Erziehung

Österreichisch versus Deutsch

YouTube, TV, Freunde – die kindliche Sprache wird von vielen Faktoren beeinflusst. Vor allem in den Städten sprechen viele Kinder bundesdeutsch klingendes Deutsch. Der Sprachwandel, seine Ursachen und wie Eltern damit umgehen sollen.

„Mama, hängt meine Haube im Flur?“, „Ich geh’ hoch in mein Zimmer!“, „Nee, die Möhren mag ich nicht essen!“ – Sätze, die immer mehr Eltern von ihren Kindern kennen. Dabei sind es einzig die Wörter, die eher an Hamburg oder Berlin, als denn an Salzburg oder Wien erinnern. Auch bei der Aussprache fällt auf: viele Kinder haben nicht mehr die österreichische Sprachfärbung ihrer Eltern oder Großeltern. Susanne, 40, bemerkt das auch bei Julian, 8, und Emma, 13. Während die Mutter durch Wortwahl und Sprachfärbung als Hochdeutsch sprechende Wienerin zu erkennen ist, klingen ihre Kinder teils als ob sie in Deutschland aufgewachsen wären. „Ich sage den beiden oft, dass es nicht ,Flur‘ heißt und wir nicht ,hoch‘ sondern nach ,oben‘ gehen. Das bringt aber nichts, denn sie antworten mir dann: ,Aber unsere Freunde sagen das ja auch so‘.“

Ein Wandel der Sprache

Auch, wenn das babylonische Sprachengewirr in Österreichs Kinderzimmern längst nicht ausgebrochen ist, sind sich Experten einig, dass durchaus ein Sprachwandel stattfindet. Wobei vor allem Kinder im urbanen Raum hörbar anders sprechen. „Es liegt auch an den digitalen Medien“, sagt Manfred Glauninger, Sprachwissenschaftler an der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, „dass Kinder und Jugendliche anders sprechen als die mittlere und die alte Generation. Im Westen Österreichs hingegen ticken die Uhren noch anders, denn dort werden Kinder oft noch im Dialekt sozialisiert.“ Der Germanist betont, dass das Internet, pauschal gesehen, in der Geschichte der Menschheit die wahrscheinlich größte Kommunikationsrevolution darstellt: Vor allem junge Menschen sind immer online und „haben permanent in einem visuellen, auditiven, schriftlichen und gesprochenen, sprachlichen Kommunikationsfluss – und zwar aus allen Ecken der Welt.“

Die Medien spielen heutzutage durch den stärkeren Medienkonsum eine immer größere Rolle für die Sprache von Kindern und Jugendlichen.

Mag. Dr. Rudolf de Cillia, Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft

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Keine Angst haben

Doch was tun, wenn Begriffe wie Karotte, Gang oder Semmel auf dem lingualen Abstellgleis landen? Experten sind sich einig: Man kann es nicht verhindern – und soll den Nachwuchs gewähren lassen. Denn während Kinder in den ersten Lebensjahren sprachlich vorrangig von den Eltern beeinflusst werden, kommen mit dem Eintritt in den Kindergarten neue Faktoren hin: Gleichaltrige, die „Peers“, spielen dann ebenso eine Rolle, wie die Medien. Glauninger: „Es gibt bei kleinen Kindern das Phänomen, dass sie früh verschiedene Sprachwelten unterscheiden können. Wenn sie mit Puppen spielen, beginnen sie wie in einer Inszenierung zu sprechen. Das machen sie nicht, wenn sie in der Realität des Alltags sprechen.“ Der Experte beruhigt: Wenn Kinder bundesdeutsch klingendes Deutsch sprechen, kann sich das ändern, wenn sie erwachsen sind. Deshalb gilt: „Eltern sollen vor dem Sprachwandel keine Angst haben. Außerdem kann man ihn nicht aufhalten.“

Wir leben in einer globalisierten Welt: Staatliche und sprachliche Grenzen erodieren und wir erleben auch deshalb einen Sprachwandel.

PD Mag. Dr. Manfred Glauninger, Universität Wien und Österreichische Akademie der Wissenschaften

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Die Rolle des Fernsehens

Das hat auch Rudolf de Cillia vom Wiener Institut für Sprachwissenschaften erhoben – anhand einer Studie mit 1.250 Schülern und 165 Lehrern aus Österreich. Dabei wurden rund 30 Doubletten mit so genannten Austriazismen und Deutschlandismen, wie „Marille“ oder „Aprikose“, „heuer“ oder „dieses Jahr“, vorgelegt. „Wir haben Schüler und Lehrer gefragt, was sie eher verwenden. Je jünger, desto eher werden Deutschlandismen, je älter, desto eher werden Austriazismen verwendet.“ Welche Rolle das Fernsehen spielt, zeigt die Studie ebenfalls: Dafür wurden die teilnehmenden Schüler gefragt, welche Fernsehsender sie als Kinder, aber auch jetzt, hauptsächlich schauen. De Cillia: „In erster Linie waren das Kika und RTLplus – ORFeins kommt erst an dritter Stelle. Diejenigen, die angegeben haben, hauptsächlich bundesdeutsche Sender zu schauen, waren die, die auch statistisch signifikant mehr Deutschlandismen verwenden.“ Das Fazit des Wissenschafters: Die Medien spielen durch den stärkeren Medienkonsum eine immer größere Rolle. Dabei erinnert der Forscher daran: „Je weniger Eltern mit den Kindern selber kommunizieren und je mehr diese vor dem Fernseher sitzen – desto größer ist dessen Einfluss.“

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