Trend zu immer späterem Mutterglück
Aktuelle Umfrage zeigt: Fast die Hälfte der Frauen weiß nicht, ab welchem Alter die Fruchtbarkeit abnimmt. Das macht spätes Mutterglück manchmal schwierig.
Europäische Frauen bekommen ihr erstes Kind im Schnitt mit rund 29 Jahren. Dann, wenn der Rückgang der Fruchtbarkeit bereits beginnt. Der Trend zur immer späteren Familienplanung ist ein anhaltendes Phänomen, Fruchtbarkeitsprobleme ein zunehmendes. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass fast die Hälfte der Frauen nicht weiß, in welchem Alter die Fruchtbarkeit tatsächlich abzunehmen beginnt.1 Führende Experten aus fünf europäischen Ländern forderten daher im Rahmen einer virtuellen Podiumsveranstaltung der Patienten-Dachorganisation „Fertility Europe“ Initiativen für mehr Bewusstsein für reproduktive Gesundheit und bessere Aufklärung darüber schon in der Jugend.
Durchnittlich sind Frauen bei der Geburt des ersten Kindes 29,4 Jahre alt
In Europa liegt das Durchschnittsalter von Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, bei 29,4 Jahren, wobei dieses Alter in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist. Österreich befindet sich etwas über dem EU-Schnitt: 2017 lag das durchschnittliche Alter der Erstgebärenden noch bei 29,3 Jahren, ein Jahr später bei 29,5 Jahren und im Jahr 2019 bereits bei 29,7 Jahren. Die fruchtbarsten Jahre einer Frau liegen zwischen dem späten Teenageralter und den späten 20ern. Ab dem Alter von 30 Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden, da die Qualität und Anzahl der Eizellen abnehmen. „Ab 35 fällt die Fruchtbarkeitskurve dann steil ab. Bei Frauen über 43 ist die Fruchtbarkeit so weit gesunken, dass eine natürliche Schwangerschaft sehr unwahrscheinlich ist“, erklärt der Gynäkologe Dr. Mathias Brunbauer, Leiter der Klinik „Wunschkind“ in Wien. „Immer mehr Paare bleiben ungewollt kinderlos.“
Mangelndes Wissen über Fruchtbarkeit
Weniger als ein Viertel der Frauen werden derzeit in jungen Jahren über ihre Fertilität aufgeklärt. Während 90 Prozent der Frauen zwar bewusst ist, dass ihre Fruchtbarkeit mit dem Alter sinkt, weiß fast die Hälfte von ihnen (40%) jedoch nicht, in welchem Alter dies beginnt. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung von 20-40-jährigen Frauen aus fünf europäischen Ländern. „Die Gründe für eine immer spätere Mutterschaft sind zum einen, dass zunächst Ausbildung und Beruf im Vordergrund stehen. Auch das Fehlen des richtigen Partners ist häufig ausschlaggebend, um mit der Familienplanung noch zu warten“, weiß Brunbauer. „Wenn der Wunsch nach einem Kind schließlich stärker wird, ist häufig das biologisch beste Alter für eine Schwangerschaft schon vorbei.“
Aufklärung in der Schule: Fertilität kaum Thema
In der Umfrage gab nur eine von fünf Frauen an, in der Schule über den altersbedingten Rückgang der Fruchtbarkeit informiert worden zu sein. „Reproduktive Gesundheit ist ein unterschätzter und missverstandener Aspekt des Lebens. Je früher wir die Ausbildung fördern und den allgemeinen Zugang zu fairen und sicheren Behandlungen ermöglichen können, desto mehr befähigen wir unsere nächste Generation, die Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit zu erlangen“, sagte Satu Rautakallio-Hokkanen, Vorsitzende von Fertility Europe, der Dachorganisation europäischer Patientenverbände, im Rahmen einer virtuellen Podiumsdiskussion mit führenden internationalen Experten. Laut Fertility Europe ist das Wissen speziell bei Burschen im Teenageralter über die Fruchtbarkeit und die Biologie der Mädchen alarmierend schlecht. Fertility Europe ist der festen Überzeugung, dass diese Aufklärung bereits im frühen Jugendalter in der Schule beginnen sollte. Denn gut informierte Teenager werden später zu Erwachsenen mit ausreichendem Wissen über ihre reproduktive Gesundheit.
Das Podium wurde von der britischen Rundfunksprecherin und Hausärztin Dr. Sarah Jarvis geleitet. Ziel der Diskussion war es, Wissenslücken in der Fertilitätsausbildung zu hinterfragen und die dringende Notwendigkeit zu erörtern, wie die Bildungspolitik junge Menschen besser über die Fruchtbarkeit und deren Rückgang aufklären können. „Fruchtbarkeit war historisch gesehen ein Tabuthema. In den letzten Jahren hat sich das Blatt jedoch gewendet, da Frauengesundheit ins Rampenlicht gerückt ist. Damit kommt den medizinischen Fachkräften und den Regierungen gleichermaßen eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von genauen und zuverlässigen Informationen und Ressourcen zu“, sagte Jarvis. „Es besteht die Notwendigkeit, entsprechende Lehrpläne zu implementieren, die unsere nächste Generation mit den richtigen Werkzeugen ausstatten, um wichtige Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen.“
Das Ticken der biologischen Uhr
Jede Frau wird mit einer fixen Anzahl – eine halbe bis eine Million – von Eizellen geboren, die bei der Geburt bereits ausgebildet sind und sich nicht mehr vermehren. Ab der Pubertät beginnen die Eizellen heranzureifen. Pro Monat stehen hunderte zur Verfügung, doch nur eine reift heran und kann theoretisch befruchtet werden. Alle anderen gehen kaputt. Je älter eine Frau wird, desto weniger Eizellen hat sie somit zur Verfügung. „Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass die Eizellen im Körper über so lange Zeit gespeichert und gelagert werden können, ohne Schaden zu nehmen“, sagt Gynäkologe und IVF-Experte Brunbauer. „Bei einer 30-jährigen Frau ist etwa jede vierte Eizelle chromosomal gesund. Im Alter von 40 Jahren ist nur mehr jede achte bis zehnte Eizelle in einwandfreiem Zustand.“ Brunbauer abschließend: „Ich halte es für wichtig, dass man früh und ausreichend über die Fruchtbarkeit aufgeklärt wird, um sich später rechtzeitig über die Familienplanung Gedanken zu machen.“
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