Slow Family – wie Familien die Umwelt retten
Die #fridayforfuture-Bewegung hat eine neue Welle des Klimaschutzes ausgelöst. Wer glaubt, der Einzelne könne eh nix ausrichten, irrt. Mehr Nachhaltigkeit, mehr Natur, mehr Slow-down: Gerade Familien können tagtäglich einen wichtigen Beitrag leisten. Und was gut fürs Klima ist, bedeutet oft auch weniger Alltagsstress.
Stichworte Ozonloch, Regenwald-Abholzung, Klimakatastrophen. Wer in den 1980er- oder 1990er-Jahren Kind war, wird sich gut daran erinnern, dass schon damals in Medien und Schule viel die Rede war vom Klimawandel. Und auch davon, was dagegen zu tun sei. Trotzdem ist seither – vielleicht abgesehen von oftmals belächelten Ökos und jutebesackelten, grüngefärbten Großstadtmenschen – in Sachen Klimaschutz viel zu wenig passiert.
Ausgerechnet ein erst 16 Jahre altes Mädchen scheint nun Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wachgerüttelt zu haben. Die von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg initiierten „Schulstreiks für das Klima“ haben eine globale Welle des Klima- und Umweltschutzes ausgelöst. Dank der #fridayforfuture-Bewegung ist das Thema endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer mehr Menschen, jung oder alt, wollen ihren CO2-Fußabdruck und Müllberge reduzieren, mit weit weniger Plastik leben, nachhaltig und bewusst einkaufen.
Klimakiller Konsum – wir haben die Wahl!
Wer meint, alleine könne man doch nichts ändern, irrt gewaltig. Wir sind alle Konsumenten. Jede noch so kleine Zelle in der Gesellschaft kann demnach mit nachhaltigem Konsumverhalten einen Wandel herbeiführen. Kein Angebot ohne Nachfrage. Indem wir entscheiden, was wir brauchen und worauf wir verzichten wollen, haben wir einen wichtigen Hebel für den Klimaschutz in der Hand. Gerade Eltern können viel bewirken, indem sie ihre Kinder schon früh für ein ressourcenschonendes Leben sensibilisieren.
Der Wermutstropfen dabei: So weiter wie bisher wird’s nicht spielen. Aktuelle Klimastudien alarmieren: Viel Zeit, um den Klimawandel zu stoppen, bleibt nicht. Daher sollten wir uns schnell mit dem Gedanken anfreunden, dass wir uns unsere gesättigte Wohlstandsgesellschaft so auf Dauer nicht mehr leisten können. Konkret heißt das: nicht mehr einfach nur wegschauen, sondern sich endlich von schädlichen Gewohnheiten verabschieden.
Es muss nicht immer Fleisch sein!
Hatten unsere Omas und Opas früher maximal einmal die Woche Fleisch auf ihren Tellern, schlemmen Menschen in westlichen Gesellschaften ununterbrochen nach Fleischeslust und Laune. Dabei ist die industrielle Massentierhaltung leider ein wesentlicher Faktor des Klimawandels. Der Anbau von Tierfutter verbraucht erwiesenermaßen weit mehr Flächen, als benötigt würden, wenn Menschen nicht für Tiere, sondern für sich selbst Lebensmittel anbauen würden. Für diese immensen Tierfutter-Anbauflächen brauchen Landwirte entsprechend viel Dünger, der wiederum Treibhausgase freisetzt. Die in Masse gehaltenenen Rinder produzieren darüber hinaus beim Verdauen unentwegt klimaschädliche Methangase. Umweltorganisationen raten uns daher heute nicht umsonst dringend dazu, den Fleischanteil in der Ernährung zu reduzieren. Wer sich ausgewogen und fleischreduziert ernährt oder sogar Vegetarier wird, erspart dem Weltklima laut Studien rund 0,4 Tonnen CO2 im Jahr. Grund genug, um vielleicht einmal über den Mittelweg nachzudenken: nur noch gelegentlich Fleisch essen und sich dann aber hochwertigeres leisten – Biofleisch aus artgerechter Tierhaltung zum Beispiel.
Auto, Flugzeug – oder eben Zug und Rad?
Der weltweite Verkehr hat mit 14 Prozent einen grossen Anteil am Klimawandel. Der Straßenverkehr zählt mit etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen fix zu den großen Klimasündern. Das Auto immer öfter stehen zu lassen, ist also ein sehr effektiver Widerstand gegen den Klimawandel. Ebenso der Verzicht auf Flugreisen. Die Treibhausgasbilanz von Flügen weist im Vergleich zu anderen Transportmitteln die mit Abstand höchsten Emissionen auf. Ein Kilometer, der mit dem Flugzeug zurückgelegt wird, ist laut dem Verkehrsclub Österreich 31 Mal so klimaschädlich wie ein Kilometer mit der Bahn. Insofern sollte jede Familie für sich entscheiden, bei welchen Gelegenheiten ganz bewusst mit der Bahn oder dem Bus wo hingefahren wird.
Sogar auf Urlaub. Denn wer sagt, dass man sich auf fernen Inseln am meisten erholt? Entspannung und Abenteuer warten im Grunde auch vor der eigenen Haustür. Das Meer – vom Binnenland Österreich aus betrachtet – zugegeben nicht wirklich. Dafür kann so eine Fahrt mit dem Nachtzug ans Mittelmeer wiederum zum Erlebnis der Sonderklasse für die ganze Familie werden. Was die alltäglichen Autofahrten in der näheren Umgegung betrifft: Immer mehr Eltern sind es leid, Taxi für ihre Kinder zu spielen. Wie wäre es also, wenn Kinder zu Fuß, mit dem Bus oder mit dem Rad zur Schule oder zum Fußballtraining fahren? Mit den Öffis zur Arbeit? Oder mal ein Leihauto oder Carsharing für bestimmte Anlässe ausprobieren? Warum nicht? Vielleicht macht für manche Familien auch diese Faustregel Sinn: alles unter zehn Kilometer mit dem Rad. Möglicherweise lässt sich das eigene Auto überhaupt komplett abschaffen, weil eine Kombi aus Rad, Bus, Bahn und Leihauto die passende Verkehrslösung für Groß und Klein ergibt.
Grätzelkultur: Think and act local!
Unsere Großeltern haben als Kinder ziemlich sicher nur dann ein neues Gewand bekommen, sobald die abgetragenen Sachen der älteren Geschwister nicht mehr zu flicken waren. Heutzutage klingelt ständig ein Bestellbote und bringt neue Kleidung ins Haus. Hergestellt in irgendeinem Ausbeuterbetrieb in Südostasien. Abgesehen von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen werden durch die Produktion von Waren, Verpackungen, aber auch Geräten und Maschinen immer wieder Öl, Kohle oder Gas verbrannt. Mit immer mehr Treibhausgasen als Folge. Der Umwelt zu Liebe zahlt es sich also unbedingt aus, genauer zu schauen, woher unsere Konsumgüter kommen und wie sie produziert werden.
Ebenso, welche Möglichkeiten es gibt, etwa Möbel, Spielzeug oder Kleidung regional zu kaufen. Oder Lebensmittel. Ein Kilo Obst und Gemüse aus Übersee verursacht rund zehn Kilogramm CO2-Emissionen. Bei Lebensmitteln aus beheiztem Treibhausanbau entstehen im Schnitt zehn Mal mehr Emissionen als solche aus Freilandproduktion. Für den Klimaschutz kann also nur gelten: Regionale Lebensmittel aus saisonalem Freilandanbau sind besser.
Slow Family – slow Village
Und von wegen immer alles neu: Tauschbörsen, Flohmärkte, Second-Hand-Läden oder Gebrauchtwaren-Plattformen sind ein wichtiger Schritt in Richtung Ressourcenschonung. Ganz nebenbei werden so Grätzelnetzwerke und nachbarschaftliche Beziehungen geknüpft. Denn der Wunsch, dass unsere Kinder noch in eine halbwegs intakte Umwelt hineinwachsen, geht oft einher mit dem Bedürfnis nach mehr Gemeinschaft, Dorfcharakter, Natur und Langsamkeit. Viele Familien, die ihren CO2-Fußabdruck reduzieren, kommen drauf, dass der ganze Konsum- und Faster-Shopping-Wahn eigentlich furchtbar energieraubend ist. Und ein nachhaltiger Lebenstil weitaus stressfreier.
Nicola Schmidt und Julia Dibbern propagieren in ihrem Buch „Slow Family“ die Wiederentdeckung der Langsamkeit als Schlüssel hin zu einem glücklichen Familienleben. Mit dem „Jeden Tag ein bisschen“-Effekt, glauben die beiden Autorinnen fest, können viele Menschen mit Bewusstsein viele kleine Dinge tun und viel verändern. Slow-down bedeutet auch: nicht das zehnte Billig-T-Shirt kaufen. Den Elektro-Zug doch noch einmal reparieren. Wurst und Eier von glücklichen Kühen und Hennen kaufen. Das Auto vermehrt stehen lassen, und auch sonst vom Gas runter. Denn was hat man als Familie davon, wenn in der Freizeit Tausende Kilometer gefahren werden, um dieses oder jenes Event zu besuchen? Womöglich verpasst man dann die Blüte der Bäume in der nächsten Umgebung. Oder man erfährt nie, wie spaßig es sein kann, vor der eigenen Haustür von einer Regenlacke in die nächste zu hupfen. Oder wie weit man seinen Blick vom eigenen Baumhaus aus eigentlich in die Ferne schweifen lassen kann. Ist erst einmal ein Gang zurückgeschaltet, spüren nicht nur die Kinder, wie gut es tut, die einfachen Dinge des Lebens bewusst zu erleben und dabei den eigenen Energiehaushalt und die Umwelt zu schonen.
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