RSV-Impfung in der Schwangerschaft schützt Kinder
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Insbesondere für Neugeborene und Säuglinge kann eine Infektion mit RSV gefährlich werden. Ein neuer RSV-Impfstoff für schwangere Mütter schützt I bis zu 81 Prozent der Kinder in ihren ersten sechs Lebensmonaten zuverlässig vor einem schweren Krankheitsverlauf.
In Mitteleuropa stecken sich Schätzungen zufolge etwa 50 bis 70 Prozent der Kinder während ihres ersten Lebensjahres mit RSV an. Bis zum zweiten Geburtstag hat fast jedes Kind eine RSV-Infektion durchgemacht. Die Erkrankung beginnt meist mit einem leichten Schnupfen, greift dann auf die unteren Atemwege und die Lunge über und kann zu akuten Atembeschwerden und Atemnot führen. Weltweit starben im Jahr 2019 etwa 100.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen einer RSV-Infektion – rund 97 Prozent davon in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.
„Eine RSV-Erkrankung kann bislang nur symptomatisch behandelt werden. Bei schweren Verläufen ist eine Sauerstoffgabe überlebenswichtig, was in ärmeren Ländern häufig nicht rechtzeitig oder in ausreichendem Maße realisiert werden kann“, sagt Prof. Dr. Beate Kampmann, Leiterin des Instituts für Internationale Gesundheit der Charité und Einstein-Professorin für Global Health. „Wir benötigen daher dringend eine Impfung, um die vulnerabelste Gruppe, nämlich Kinder unter sechs Monaten, wirksam vor schweren Krankheitsverläufen nach einer RSV-Infektion schützen zu können.“
Eine effektive Möglichkeit stellt eine Impfung während der Schwangerschaft dar, wie sie etwa gegen Grippe, Keuchhusten oder COVID-19 bereits empfohlen wird. Die werdende Mutter bildet nach der Impfung Antikörper, die sie über die Plazenta an das ungeborene Kind weitergibt. Es verfügt dann über einen effektiven Immunschutz, der über die ersten Lebensmonate anhält.
Umfangreiche Impfstudie in 18 Ländern
Einen solchen Impfstoff, der während der Schwangerschaft verabreicht wird, hat ein Pharmaunternehmen nun gegen RSV entwickelt. In einer umfangreichen internationalen Studie, die zwischen 2020 und 2022 in 18 Ländern durchgeführt wurde, ist der Impfstoff namens RSV-preF jetzt auf Verträglichkeit und Wirksamkeit geprüft worden. Prof. Kampmann hat im Rahmen ihrer langjährigen Forschungsarbeit in der Abteilung für Impfstoff- und Immunitätsforschung des Medical Research Council (MRC) in Gambia, Teil der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM), maßgeblich an der Untersuchung mitgewirkt.
In der nun vorliegenden Phase III-Studie wurde der Impfstoff 3.682 zufällig ausgewählten Studienteilnehmerinnen während des zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittels als Spritze in den Oberarm verabreicht. Eine ähnlich große Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo, also eine Spritze ohne Impfstoff. Weder die Studienteilnehmerinnen, noch die Leitenden der Studie wussten bis zum Abschluss des Studienzeitraums, wer den Impfstoff und wer das Placebo erhalten hat. Es handelt sich also um eine Placebo-kontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie, die höchsten Qualitätsstandards entspricht.
Nach der Geburt wurden die Kinder über ein bis zwei Jahre regelmäßig sowie bei Anzeichen von Atemwegserkrankungen untersucht. Dabei wurde auf das RS-Virus getestet und die Schwere der Erkrankung nach einem vorab festgelegten Studienprotokoll bewertet.
Zulassung für RSV-Impfstoff beantragt
„Die Ergebnisse der Impfstudie sind ausgesprochen positiv“, sagt Prof. Kampmann. „Bei über 80 Prozent der Kinder konnte durch die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft ein schwerer Verlauf einer RSV-Erkrankung in den ersten drei Lebensmonaten verhindert werden, über zwei Drittel waren auch noch im Alter von sechs Monaten geschützt. Auch wurde die Impfung von den Frauen sehr gut vertragen.“ Die Zulassung des Impfstoffs ist bei den europäischen und US-amerikanischen Arzneimittelbehörden beantragt. Die Ergebnisse der Prüfung sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr vorliegen.
Die Teilnehmerinnen der Studie kamen zu knapp der Hälfte aus den USA, 30 Prozent von ihnen sind in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen beheimatet. In Gambia beispielsweise hat das Team um Prof. Kampmann rund 200 Teilnehmerinnen rekrutiert. „Unsere Plattform für Impfstudien mit schwangeren Frauen, die wir in Gambia bereits etabliert hatten, konnten wir für die RSV-Impfstudie erfolgreich nutzen“, sagt Prof. Kampmann. Die ausgewiesene Expertin für Kinderinfektiologie ist seit über einem Jahrzehnt in dem westafrikanischen Land aktiv. Hier hat sie unter anderem für die Bekämpfung von Keuchhusten im Kindesalter ein Programm zur Immunisierung während der Schwangerschaft ins Leben gerufen. Erkrankungen wie diese sollen auf diese Weise verhindert und die Säuglingssterblichkeit gesenkt werden.
„Es ist wichtig, Impfstudien in den Ländern durchzuführen, in denen die Impfstoffe später auch genutzt werden sollen“, sagt Prof. Kampmann. „Gerade in sozio-ökonomisch benachteiligten Ländern leiden die Menschen aufgrund schlechter Hygienebedingungen häufig an chronischen Darmentzündungen. Das kann – wie etwa im Fall der Rotavirus-Impfung – zu einer geringeren Effektivität der Impfung führen. Und es gibt Co-Erkrankungen wie Malaria oder HIV, die den Antikörper-Transport über die Plazenta beeinträchtigen. All das beeinflusst, wie gut ein Impfstoff letztlich wirkt.“ Für nationale Impfgremien ist es darüber hinaus wichtig, dass sich ein Impfstoff auch innerhalb der eigenen Region als wirksam erwiesen hat, um ihn später empfehlen zu können.
„Die Verträglichkeit des RSV-Impfstoffs war bei den Studienteilnehmerinnen insgesamt ganz hervorragend und die Effektivität bei der Prävention von schweren RSV-Erkrankungen der Säuglinge überzeugend. Wir danken den Frauen für ihre Teilnahme und hoffen, dass der Impfstoff bald eingesetzt werden und viele junge Leben retten kann.“ Junge Leben in Gambia und in der ganzen Welt, denn gerade die zurückliegende Saison 2022/23 hat die Folgen von RSV-Infektionen deutlich vor Augen geführt: Allein in Deutschland waren die Aufnahmen von Säuglingen und Kleinkindern auf Intensivstationen laut Robert Koch-Institut auf bis zu 350 Prozent angestiegen. Eine Situation, in der die Gesundheitsversorgung zeitweise an ihr Limit gelangte.
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