieren sowie im Spital richtig behandeln.“ Grund zur Panik bestehe aber auch hier keiner. „Die größte Prävention wäre natürlich weiterhin die Isolation,“ so Sprung-Markes, „aber wie wir mittlerweile wissen bringt Isolation einen Rattenschwanz an anderen Problemen wie Depressionen, Angst- und Essstörungen.“ Deshalb rät der Kinderarzt wieder ein möglichst normales Leben zu führen, „das Kind wieder ein Kind sein zu lassen.“ All das müsse freilich unter Einhaltung grundlegender Regeln geschehen und setzt voraus, „dass alle, die geimpft sein können, auch geimpft sind. Denn das ist der beste Schutz und senkt auch bei Kindern das Risiko krank zu werden.“ Wichtig sei es auch, das regelmäßige Testen beizubehalten, um möglichen Clustern schnell vorbeugen zu können. „Wenn Schulkinder dreimal in der Woche mit einem PCR-Test gurgeln und im Kindergarten die Lollipop-Tests zum Einsatz kommen und vor allem auch Pädagogen sowie Betreungspersonen geimpft sind, dann sollte das reichen“, sagt Michael Sprung-Markes. Auch eine Maskenpflicht in Schulanstalten wäre dann nicht mehr nötig. In Gebäuden rät der Kinderarzt, auch weiterhin viel zu lüften („so gut das halt im Winter dann geht“). Auch der Turnunterricht und Singen solle zumindest im Herbst und im Frühling besser draußen stattfinden.
So wird der Schul-Herbst
Die Ratschläge des Mediziners decken sich weitgehend mit dem 4-Punkte-Plan, den Bildungsminister Heinz Faßmann bereits Anfang August für den Schulstart präsentiert hat. Neben wöchentlich drei Tests in den Klassen (ein PCR-Test, zwei Antigen-Tests), die weiterhin im „Ninja-Pass“ vermerkt werden, dem Einbau von Luftfilteranlagen an den Schulen (v.a. dort wo ein Luftaustausch über Fenster nicht möglich ist) und einem Impfangebot mit Impfbussen vor Schulen (für über-12-Jährige) gibt es ein dreistufiges, nach Risikograd unterschiedliches Regelwerk, mit dessen Hilfe die Ansteckungsgefahr so weit wie möglich reduziert werden soll. Dazu setzt das Ministerium auf ein Frühwarnsystem für Schulen und Kindergärten: In 116 Kläranlagen in ganz Österreich sollen regelmäßige Abwasseranalysen beobachten, wie hoch das Risiko in einer Region ist. So lassen sich im Fall des Falles alle Schulen und Kindergärten einer auffälligen Region warnen. Das klare Ziel: ein kontinuierlicher Schulbetrieb und das Vermeiden von Schulschließungen und Schichtbetrieb. Das garantiert Kindern und Pädagogen hoffentlich wieder Routine und Alltag – und Eltern sowie Erziehungsberechtigten die lang ersehnte Entlastung.
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