„Unsere Modalfasern sind besonders weich und eignen sich daher gut für Kinderbekleidung“
Interview mit Dr. Stefan Doboczky, Vorstandsvorsitzender Lenzing AG
Stefan Doboczky, Vorstandsvorsitzender des Faserherstellers Lenzing, über die Vorteile nachhaltig produzierter Fasern aus Holz in der Textilerzeugung und die zunehmende Ökologisierung der Textilbranche.
Dr. Stefan Doboczky
Die holzbasierten Lenzing-Fasern Viscose, Modal und Lyocell haben im Higg Index der gemeinnützigen Sustainable Apparel Coalition im Vergleich zu Produkten der Mitbewerber einen wesentlich kleineren ökologischen Fußabdruck. Worauf ist diese positive Nachhaltigkeitsbilanz zurückzuführen?
Stefan Doboczky: Der gute ökologische Fußabdruck ist erstens auf Holz als Rohstoff für unsere Fasern und zweitens auf die umweltschonende Produktion zurückzuführen. Holzbasierte Fasern brauchen viel weniger Wasser und Fläche als Baumwolle, und Holz wächst ohne Einsatz von Pestiziden. Weil unsere Fasern aus Holz sind, sind sie biologisch abbaubar, verrotten in Erde und Wasser und werden somit wieder Teil des natürlichen Kreislaufes.
Woher stammt das Holz für die holzbasierten Fasern der Lenzing AG?
Wir kaufen das Holz hauptsächlich in Österreich, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Täglich kommen 60 bis 70 Waggons und ein paar Lastwagen nach Lenzing und bringen Buchenstämme, die wir zu Hackschnitzel, Zellstoff und Fasern verarbeiten. In Tschechien verwenden wir hauptsächlich Fichtenholz.
Welche Vorteile bieten holzbasierte Fasern gegenüber synthetischen Fasern?
Holzbasierte Fasern stammen aus der Natur und werden wieder zu Natur. Synthetische Fasern wie Polyester bleiben Jahrzehnte und Jahrhunderte auf Müllhalden liegen oder verschmutzen die Meere. Nanopartikel werden beim Waschen ausgeschwemmt und gelangen ins Wasser, wo sie die Lebewesen schädigen. Das passiert mit unseren Fasern nicht.
Welche Vorteile bieten holzbasierte Fasern im Bereich der Wohntextilien?
Unsere Lyocellfasern der Marke TENCEL™ eignen sich sehr gut für Bettwäsche, weil sie Feuchtigkeit sehr gut aufnehmen und wieder abgeben. Sie kommen auch häufig in Handtüchern als Mischungspartner mit Baumwolle vor. In Teppichen sind sie pflegeleichter als bisher verwendete Fasern.
Welche Vorteile bieten holzbasierte Fasern bei Kinderbekleidung?
Unsere Modalfasern sind besonders weich und eignen sich daher gut für Kinderbekleidung, aber auch für Unterwäsche und Nachtwäsche für Erwachsene.
Für welche über Bekleidung hinausgehende Verwendung eignen sich holzbasierte Fasern der Lenzing AG noch?
Unsere Fasern finden Sie in Netzen für Biogemüse und Bioobst in fast allen österreichischen Supermärkten. Sie finden Sie in Batterieseparatoren und auch in Kosmetikprodukten wie Gesichtsmasken und in Hygieneprodukten wie Baby-Wischtüchern, Windeln, Slipeinlagen und Tampons sowie feuchtem Toilettenpapier.
Nur rund 40 Prozent des Holzes können zu Fasern verarbeitet werden. Was geschieht mit dem Rest?
In unserer Bioraffinerie werden 40 Prozent des Holzes zu Zellstoff für Fasern. Weitere zehn Prozent sind biobasierte Materialien wie Essigsäure zum Einlegen von Essiggurkerln etc. und Xylose als Basis für Zucker in Kaugummis. Die Hälfte des raffinierten Holzes verwenden wir als biobasierte Energie in unseren Produktionsprozessen.
Wie reagiert die Textilindustrie auf holzbasierte Fasern?
Die Nachfrage nach holzbasierten Fasern ist groß, weil die Modebranche zunehmend erkennt, dass sie sich mehr um Auswirkungen ihrer Produkte auf die Umwelt kümmern müssen und weil auch die Nachfrage der Konsumenten nach Produkten mit einem guten ökologischen Fußabdruck steigt. Sie finden unsere Fasern bei Zara, bei H&M, bei Levi’s und bei allen anderen großen Modemarken der Welt.
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